M. Gottlob Baumann ist geboren den 10. Oct. 1794 zu Besigheim als der Sohn des dortigen Präceptors [Johann Friedrich Gumbert Baumann, Lehrer der Lateinschule] und kam frühe schon mit vielen Gläubigen in Berührung, die im Hause seiner frommen Eltern aus- und eingingen. Nach seiner Konfirmation widmete er sich 7 Jahre lang in Stuttgart dem Kaufmannsstand, wobei er viele Reisen machte, trat aber dann, von einem innern Zug zu den Wissenschaften getrieben, im Frühling 1815 in das dortige Obere Gymnasium über, um sich in das Studium der Theologie einleiten zu lassen, das er denn auch schon Herbst 1815 im Stift zu Tübingen beginnen durfte.
Hier wurde ihm Gerhard Tersteegens Schrift „Außerlesene Lebensbeschreibungen h. Seelen“ (s. Bd. VI. 52) zum Werkzeug einer besondern Gnadenführung, durch die er, wenn auch nach einigem Stilstand und Rückfall unter dem Studium der Philosophie, mehr und mehr in den Grundlinien seines Wesens Tersteegen ähnlich wurde. Im Jahr 1819 kam er von der Universität zu seinem erkrankten Vater als Vikar nach Kemnath, einem Dorfe bei Hohenheim, wohin derselbe 1808 als Pfarrer befördert worden war, und nun begann er mit vollem Ernste das Heil in Christo zu suchen, und übergab an seinem 25. Geburtstag sein sündiges Herz ungeteilt dem Heiland der Sünder zur Wiedergeburt.
Nach des Vaters Tod wurde er 1821 Pfarrvikar und bald darnach Pfarrer in Notzingen und 1839 auf dringendes Bitten der Gemeinde Pfarrer in Kemnath, wo er am 3. Sonntag nach Trinitatis über dasselbe Evangelium wie sein Vater vor 31 Jahren die Antrittspredigt hielt. Hier wirkte er bei seiner gesalbten, demütig liebevollen Persönlichkeit in anziehender Weise und stiftete namentlich durch seine Erbauungsstunden, an denen auch Gläubige aus entlegenen Orten, und besonders christlich gesinnte Lehrer Teil nahmen, vielen Segen.
Seine Gabe bestand überhaupt mehr im Erbauen und Weiterführen der Erweckten, als im Erwecken der Unbekehrten, und die ganze Signatur seines Wesens liegt in dem alten Liederverse: „Wer seinen Hochzeittag schon vor sich sieht, der ist um andern Tand nicht mehr bemüht“ (Arnold). Nachdem er 6 Jahre lang die von ihm mitbegründete Kinderrettungsanstalt im nahen Plieningen als Vorsteher geleitet hatte, erlitt er 1850 einen Beinbruch, der ihn auf ein hartes Krankenlager fesselte und seine Lebenskraft sehr herunterbrachte. Im Juli 1855 traf ihn ein Schlagfluß, und nach schweren Leiden starb er an der Brustwassersucht den 3. Oct. 1856.
Er gab ein in 30,000 Exemplaren verbreitetes Christliches Hausbüchlein mit außerlesenen Liedern und gesalbten, zum Teil von ihm selbst verfaßten Gebeten heraus und war auch 1841 berufen, seine reichen hymnologischen Kenntnisse als Mitglied der Württ. Gesangbuchsynode zu verwerten. Seine zur Einweihung der neuerbauten Kirche in Notzingen 1833 gedichteten Lieder nahm Knapp 1837 in den Liederschatz und in sein Ev. G[esangbuch]. 1855 auf, nämlich
„Der im Heiligtum du wohnest„, Eröffnungslied bei einer Kircheinweihung, im Str. Conf., Barm., Rig., Russ., Amer. ref[ormiertes]. u. un[iertes]. G[esangbuch].
„Frieden, hohen Gottesfrieden„, Schlußlied bei einer Kircheinweihung
Aus: Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche. Von Eduard Emil Koch, nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Adolf Wilhelm Koch, Stuttgart 1872.
A. Knapps 7. Oct. 1856 gehaltene Leichenrede mit Lebenslauf. Stuttg., bei Hering 1856.
Aus Kemnat, der Wirkungsstätte Baumanns, stammte auch die Diakonisse und Kaufmannsgattin Charlotte Reihlen. Sie war die Tochter des Kemnater Pfarrers Wilhelm Mohl (1751-1832), ein Vorgänger Baumanns, und ist bis heute bekannt als Herausgeberin der Lithographie „Der breite und der schmale Weg“. Die Kirche auf dem Plakat ähnelt der Stuttgarter Leonhardskirche, ihrer geistlichen Heimat.
