I. Der Geist der Bewegung

1. Er ist nicht der Heilige Geist Gottes. Daß er von vielen dafür gehalten wird, ist bekannt, und darin besteht ja gerade der Irrtum der Brüder. Als ich Mitte des Jahres 1907 in die Bewegung hineinkam, hatten monatelang die meisten deutschen Gemeinschaftsblätter diesen Geist, der im Auslande sein Verführungswerk trieb, als den Heiligen Geist verherrlicht. Wie viele andere, so hatte auch ich mich über die großen Taten Gottes, die in vielen Teilen der Erde geschehen sollten, von Herzen gefreut.

Dazu kam, daß die Bibel, die damals fast meine einzige Lektüre war, kein Wort darüber sagt, daß es auch ein dämonisches, von einem fremden Geist gewirktes Zungenreden gibt. Sie läßt klar in die Erscheinung treten, daß das Zungenreden am Pfingsttag ein anderes war, als das in Korinth. Sie sagt aber kein Wort darüber, daß es auch ein dämonisches Zungenreden geben kann. Es fällt das um so mehr auf, da der Apostel gerade im 1. Korintherbrief in Verbindung mit dem Abendmahl an die Korinther schreibt: „Nun will ich nicht, dass ihr in die Gemeinschaft mit den Dämonen treten sollt“ (1. Kor. 10, 20). Dagegen sagt er in 1. Kor. 14 kein Wort von dämonischem Zungenreden. Natürlich will ich der Bibel darüber keinen Vorwurf machen, sondern will nur die Tatsache feststellen, daß ich dadurch mit veranlaßt wurde, von vornherein den Standpunkt einzunehmen: „Wo in Zungen geredet wird, da ist Heiliger Geist.“ Ein Standpunkt, den übrigens Männer mit größerem Wissen und Scharfsinn als ich, in jenen Tagen durchaus mit mir teilten.

Nun haben wir es aber in dieser Bewegung nicht mit dem Heiligen Geist zu tun,
sondern mit einem  v e r f ü h r e r i s c h e n  G e i s t.  Das ist eine Behauptung, für die ich
auf den folgenden Seiten den Beweis zu bringen habe.

2. Weil wir es in der Bewegung mit einem verführerischen Geist zu tun haben, handelt es sich in ihr  n i c h t  um die Macht der  S u g g e s t i o n. Ich habe in den 2 ½ Jahren, seit ich aus der Bewegung heraus bin, nicht nur ähnliche Bewegungen früherer Jahrhunderte gründlich studiert, sondern mir auch ein klares Bild über Suggestion zu verschaffen versucht.

Ein hiesiger Psychiater, der die Bewegung hier durch eigene Beobachtung kennen lernte, schrieb: „Die Bewegung würde auch hier viel größere Dimensionen angenommen haben, wenn es der Zufall nicht gewollt hätte, daß es in der Leitung an einer herrschsüchtigen, suggestiv wirkenden Persönlichkeit fehlte.“ Dieser Psychiater, der, was mit Dank anerkannt werden soll, im Gegensatz zu manchen anderen Berichterstattern in wahrhaft vornehmer Weise schrieb, glaubte also, die ganze Bewegung sei  S u g g e s t i o n .
Er wird aber doch auch seine Schwierigkeiten mit der Suggestion gehabt haben müssen, zumal er selbst zugibt, daß es in der Leitung an einer suggestiv–wirkenden
Persönlichkeit fehlte. Dafür sorgt schon der verführerische Geist der Bewegung, daß die
Leiter weder herrschsüchtig noch suggestiv wirkend sind, denn herrschen will dieser Geist
allein.

Daß nun in der Bewegung Suggestion vorhanden ist, soll auch von mir unbestritten mbleiben; sie ist aber nicht die Ursache der Bewegung, sondern neben vielen anderen eine
Begleiterscheinung in ihr. Alle wahren Christen, einerlei, ob sie heute Freunde oder Gegner der Bewegung sind, sind sich, soweit als sie die Bewegung kennen lernten, darin einig, daß die Ursache der Bewegung nicht Suggestion, sondern  ein übernatürlicher Geist ist. Dieser Geist ist aber nicht der Heilige Geist, sondern

3. ein  v e r f ü h r e r i s c h e r  I r r g e i s t. Wer nicht ein moderner Sadduzäer ist, so daß
er an „keine Auferstehung, noch Engel, noch Geist“ glaubt (Apg. 23, 8), hat auch keine
Schwierigkeiten, wenn er sich veranlaßt sieht, in irgendeiner Bewegung mit einem
verführerischen Geist rechnen zu müssen.

Die Heilige Schrift redet sehr deutlich darüber, daß in den letzten Zeiten verführerische Geister kommen werden, und Johannes sagt: „Sie sind jetzt schon in der Welt.“ Daß sich solche verführerische Geister, wenn es sich darum handelt, fromme Menschen zu verführen, fromm stellen müssen, ist doch zu natürlich.

Der Geist dieser Bewegung besitzt eine hohe Intelligenz, mit der menschliche Klugheit
und menschlicher Scharfsinn gar nicht zu vergleichen ist. Ferner besitzt dieser Geist einen
rasenden Hochmut, in welchem er sich erdreistet, sich für Christus auszugeben, und eine
große Raffiniertheit. Es ließe sich darüber noch mehr sagen, aber dies mag genügen.

Dieser Geist übertrifft an Fähigkeiten weit unseren Menschengeist und versteht in
vorzüglicher Weise, jeden Menschen zu nehmen, wie er ist und ihn individuell zu
behandeln, obwohl nicht geleugnet werden kann, daß in der Bewegung eine gewisse
Schablone ist. Was von Gott geschrieben steht, das kann man auch auf diesen Geist
anwenden: „Bei den Frommen bist Du fromm, bei den Reinen bist Du rein, und bei den
Verkehrten bist Du verkehrt.“ Von Gott ist dieses Wort wahr, weil Er Licht und Wahrheit
ist, von dem Geist der Bewegung nur deshalb, weil er sich jedem einzelnen in
V e r s t e l l u n g  naht: als ein  E n g e l  d e s  L i c h t s.

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Aus: Dallmeyer, Heinrich / Schrenk, Elias: Erfahrungen in der Pfingstbewegung, Neumünster, [1909]