Verblendete Sinne (Fritz Binde)

Ist aber auch wirklich unsere Heilsverkündigung [unser Evangelium] verhüllt, so ist sie bei denen, die verloren gehen, verhüllt, bei denen der Gott dieser Weltzeit die Sinne [Gedanken] der Ungläubigen geblendet hat, auf daß ihnen nicht erstrahle der Lichtglanz der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit des Christus, der da ist das Bild Gottes. (2. Kor. 4, 3-4)

Da haben wir die wahre Ursache des Unglaubens aller Weltkinder, nämlich vom Satan geblendete Sinne, die unfähig machen, Christus zu erkennen; und diese verblendeten Sinne sind zugleich das sichere Kennzeichen derer, die verloren gehen.

Daß aber auf diese letzte Ursache alles Unglaubens und auf dies schauerliche Kennzeichen des Verderbens nicht mit ernstlicherer Entschiedenheit hingewiesen wird, gehört selbst wiederum mit zu Satans Blendwerk, womit er die Heilsverkündigung zu verhüllen sucht.

Was wird heute nicht alles empfohlen, um die Heilsbotschaft von der Menschen Erlösung in Christus annehmbarer zu machen: Alles der Vernunft Anstößige müsse entfernt werden, man müsse auf die gedanklichen Schwierigkeiten der Gebildeten mehr Rücksicht nehmen, man dürfe nur noch auf wissenschaftlicher Grundlage vorgehen und nach psychologischer Methode verfahren, das kultivierte Empfinden des modernen Menschen müsse geschont werden; also nur ja nicht von Satan, Gericht und Verdammnis reden!

Schwindel!

Denn das Ergebnis dieser Bemühungen bedeutet Verfälschung des Wortes Gottes, Entkräftung der Heilsbotschaft, Betörung der Seelen, Verwirrung der Gewissen, Verirrung des Lebens und bleibende Verblendung zum ewigen Verderben.

Wahre Knechte Jesu können und wollen sich und ihre Botschaft nicht anders empfehlen als durch die Kundmachung der Wahrheit an jedes Gewissen vor den Augen Gottes (Vers 3).

Und da gilt: „Ist und bleibt unsere Heilsverkündigung verhüllt, so ist sie bei denen verhüllt, die verloren gehen.“

Gott selbst hat das von ihm in Christus gewirkte Heil als solches nie verhüllt. Sein Testament enthält Geheimnisse, ist aber keine Geheimlehre. Jesus lehrte öffentlich im Tempel (Mark. 14, 49), die Reden und Taten der Apostel geschahen nicht im Winkel (Apg. 26, 26), und bis zur Stunde ist die Heilsverkündigung eine Sache der Öffentlichkeit, die bis zu den Enden der bewohnten Erde hingetragen wird. Also an äußerer Kundmachung der Wahrheit hat es von seiten Gottes aus nicht gefehlt, obgleich der Missionsbefehl Jesu noch lange nicht erfüllt ist.

Wohl aber gibt es auch von seiten Gottes aus eine innere Verhüllung der Heilswahrheit, insofern er sie vor den Weisen und Klugen verborgen hat und sie nur den Unmündigen offenbart. Dies tut Gott aber nur, um die Weisheit dieser Weisen und Klugheit dieser Klugen in ihrer menschlichen Unzulänglichkeit als Unweisheit und Torheit zu enthüllen und zuschanden zu machen (Matth. 11, 25; 1. Kor. 1, 27–29). Also verhüllt sich die Weisheit Gottes nur, damit vor ihr die Weisheit der Menschen als Torheit enthüllt und somit die Tatsächlichkeit der satanischen Verblendung unserer Sinne bestätigt und offenbar werde. Gott muß uns erst die Unzulänglichkeit unserer eigenen Weisheit aufs bitterste zu schmecken geben; wie könnten wir Menschen sonst anders zur Erkenntnis unserer Verblendung gelangen? Wie sollten wir sonst unser Verlorensein einsehen?

Wem also der Inhalt der Heilsbotschaft, der ja immer im Worte vom Kreuz (1. Kor. 1, 18) gipfelt, nichts als Torheit zu sein scheint, der suche die Torheit bei sich selbst, indem er angesichts der Unfähigkeit, zu verstehen und zu begreifen, endlich die tatsächliche Verblendung seiner Sinne erkennt und zugibt, anstatt die Heilsbotschaft als Torheit dauernd zu verwerfen und damit sein Verlorengehen zu besiegeln.

Wer aufrichtig bekennen muß: Ich verstehe die Heilsbotschaft nicht, sollte damit zugleich demütig bezeugen und beklagen: Ich muß wohl noch weit entfernt sein von Gott. Aber eben dies zu sagen, erlaubt die Verblendung der Sinne nicht.

Ist aber dieser unheilvolle, irrselige Zustand nicht schon Verlorensein genug? Was heißt denn verloren sein? Verloren sein heißt, von dem getrennt bleiben, dem man gehört, und der einen vermißt. Die verlorene Drachme, das verlorene Schaf, der verlorene Sohn (Lukas 15) waren alle drei im gleichen Sinne verloren. So ist unsere Seele ihrem Lebens- und Gebrauchswerte nach getrennt von Christus, ihrem Lebensherrn und Erzhirten, und vom Vaterhause des Reiches Gottes. Unsere Seele ist von unermeßlichem Werte, aber Christus kann sie nicht seiner Habe zuzählen, denn sie lebt ferne seiner Herrschaft und vermag weder ihn zu erkennen noch sein Reich zu sehen. Der Widersacher Gottes hält ihre Sinne geblendet. Getrennt vom Urheber, Erretter und Herrn ihres Lebens, bleibt sie verloren.