Gedicht von Albert Knapp:
Auf Gottlob Baumann, Pfarrer in Kemnath, 7. Oct. 1856
Du träumst, mein Bruder, einen süßen Traum
Vom Lebensfürsten und vom Auferstehen,
Indessen wir in engen Grabesraum
Dein Sterbgebein auf Hoffnung mußten säen.
Das Staubgewand ist friedlich abgestreift,
Der keusche Geist zum Himmel ausgereift.
Uns aber ist’s, als träumten wir, daß du
Aus unsrem Kreise nun dahin gegangen,
Du, der mit sabbathlicher Geistesruh
Uns hier so traut und segensvoll umfangen.
Du, dem durch Jesu Evangelium
Gespendet war das echte Priestertum.
Als Kaufmann, der nach edeln Perlen sucht,
Gingst du dahin in ernsten Jünglingsjahren
Und mußtest ungestillt auf weiter Flucht
Durch perlenlose Weltbezirke fahren,
Bis Jesus deinen Herzensgrund erregt
Und Sich als Königsperl‘ hineingelegt.
Dann öffnetest du betend unverweilt
Dem Friedenskönig deine Seelenpforte
Und gabest dich mit Freuden ungeteilt
Auf ewig hin dem gold’nen Lebensworte,
Das auf geheimer und doch sich’rer Spur
Den Sünder führt zur neuen Kreatur.
Wie lieblich stand von jenem Heilsruf an
Dein Herz mit Ihm auf stillem Pilgergange
Beim Forschen, Bitten, Wirken und Empfah’n
In unzertrennlichem Zusammenhange!
Der Erdengüter, – du begehrtest keins –
Dein freundlich Auge sprach: „Ich will nur Eins!“ –
Den großen Geist, für den das Schöpfungsall
Zur Einheit millionenfach verflochten;
Ihn, der gezeugt in Sina’s Donnerhall, –
Ihn, den die Teufel selbst nicht übermochten,
Als Ihm der Menschheit Fluch und Todesschmach
Sein menschlich Herz am blut’gen Kreuze brach; –
Ihn, der mit Gottes Allmachtskrone hehr
Als Hoherpriester aus dem Grab erstanden;
Ihn, der nun herrschet über Land und Meer,
Und königlich uns hilft aus Tod und Schanden.
Ihn, dessen Hand der Hölle Schlüssel hält,
Und Himmel auftut, wie es ihr gefällt. –
So zog dich an der ewige Magnet,
Deß Kräfte nicht in Fleischessinne fallen;
Wer aber seinen Lebenszug versteht,
Wird nimmermehr nach blinder Willkür wallen;
Und weil er Eins nur stets erwägen muß,
So wird sein Leben auch aus einem Guß.
Wer sah dich jemals stehen am Altar, –
Wer hörte dich einst im Versammlungszimmer,
Dem nicht ein Segen stets beschieden war
Aus deinem Mund und milden Augenschimmer,
Wenn deinem Geist einfältig, friedevoll
Lebend’ges Wasser vor dem HErrn entquoll?
Wer stand mit dir in brüderlichem Bund
Daß ihn dein Heimweh nicht emporgezogen,
Und der in deiner Seele keuschem Grund
Nicht wallen hörte jene tiefen Wogen,
Die sich durch’s enge Strombett unsrer Zeit
Ausmündeten ins Meer der Ewigkeit?
Wer fühlte sich von deinem Geist betrübt
Und was betrübte dich, als nur die Sünde?
Barmherzigkeit hast du ringsum geübt,
Doch stets gezielet auf die Herzensgründe,
Daß Bruderliebe frei von Heuchelei,
Und laut’rer Glaube Grund der Liebe sei.
Wer sah dich schielen je nach Erdenruhm,
Du sanftes Herz, violengleich verborgen,
Das niedrig stets, gleich einer armen Blum‘,
Erwartete den ew’gen Frühlingsmorgen,
Wo die allein in sel’ger Blüte steh’n,
Die Jesus hier Sich selber auserseh’n?
Du rechnetest nicht auf der Menschen Dank;
Ihm zu gefallen hast du stets getrachtet,
Zufrieden, wenn so Vieles still versank,
Nach dessen Frucht du hier umsonst geschmachtet,
Weil, was der Glaube hier dem HErrn gesät,
Dort drüben erst in gold’nen Halmen steht.
O wer sich selbst noch, und nicht Jesu lebt,
Der ist zur echten Liebe noch verdorben;
Wer aber sich in Christi Gruft begräbt,
Und täglich aufersteht als mitgestorben,
Dem legt der Heiland reine Liebe zu. –
Ja, teurer Bruder, also liebtest du, –
Vertieft in Ihn, der aller Weisheit Quell,
Der seine Jünger nicht läßt ärmlich schwanken, –
Der immerfort als Lebenssonne hell
Kraft, Freude gibt und leuchtende Gedanken;
Vor dem die Männer arme Kinder sind,
Und der zur Mannheit führt das ärmste Kind.
Fortwirken wird dein Zeugnis, deine Tat
Und dein Gebet, O das sind Segensquellen! –
Dein keuscher Sinn, dein brüderlicher Rat,
Wird tausend Herzen lebenslang erhellen.
Und mahnen sie, wenngleich dein Auge brach:
Verleugnet euch, und folget Jesu nach!
Ja, Bruder, nie verschwinden soll auch mir
Dein trauter Geist, dein Helfen und dein Grüßen,
Wie sah ich oft den Heiland selbst in dir
Mein armes Herz erquicken und durchsüßen! –
Ein Kinderloser, gingst du vatergleich
Durch unsern Kreis, an Licht und Liebe reich.
Einst wandelten wir auf der Berge Höh’n
Im Abendglanze jugendlich erhoben;
Da dachten wir: wie leuchten sie so schön,
Jerusalems Goldmauern fern dort oben! –
Dorthin, Geliebter, ging dein Siegesschritt; –
Nimm uns auf deinem Priesterherzen mit!
Quelle:
Herbstblüthen: Gedichte von Albert Knapp. Steinkopf, Stuttgart 1859
Bildnachweise:
Besigheim: Felix König, Liz. CC-BY-SA 3.0
Jakobuskirche in Notzingen: Buchbibliothek, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
„Chrysanthemen“: pixabay.com/de (CCO)
„Der breite und der schmale Weg“: Charlotte Reihlen (Idee); Paul Beckmann (Ausführung) (Wikimedia Commons, Public domain)
Weblinks und Verweise
Denkmal der Liebe für M. Gottlob Baumann, Pfarrer in Kemnath. Von M. Albert Knapp, Stadtpfarrer in St. Leonhard in Stuttgart. K.F. Hering & Comp., Stuttgart 1856 [Digitalisat bei Württembergische Landesbibliothek Stuttgart]
Arno Pagel: Ehret, liebet, lobet Ihn! Aus dem Leben und Schaffen der Liederdichter Hiller, Knapp, Barth und Traub. Verlag der Liebenzeller Mission, 1986 (Telos-Bücher, Nr. 2301)
Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche. Von Eduard Emil Koch, Dekan, ordentlichem Mitglied der historisch-theologischen Gesellschaft zu Leipzig. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben von Adolf Wilhelm Koch, Professor am Kantonsgymnasium in Schaffhausen. Erster Haupttheil: Die Dichter und Sänger. Siebenter Band, Dritte umgearbeitete, durchaus vermehrte Auflage. Stuttgart, Druck und Verlag der Chr. Belser’schen Verlagsbuchhandlung, 1872 (Seite 43) [Digitalisat]
Evangelische Kirchengemeinde Notzingen: Historie der Jakobuskirche.
Christliches Hausbüchlein. Von Pfarrer Gottlob Baumann in Kemnat. Eine Sammlung meist alter, bewährter Gebete und Lieder, besonders über die Heilsordnung. 15. Auflage 1910, Verlag der Evangelischen Gesellschaft, Färberstraße 2, Stuttgart.
M. Gottlob Baumann, Pfarrer in Kemnat bei Stuttgart: Neunundsiebenzig Predigten über die Evangelien des zweiten württ. Jahrgangs auf alle Sonn-, Fest- und Feiertage.
Zweite Auflage. Stuttgart 1901. Verlag der Buchhandlung der Evang. Gesellschaft.
Dritte Auflage (Unveränderter Abdruck). Quell-Verlag der Ev. Gesellschaft, Stuttgart. [Zitierlink]
Gottlob Baumann, Die neue Kirche in Nozingen, Oberamts Kirchheim, und ihre Einweihung am 20. Octbr 1833. Schwarz, veröffentlicht 1834.
Gottlob Baumann, Der christliche Gottesacker: eine Rede, gehalten zur Einweihung eines neuen Begräbnisplatzes in Kemnath. [S.I.], ca. 1843. [Zitierlink]
Seite „Gottlob Baumann„ in der deutschen Wikipedia
Predigten
Am Neujahrsfest (Hebräer 13, 8)
Am Sonntag Estomihi (Matthäus 16, 21-23)
Am Sonntag Judica (Johannes 12, 20-32)
Am Pfingstmontag (Hesekiel 36, 26.27.)
Am 22. Sonntag nach Trinitatis (Matthäus 22, 23-33)
Am 24. Sonntag nach Trinitatis (Matthäus 16, 5-12)
Am 27. Sonntag nach Trinitatis (Markus 13, 33-37)
Am Feiertag des Stephanus (Hebräer 12, 1-4)
Betrachtungen
über Sprüche 8
über Johannes 4, 34.35
über Lukas 11, 9
über Matthäus 16, 22.23
Gebete
Lieder von Gottlob Baumann
Zitate von Gottlob Baumann
Alles Urteil wird getrübt, wenn es kein göttliches Licht hat.