So gehören Verblendet- und Verlorensein zusammen.

Und in diesem verhängnisvollen Zustande befinden sich von Haus aus alle Menschen. Denn die Verblendung unserer Sinne ist eine uns angeborene.

Wie beklagen wir Blind- oder Taub- und Stummgeborene. Aber was ist das Fehlen äußerer Sinne gegenüber unserer angeborenen Unfähigkeit, Gott in Christus recht zu erkennen? Für alles haben die Menschen Augen, und ihr Auge sieht sich nimmer satt, aber das innere Auge, das Auge des Herzens (Eph. 1, 18), das den Lichtglanz der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit des Christus, des Ebenbildes Gottes, sehen und empfangen sollte, ist geblendet. Wie sucht das äußere Auge die sichtbare Welt im Großen und im Kleinen zu durchdringen, aber eher sucht es noch den schwächsten Lichtschimmer des fernsten Fixsternes aufzufangen, als daß der Mensch sich ein inneres Sehorgan des Glaubens von Gott erbittet und bilden läßt, um Christus, das Licht der unsichtbaren Welt, erschauen zu können. So vermag der äußere Sehsinn des Menschen sich wohl aufs eifrigste mit der Schöpfung zu befassen, aber gegenüber dem Schöpfer ist er blind. So begehrt auch das Herz unzählige eitle, zerbrechliche Dinge als seine Lust und Augenweide, aber die lichte Kunde von dem zu unserem ewigen Heile erschienenen herrlichen Ebenbild Gottes lehnt es ab.

Doch das Schauerlichste dieser inneren Blindheit ist, daß der Mensch sie nicht wahrnimmt. Er ist blind seiner Blindheit gegenüber; denn er hält sich für sehend und durchaus befähigt, mit seiner Vernunft über Gott zu urteilen und mit dem eigenen Tun, wenn nötig, Gott zu befriedigen. Kein äußerlich Blinder bezweifelt seine Blindheit, aber alle innerlich Blinden sprechen: „Wir sind nicht blind, wir sehen“. Und so bleibt ihre Blindheit und bleibt ihre Sünde (Joh. 9, 41). Denn das Wesen der inneren Blindheit ist der verblendete sündige Hochmut des Menschen, der sich nicht demütigen lassen will. Und je mehr sich Gott bemüht, den blinden Hochmut sehend zu machen, damit er sich erkenne und verwerfe, und je mehr der Verblendete sich dabei gegen den richtenden und rettenden Lichtglanz der Heilsverkündigung wehrt, desto größer wird die Sünde des blinden Hochmuts. Es ist der allezeit verkehrte menschliche Eigenwille, der sich unter Satans Anleitung von Gott hat loslösen lassen und seitdem im stolzen Wahne des eigenen selbständigen Seins, Wissens und Könnens gefangen liegt.

Nichts ärgert das stolze Menschlein so sehr wie die Verkündigung, daß es in all seinem Dünkel doch nur ein verblendeter, verfinsterter, irregeleiteter und betrogener Sklave einer übermenschlichen, gott- und menschenfeindlichen Lügenmacht sei. Aber nicht etwa Liebe zu Gott ist die Ursache dieses Ärgers, sondern die eigenwillige Ichliebe, also eben der Hochmut, den Satan einpflanzte, womit er den Menschen blendete und woran er immer wieder sein Leitseil anknüpft, um den Verblendeten in der Irre herumzuführen, und die List aller Listen Satans ist dabei die, dem genasführten Menschen weißzumachen, es gäbe gar keinen Satan; an sein Dasein und seine Macht zu glauben, sei nur kulturwidriger Wahn. So ist also der Mensch nicht nur blind gegen seine Blindheit, sondern auch blind gegen seinen Verblender.

Paulus aber nennt den geschäftigen Widersacher Gottes und listigen Betrüger der Menschen geradezu den „Gott dieser Weltzeit“ und bestätigt damit nur die Worte Jesu von der „Macht der Finsternis“ und vom „Fürsten dieser Welt“ (Luk. 22, 53; Joh. 12, 31; 14, 30; 16, 11). So haben also auch die Gottlosen einen Gott und die Selbstherrlichen einen Fürsten? Ja, jeder Mensch, dem dauernd die gehörte Heilsverkündigung verhüllt bleibt und die Erleuchtung durch ihren Lichtglanz mangelt, hat sich der Obrigkeit der Macht der Finsternis mehr oder weniger bewußt versklavt, hat als ein Weltkind den Fürsten dieser Welt zum Herrn und steht als ein Gottloser, weil Jesusloser, unter dem von Gott selbst zugebilligten Regimente Satans, des „Gottes dieser Weltzeit“. Ja, so schauerlich es klingen mag, so wahr ist es: Wer nicht in der Lebenserneuerung, die Christus gebracht hat, Gott als seinen Vater erkannt und gefunden hat, der hat noch den Teufel zum Vater, der in ihm wirksam ist, und dessen Begierden solch ein „Sohn des Ungehorsams“ zu tun begehrt (Joh. 8, 44; Eph. 2, 2). Und was sind die Begierden des Teufels, in denen „die Söhne des Ungehorsams“ ihm gehorsam sind, anders als die Lust des Fleisches, die Lust der Augen und das prahlerische hoffärtige Wesen, das jedes unerneuerte Menschenherz erfüllt und kennzeichnet? Denn alles dieses ist nicht von Gott, dem ewigen himmlischen Vater Jesu Christi, sondern vom „Gott dieser Weltzeit“, vom Teufel, dem Vater der in Lüsten und Prahlerei Hoffärtigen, weil eigenwillig Hochmütigen (1. Joh. 2, 16). Wahrlich, wer in dieser Weise Sünde tut, das heißt in ihr sein Lebenselement hat, der ist vom Teufel (1. Joh. 3, 8). Und wie sehr religiös man sich in solchem Sünden- und Teufelsdienst gebärden kann, beweist das Beispiel der Pharisäer, denen Jesus als den Allerersten sagen mußte: Ihr seid nicht von Gott (Joh. 8, 47). Aber ist die Menschenwelt in dieser „Weltzeit“, in der Satan die Herrscherrolle spielen darf, nicht solcher Menschen, die nicht von Gott sind, voll und übervoll?

Wahrlich, gerade heute, wo des Teufels Weltzeit in schauerlicher Entfaltung des gottfeindlichen Menschendünkels ihrer Höhe, aber auch ihrem Ende entgegeneilt, lernen Jesu Jünger es augenscheinlicher als je verstehen, was es heißt: „Der Gott dieser Weltzeit hat der Ungläubigen Sinne verblendet!“

  • Nie ist dem großen Menschenhaufen aus den neueren Kulturvölkern die Heilsverkündigung so verhüllt gewesen, wie heute.
  • Nie ist die Ablehnung der Heilsbotschaft eine so überwiegende, teuflisch-gehässige, hochmütige und endgültig entschiedene gewesen, wie heute.
  • Nie ist die törichte Predigt vom Kreuz so überlegen, selbstweise, selbstgerecht und selbstherrlich sowohl von der breiten Masse als auch von den einzelnen, die sich für besonders klug halten, abgewiesen worden wie heute.
  • Nie hat man in so raubmäßiger, selbstsüchtiger Verblendung nach dem getrachtet, was auf der Erde ist, und in so völliger Gleichgültigkeit den Himmel den Engeln und den Spatzen überlassen wollen wie heute.
  • Nie hat man die Heiligkeit Gottes und die Abscheulichkeit der Sünde so gering eingeschätzt, nie Sünde weniger Sünde genannt und nie selbstsicherer Gottes Gebote übertreten wie heute.
  • Nie hat man andererseits das menschliche Tun und Wissen so überschätzt, nie solche verblendete Hoffnungen auf den Wert und die Entwicklung und Entfaltung des Menschenwesens gesetzt wie heute.
  • Nie hat man sich so „wissenschaftlich“ gründlich erkühnt, den Offenbarungswert der Heiligen Schrift herabzusetzen und ihren Inhalt „religionsgeschichtlich“ zu zersetzen, um damit ihre Autorität aufzulösen wie heute.
  • Nie hat man Gottes biblisch offenbarte zukünftige Zorngerichte über alles ungöttliche Wesen, nie Bekehrung, Buße und Wesenserneuerung mehr belächelt, nie verblendeter den Sohn Gottes mit Füßen getreten, nie sein Blut unreiner geachtet, nie verstockter den Geist der Gnade geschmäht wie heute!
  • Und nie war das, was sich äußerlich noch als Christentum und Kirche gibt, solch ein wüstes Pfuschwerk Satans wie heute.

Das alles hat „der Gott dieser Weltzeit“ mit Menschen fertigbringen können, die er von der Erkenntnis ihrer angeborenen inneren Blindheit und damit von biblischer Bekehrung, Buße und Herzenserneuerung hat abhalten können.

Damit ihnen nicht der Lichtglanz der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit des Christus, der da ist das Bild Gottes, erstrahle, blendete er sie mit dem glänzenden Strahlenspiele des menschlichen Vernunftlichtes, in das hinein er trügerisch lockend das Bild ihrer Ichgröße rückte. So verhüllt er den Menschen durch ihr geschickt beleuchtetes Ichbild Christi rettendes Lichtbild. Und damit sie nur ja keinen Gedanken unter den Gehorsam des Christus gefangen nehmen, nahm er ihr Denken und Sinnen gefangen durch Ehrsucht, Habsucht, Genußsucht oder beschäftigte sie immer übermäßiger mit wichtigen wissenschaftlichen Problemen und verheißungsreichen Kulturidealen. Um ihr Ohr und Herz immer mehr der Heilsverkündigung zu entziehen und zu entfremden, narrte er sie mit dem aufregenden und hinnehmenden Machtspiele der Politik und hetzte die blind Erregten zuletzt hinein in den blutigen Krieg. Oder er betörte sie mit irdischen sozialen Glücksträumen von Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, mit denen er zum haßerfüllten Klassenkampf entflammte, den irrseligen Kultus der Organisationen und der selbstsüchtigen sozialen Rechtsforderung entfachte, alle Irregeleiteten mit den berauschenden Zauberworten „Sozialismus“ und „Sozialarbeit“ betäubte, um schließlich als grinsender Menschenmörder die Schrecken des Bürgerkrieges und endlich die der „Weltrevolution“ zu befehligen. Siehe da, der rote Weltbrand soll den weißen Lichtglanz der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit des Christus, des alleinigen Bringers wahrer Freiheit und Gerechtigkeit, auslöschen! Oder aber „der Gott dieser Weltzeit“ blendete die Verirrten durch das Ideal vom „Weltfrieden“, den er ihnen als Ergebnis eines „Völkerbundes“ und neuer Kulturwege vorgaukelt. Ach, die den neuen Bund des Friedens, den Gott im Blute seines Sohnes am Kreuz auf Golgatha gemacht hat, in hochmütigem Eigenwillen ablehnten und damit Christus, den einzig wahren Fürsten des Friedens, verwarfen, die wollen nun dieser Menschheit, die ohne Bekehrung, Buße und Herzenserneuerung ungläubig dahinirrt, auf dem bloßen Wege der politischen Vernunft den Völkerfrieden bringen! Welch ein Betrug Satans! Denn welch eine Blindheit gegenüber der menschlichen Blindheit. Blinde und blinde Blindenleiter, wie nahe seid ihr beide der Grube! – Aber das blendendste Trugwerk Satans, mit dem er sein Wirken in dieser Weltzeit zu krönen und alle blinden Idealisten zu beschäftigen sucht, ist die große Einheits- oder Zukunftsreligion, die aus allen Religionen zurechtgebraut und als das herrlichste Kulturergebnis des Menschengeistes die kommenden Geschlechter beglücken soll. Den gottgesandten einen Hirten, der sein Blut für alle hingab, verwirft man, und seine Herde haßt und verfolgt man, aber die menschliche Einheitsreligion bejubelt man. Welch ein Zusammenbruch muß solcher Verblendung folgen!

Und nebenher diesem breitangelegten neuzeitlichsten Satansbetrug, wieviel Verhüllung der Heilsverkündigung und Ablenkung vom Heiland durch Kunstmoden, Kleidermoden, Denk-, Erziehungs- und Ernährungsmoden und -methoden, Sport- und Vereinsleben, Schulwissen und Berufsarbeit! Wie fein weiß „der Gott dieser Weltzeit“ mit all diesen Kulturnotwendigkeiten der Ungläubigen Sinne zu blenden, um sie vom Lichtglanz der Heilsbotschaft fernzuhalten! Und wie listig versteht er es, die Menschen etwa durch ein bloßes religiöses Wissen um den Empfang des lebendigen Glaubens zu betrügen! Ein Professor zum Beispiel bestimmt aufs genaueste den Begriff „Bekehrung“, aber selber bekehrt er sich nicht! Ein „Geistlicher“ predigt ohne den Heiligen Geist; denn da er sich selber vollauf für sehend hält, hat er der Person des Heiligen Geistes als ein Armer im Geiste nie bedurft! Wie muß „der Gott dieser Weltzeit“ von solcher Predigt befriedigt sein! So bedeuten denn die allermeisten Katheder- und Kanzelreden zu Satans Freude viel mehr Verhüllung als Enthüllung der göttlich-apostolischen Heilsverkündigung.

Am verderblichsten aber blendet „der Gott dieser Weltzeit“ der Ungläubigen Gedanken und Sinne durch die unmittelbare Knechtschaft in der Sünde.

Sünde ist ja überhaupt im tiefsten Grunde Unwissenheit, nämlich die Folge des Getrenntseins von der Erkenntnis und dem Besitz der verborgenen Gottesweisheit. Hätten die menschlichen Herrscher dieser Weltzeit diese Weisheit gekannt, so hätten sie Christus, den Herrn der Herrlichkeit, nicht gekreuzigt (1. Kor. 2 ,8). Kannte jeder Mensch das Wesen, den Urheber und die Tragweite der Sünde, so kannte er auch die Torheit der Sünde und möchte nie mehr sündigen. Eben deshalb muß ja Satan die Menschen in der Verblendung zu halten suchen; denn würden sie geheilt von ihrer inneren Blindheit, so würden sie auch geheilt von der Sünde. Aber eben deswegen ist auch Sündigen in Unwissenheit nicht Schuldlosigkeit. Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun, bat der gekreuzigte Gottessohn für seine Feinde. Gerade ihr unwissendes Sündigen bedurfte der Vergebung. Denn gerade unsere Unwissenheit ist Menschheitsschuld von Adam her, fluchvolle Lebensbeschränkung infolge des Sündenfalls, der das Geschöpf von der Wesensweisheit Gottes, seines Schöpfers, trennte, und Folge des vom Satan in Eva erzeugten Selbständigkeits- und Wissensdünkels, in dem sie bewußt Gottes Gebot übertrat. Eben da liegt ja die Ursache unserer angeborenen fluchvollen Blindheit. Und diese Ursache und ihre Folge leugnen heißt allemal beides nur bestätigen.

Denn bis zur Stunde betreibt Satan dasselbe Verfahren. Erst erregt er Zweifel an Gottes Vatertreue und Vaterrecht, dann verlockt er zur Aufrichtung der eigenwilligen Ichgröße Gott gegenüber, indem er dem Geschöpf Gottgleichheit und Gottesweisheit verheißt, und aus dem Begehren des Menschen nach eigener Größe folgt dann jedes Begehren des Verbotenen, das die Sünde gebiert. Es ist immer der Weg vom Unglauben zum Ungehorsam, der Weg von der Verblendung zum Verderben. Denn Torheit, Betrug und Fluch ist jede eigenwillige Selbstbehauptung des Menschen Gott gegenüber, Torheit, Betrug und Fluch jedes eigenwillige Begehren; jede vermeintliche Selbstherrlichkeit und Freiheit werden zum erbärmlichen Knechtsdienst der Sünde. Zum blinden Ichdienst gehört der blinde Sündendienst.

Wer an Satans Strick blind in beidem geht, dem kann kein Lichtglanz der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit Christi ins Herz fallen, dem ist die Heilsverkündigung verhüllt; sie muß solchen verblendeten Toren eine Torheit sein (1. Kor. 2, 14). O wie blind und taub für die Heilsbotschaft macht doch der törichte Hochmut, der Dünkel und Ehrgeiz in allen seinen Formen! Wie untüchtig zum Glauben macht die ausdürrende sklavische Fleischeslust! Wie verödet die Unreinheit! Wie verhärtet der Geiz! Wie verhindern Lüge und Untreue! Wie erstickend wirken Neid, Unversöhnlichkeit und Haß!

Verblendete Sinne!

Satanische Ursache alles Unglaubens auf Erden!

Ein blindes, verkehrtes, verdrehtes, ein ehebrecherisches Geschlecht, vor dessen Augen verborgen ist, was zu seinem Heile dient!

Eine mißleitete, mißratene Menschheit, die ihren Herrn und Meister, die ihren Erretter, Lebens- und Friedensfürsten nicht kennt!

Vom ewigen Schöpfer eine „Weltzeit“ lang der Wirksamkeit des „Feindes“ ausgesetzt, der Unkraut über Unkraut säen durfte, das nun den Acker, die „Welt“, überwuchert hat! Ja, eine „im Argen“, das heißt in der Gewalt des Bösen liegende Welt! (1. Joh. 5, 19). Und der Verderber mußte der „Fürst dieser Welt“ genannt werden, und er ist’s. Als Lichtengel betrog er, als brüllender Löwe verschlang er. O das Heer der Betrogenen! O die Menge der Erschlagenen! O die Schar der Verschlungenen!

Verblendete Sinne!

Aber sie merken nichts. Nur müssen sie die Irrenhäuser größer bauen und die Krankenhäuser und die Zuchthäuser. Kulturselig, ruhmselig geht die Wanderung auf breiter Straße weiter.

Wüstes Stimmengeschwirr erfüllt die Luft. Es wird zum Streit-, zum Kriegsruf. Das Schwert badet sich im Blut, wird trunken vom Blute. Millionen Leben liegen erschlagen. Hungersnot und Seuchen wüten und fressen. Not lehrt fluchen, stehlen, kennt kein Gebot mehr. Jeder haßt, fordert, droht, verteuert, erschwert dem andern das Leben. Jedes schreit „Gerechtigkeit!“, und Unrecht und Untreue nehmen überhand. Jedes schreit „Freiheit!“ und übt Zwang und Gewalt. Jedes verlangt „Frieden“ und streitet wider andere in Selbstsucht, einzelne wie Völker!

Und man merkt nichts.

Nun haben sie einige neue Erziehungsmethoden ausgeklügelt; die sollen die verwirrte Jugend zurechtbringen und sie vor neuen Kulturzusammenbrüchen bewahren. Und „Arbeit! Arbeit!“ ruft sich alles einander zu. Und „Auf wissenschaftlicher Grundlage!“ betonen die Professoren. „Und auf dem Wege der politischen Vernunft!“ versichern die Machthaber.

Verblendete Sinne!

Grenzenlos wird die Verirrung und Verwirrung werden. Die Macht der Finsternis wird immer lichtraubender die Herzen und Köpfe einhüllen. Und der „Fürst dieser Welt“, der „Gott dieser Weltzeit“ schickt sich an, in Menschengestalt seinen Fuß auf die Erde zu setzen, um seine antichristliche Obrigkeit unter den reif gewordenen Verblendeten mit genialster List und umfassendster Gewalt für immer zu befestigen …

Heben wir jetzt die Häupter aus dieser grausen Nacht, und sehen wir das andere Bild!

Da ist Christus.

Der Lichtglanz seiner Herrlichkeit, als der Herrlichkeit des Ebenbildes Gottes, flutet uns aus dem Worte der Heilsbotschaft ins unverhüllte Auge. Er ist gekommen, des Teufels Blendwerk zu zerstören; denn die Lichthungrigen sollen durch ihn gesättigt werden.

Er zeigt uns, wer Gott ist; denn er ist als der gesandte liebe Sohn des Höchsten des Vaters Abbild. Ohne ihn bleibt Gott ein „unbekannter Gott“. Er aber hat uns Gott kundgemacht.

Und er zeigt uns, wer der Mensch sein soll: Denn als Gottes Abbild ist er der Menschen Urbild. So wie er ist, so ist Gott, und so wie er ist, so sollten wir sein. Alles Menschenwesen kann nur an ihm gemessen werden; denn er allein ist das Maß aller Dinge, und ohne ihn gerät alles in maßlose Verirrung.

Und darum kann nur er uns allein zeigen, wer wir in Wirklichkeit sind; denn allein vor ihm, als unserem Urbild, erkennen und ermessen wir unser Zerrbild.

So ist er allein das Licht, in dem man das Licht als Licht erkennt, und vor dem die Finsternis zur Finsternis wird.

So wird der Lichtglanz seiner Herrlichkeit unser rettendes Gericht! Komm, geliebte, lichthungrige Seele! Ja, als du in der Finsternis gesessen, trug er mit dir Geduld.

Nun aber sollst du sehend werden! Komm, und sieh! Sieh Gottes Abbild, sieh unser Urbild, sieh dein Zerrbild! Komm, erkenne ihn als das Licht! Komm, erkenne dich als die Finsternis! Mag dich das Licht blenden wie einst jenen Pharisäer Saulus, mag dich deine Finsternis erschrecken wie einst den Fischer Simon Petrus die seine, komm nur; denn du kommst zu deinem Retter!

Komm, siehe, er will verwandeln deine verblendeten Sinne in erleuchtete Sinne!

Der „Gott dieser Weltzeit“ hat dich geblendet. Der wahrhaftige Gott, „der Vater der Ewigkeit“, will dich erleuchten!

„Ein hörend Ohr, ein sehend Auge, beide macht Gott.“ Aber wo macht er sie gänzlich? Nur dort, wo seine herzliche Barmherzigkeit uns besucht hat als „der Aufgang aus der Höhe, zu erscheinen denen, die in der Finsternis und im Schatten des Todes sitzen, daß er unsere Füße richte auf den Weg des Friedens.“

Nur vor dem Christus Gottes wird dein vermeintliches Licht Finsternis und deine Finsternis wahrhaftiges Licht.

Dort siehst du in ihm den heiligen Gott und in dir den abscheulichen Sünder.

Denn nur dort, wo die Herrlichkeit des Christus dir aufgeht, geht deine eigene Herrlichkeit unter.

Darum kann kein Mensch erleuchtete Sinne erlangen, er gelange denn zu Christus.

Stelle dich neben deinen Nachbar, o, wieviel eigene Größe kannst du da noch in der Vergleichung mit ihm herausrechnen! Miß dich an dem Besten, den du kennst, und immer noch wagst du dich zu recken, weil du meinst, du seiest auch nicht gerade der Schlechteste. Schau an die bloß menschlichen Kulturgrößen, ach, ihr Genius verpflichtet dich wenig, du lobst dir dein bescheidenes Plätzchen. Aber gelange wirklich bis zu Jesus Christus, und du bist verpflichtet, entlarvt, gestürzt – erleuchtet: gerettet!

O, wie begreifst du dann dein langes trotzig-banges Ausweichen vor ihm! Denn mochtest du auch lange gespäht haben nach eines Lichtes Schimmer, so wußtest du doch längst: Sein Licht ist zunächst verzehrendes Gericht, das dein Wohlgefallen an dir selbst, von dem du bisher trotz alledem lebtest, zerstören und dir den Sturz bringen wird in die Tiefe der Buße. So liebtest auch du die Finsternis, ach, wie lange! mehr als das Licht; denn auch deine Werke waren ja böse und scheuten ihr Gericht (Joh. 3, 19).

Nun aber wird es dir Erlösung, dich dem heiligen Lichte preiszugeben; denn deine lange Verblendung in der Finsternis schmerzt dich nun so, daß du dein altes Leben, das du so lange und so leidenschaftlich liebtest, anfängst zu hassen, und bereit wirst, es restlos zu lassen.

Und bist du so mit erleuchteten Sinnen reif geworden zur Verwerfung deiner selbst, wo solltest du dann dein gerichtetes Ich anders hinwerfen, als im Geiste zu den Füßen dessen, der dir sein Licht ja nicht zum Verderben, sondern nur zur Rettung geschenkt hat? Dein Verblender und Verderber war Satan, darum kann dein Erleuchter nicht das gleiche, sondern nur dein Erretter sein. Der dich als Zerrbild mit heiligen Blitzen traf, will dich ins Urbild zurückerneuern. Nicht aus seinem Lichte hinaus in die Finsternis zurückstoßen will er dich, sondern in Licht verwandelt sollst du, o erleuchtete Seele, werden, und wie könntest du fürderhin noch ohne den leben, der deiner bösen Nacht zum lichten Tag geworden ist? Darum kann es nicht anders sein: der dir Licht gab, dich in der Buße zu verwerfen, der gibt dir auch Licht, dich im Glauben ihm zu überlassen. Der dir die Verurteilung brachte, der schenkt dir auch die Vergebung. Der als Abbild Gottes der Heilige unter den Menschen war, der war als Abbild Gottes auch der Barmherzige unter ihnen. Der den Blinden das Gesicht wiedergab und den Armen im Geiste das Himmelreich zusprach, der hatte auch für die zur Buße erleuchteten Sünder die Vergebung bereit und gibt sie durch den Heiligen Geist heute auch dir.

Und zur Bezeugung seiner lichten Heiligkeit und Barmherzigkeit laß dich jetzt, friedehungrige Seele, noch dorthin führen, wo die Finsternismacht ihre scheinbar siegreichste Stunde auf Erden hatte, und wo gerade dennoch der „Fürst dieser Welt“ aus seiner Machtstellung über Sünderherzen hinausgeworfen wurde. Laß dich geleiten ins Licht des Kreuzes auf Golgatha. Denn Christus ist nicht nur gesandt worden, um uns als Vorbild zu zeigen, wer Gott ist, wer wir sein sollen, und wer wir in Wirklichkeit sind, sondern der Lichtbringer wurde erst zum vollen Heilsbringer, als er zum Sündenträger und Sündentilger am Kreuz gemacht wurde. Nicht als er mit Vollmacht redete, wundertätig heilte und Unerhörtes prophezeite, hat er den Fürsten dieser Welt besiegt und uns aus dessen Gewalt und Obrigkeit errettet, sondern als er an Stelle vieler sein unvergleichlich kostbares Leben zum Lösegeld für der Welt Sünden in den Kreuzestod gab, da hat er uns mit seinem Blute von Sündenschuld und Sündenmacht losgekauft und über die Macht der Finsternis triumphiert. Da, als er als makelloses Gotteslamm, das Gott für uns zur Sünde machte, der Welt Sünde hinwegnahm, da hat der Eine, für alle Dahingegebene, schuldgequälte, friedehungrige Seele, auch deine Schuld gesühnt und dir Vergebung und Frieden mit Gott verschafft.

Siehe, deswegen sucht „der Gott dieser Weltzeit“, wenn er die Sinne der Ungläubigen blendet, keine Heilsverkündigung so dick und dicht zu verhüllen wie die törichte Predigt vom Kreuz. Hier, wo Gottes heilige Gerechtigkeit den Sündlosen nicht verschonte, um in liebender Barmherzigkeit uns todeswürdige Sünder zu schonen, hier will der Feind um jeden Preis die Erleuchtung der Sinne verhindern. Hier, wo Satan mit seinen Hoheiten und Gewalten völlig entkleidet und als besiegt öffentlich zur Schau gestellt worden ist, hier will er mit aller List die triumphierende Macht des Christus und die eigene Ohnmacht verhüllen. Und deshalb führt allein das Kreuz zur wirklichen Scheidung zwischen Teufelskindern und Gotteskindern: „Torheit!“ empören sich alle vom „Gott dieser Weltzeit“ Verblendeten; „Gotteskraft!“ jauchzen alle vom „Vater der Ewigkeit“ Erleuchteten.

Ja, „Torheit“ soll und muß auch nach Gottes Willen das Sühnopfer des Gotteslammes am Kreuz allen Verblendeten, die sich in sich selber für weise und gerecht halten, bleiben, bis vor der Unbegreiflichkeit der Kreuzespredigt endlich ihre Selbstweisheit zur Torheit und die Torheit des Kreuzes ihnen zur alleinigen, rettenden Weisheit wird. „Hören Sie auf mit dieser Torheit!“ empörte ich mich einst einem Lichtskinde gegenüber, das zu mir vom Heil im Kreuze zu reden begann. „Ja, so müssen Sie reden“, entgegnete der Sohn des Lichts, „denn auch mit dieser Rede bestätigen Sie nur die Wahrheit der Heiligen Schrift, die in 1. Korinther 1,18 sagt: ,Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren gehenʻ, und Kapitel 2,14 hinzufügt: ,Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich gerichtet sein!ʻ“ O, wie habe ich in jener darauffolgenden schlaflosen Nacht mich geärgert und geschämt, daß ich wider Wissen und Wollen doch der Bibel hatte recht geben müssen! Und wie hat jene Nacht zu meiner Erleuchtung und Bekehrung mithelfen dürfen!

Siehe, geliebte Seele, so gelangt der heilshungrige Mensch allein vor dem Kreuz zu wirklicher Buße und völligem Glauben. Denn nur das Kreuz scheidet uns von der eigenen Weisheit, Gerechtigkeit und Herrlichkeit und damit von der Verblendung unserer Sinne, und damit vom Satan, und damit von der Welt, und damit von der Sünde, und damit vom Eigenwillen, und damit von uns selbst, und damit vom Verderben.

Und so befähigt uns auch allein die Gotteskraft im Kreuz zur wahren Nachfolge Christi; denn nur sie befähigt zur gänzlichen Selbstverleugnung und zum Tragen unseres eigenen Kreuzes ohne Eigenwillen. Denn nur die im Kreuz erleuchtende Gottesweisheit und die am Kreuz errettende Liebe Christi drängt und befähigt uns, zu urteilen, daß Einer für alle gestorben ist und somit allesamt gestorben sind, auf daß, die da leben, nicht mehr sich selbst leben sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt ist (2. Kor. 5,14-15). Als Glied einer gefallenen Menschheit mit Christus ihrem haftbaren Haupte mitgekreuzigt, mitgestorben, mitbegraben, aber auch mitlebendig gemacht: o, welche Lichtreihe für das von Gott durch den Heiligen Geist geöffnete Glaubensauge der Erleuchteten! Und o, welche finstere Torheit für das Vernunftsauge der Verblendeten!

Ich lebe nicht mehr als Ich, sondern es lebt in mir Christus (Gal. 2, 20). Christus mein neues, mein göttliches, mein ewiges Leben! Siehe da, die Segensfülle des Lichtglanzes der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit des Christus, der da ist das Bild Gottes!

„Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh. 8, 12).

Und nun habe gewählt, licht- und lebensdurstige Seele!

Satans Hülle sei zerrissen,
Christi Licht dir aufgegangen,
sein Heil dir erschienen,
sein Leben dir geschenkt!

Oder willst du jetzt, nachdem dir die tiefste Ursache des Unglaubens enthüllt worden ist, wieder zurücksinken in unselige Zweifel? Willst du, nachdem dir der Lichtglanz der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit des Christus, des Ebenbildes Gottes, gnadenreich geleuchtet, wieder zurück- und hinabtauchen in das Dunkel deiner eigenen Weisheit und Klugheit und damit dich neu ausliefern der Verblendung durch Satan, den „Gott dieses Zeitalters“?

Hüte dich!

Damals sprach Jesus: „Da ihr das Licht habt, glaubt an das Licht, auf daß ihr Söhne des Lichtes werdet.“ Und es heißt weiter: „Solches redete Jesus, und er ging fort und entzog sich ihnen“ (Joh. 12,36). Er ließ Zeit zur Nachwirkung seiner Lichtsrede, Zeit zur Scheidung zwischen Licht und Finsternis.

Höre, die ganze gegenwärtige Weltzeit ist eine Zeit der Scheidung. Christus oder Belial? Das ist die einzig große Zeit- und Lebensfrage. Und da geht es allen denen, die dem Licht der Wahrheit, das sich ihnen genähert hatte, nicht glauben mochten, so: erst verblendete sie Satan, nun verblendet sie Gott!

Gott will, daß niemand von den durch den „Gott dieser Weltzeit“ Verblendeten verloren gehen soll, sondern alle sollen zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und gerettet werden. Dazu sandte er das Licht der Welt, seinen Sohn, und gab nachher durch die Apostel die Heilsbotschaft im Heiligen Geist als eine Wirkungskraft der Wahrheit, der die Menschen glauben sollten. Nun aber, gegen das Ende dieser Weltzeit hin schickt er den Menschen „eine Wirkungskraft des Irrwahns“ (2. Thess. 2, 11), „daß sie der Lüge glauben, auf daß alle gerichtet würden, die der Wahrheit nicht glauben“ mochten.

Willst du, teure Seele, zu diesen Doppelt-Verblendeten gehören?

Höre, was das für eine „Wirkungskraft des Irrwahns“ sein wird.

Es wird eine die Ohren äußerst angenehm kitzelnde, modernste Einheits-Weltreligion sein, in der Vernunft und Aberglaube sich aufs bezauberndste verbinden. Ganz so wie es die verblendeten Herzen wünschten, werden der Mensch und sein Kulturwerk der Gegenstand ruhmseligster Verherrlichung sein. Erhebend, ja berauschend wird man dabei von Gott reden, aber niemand wird diesen „Gott“ irgend fürchten. Er wird nur das ganz unpersönliche „All-Eine“ sein, wo Gott und Welt und Welt und Gott und Gott und Mensch und Mensch und Gott wesentlich als Eines gelten werden. In höchst vernünftiger Weise werden Naturwissenschaft, Geschichts- und Religionsphilosophie die durchaus einheitliche Wirkung dieser „Weltenergie“ in Natur und Menschheit anschaulich machen. Das Großartigste aber wird die dramatische Anwendung der „Entwicklungslehre“ ergeben. Da wird die schwungvolle Linie alles Werdens und Seins im Größten und Kleinsten klar wie nie zuvor gefunden erscheinen. Alles wird nur noch in der Bedingtheit seines ursächlichen Zusammenhanges Geltung haben. Aber den Zusammenhängen wird bis ins „Übersinnliche“, „Okkulte“, „Magische“ nachgespürt worden sein. Auf diese Weise wird die Wissenschaft „religiös“ und die Religion durchaus „wissenschaftlich“ geworden sein. So werden alle dagewesenen Religionen als bedingte Offenbarungsstufen des unpersönlichen „Weltbewußtseins“ angesehen und demgemäß ins Entwicklungsschema eingezeichnet werden. Wie weit liegen da Bibel und Christentum dahinten! Einige „Herrenworte Jesu“, einige Moralsätze der Apostel sind noch brauchbar geblieben, alles andere ist der „Wissenschaft“ erlegen. Hingegen haben sich indische Geheimlehren über die Weltenbildung, einschließlich der indischen Seelenwanderungslehre, sowie die heidnische Totenbeschwörerei und der Ahnenkult, dazu Sterndeuterei und alle Art von Wahrsagerei in Verbindung mit den modernen theosophischen, spiritistischen, okkulten, anthroposophischen Gepflogenheiten als außerordentlich brauchbar zum Aufbau der neuesten Geisteswelt erwiesen. Einen festen Begriff von Sünde im Sinne der Bibel gibt’s nun nicht mehr. Die natürlichen Triebe sind heilig gesprochen und das Geschlechtsleben wie alles sozialisiert und zu einer Art religiösen Kult erhoben worden. Der Wert eines Menschen besteht darin, wie er der sozialen Kultur nützt. Ruhm vor Menschen ist alles. Das Ich bläht sich wie nie zuvor, und jeder Berühmte beansprucht nahezu göttliche Verehrung, Gott erscheint nur noch in der Persönlichkeit des großen Menschen, heißt es. Darum will jedes groß, jedes Herr, jedes Gott sein. Es gibt keinen anderen Maßstab mehr als die Ich-Größe. Im Kampf um Ehre, Macht und Genuß brechen die letzten Zäune. Nirgends ein Halt mehr. Verirrung und Verwirrung werden grenzenlos. Da bricht sich einer Bahn. Alles erkennt in ihm das übergewaltige Genie, die erwartete, die gebietende Größe. „Ich bin Gott!“ spricht er, sitzend im Tempel. Und alle Welt bringt ihm göttliche Verehrung. Und jeder Mensch muß tragen das Malzeichen der Herrschaft dieses Gottes oder sterben.

Seele, merkst du etwas?

Sollen auch deine Hand und deine Stirn dieses Gotteszeichen tragen? Die Malzeichen des Antichristus, des „Menschen der Sünde“, des eingeborenen Sohnes des „Gottes dieser Weltzeit“? (2. Korinther 4, 4, 2. Thessalonicher 2, 1-12).

Was willst du? Willst du mit verblendeten Sinnen dein Ich vor dem Kreuz retten und dabei dem zufallen, den der wiederkommende Christus mit dem Hauch seines Mundes verzehren und vernichten wird, und mit diesem satanisch-übermenschlich-großen Betrüger, dem Ebenbild Satans, verderben? Oder willst du mit erleuchteten Sinnen mit Christus im Zeichen des Kreuzes erliegen, um mit dem Ebenbild Gottes in Ewigkeit zu leben und zu siegen?

Im Lichte dieser Stunde gib dir und ihm die Antwort.

(Fritz Binde)

„Man gab die Verkündigung und die Sakramente billig, man taufte, man konfirmierte, man absolvierte ein ganzes Volk, ungefragt und bedingungslos. […] man spendete Gnadenströme ohne Ende, aber der Ruf in die strenge Nachfolge Christi wurde seltener gehört.“

(Dietrich Bonhoeffer)

Eingestellt am 14. Mai 2022 – Letzte Überarbeitung am 25. September 2023