Römer 1, 28 (Keller)

Und gleichwie sie nicht geachtet haben, daß sie Gott erkenneten, hat sie Gott auch dahingegeben in verkehrten Sinn, zu tun, was nicht taugt; (Römer 1, 28)

Wenn die Probe kommt, ob die Vernunft allein – ohne den Geist Gottes – ihre Aufgabe erfüllen soll, ganz säuberlich und ohne Vorurteil zu unterscheiden, was wahr oder unwahr ist, hat sie die natürlichen Menschen noch immer im Stich gelassen. Göttliche Dinge kann sie erst recht nicht von sich aus durch angestrengtes Denken finden, richtig erkennen und beurteilen. Ohne das Gewissen des Menschen wäre er der kritiklosen Vernunft ganz rettungslos ausgeliefert. Vernunft ohne Gewissen macht pfiffige Schurken.

Im Gewissen aber ist die Handhabe, die Wohnung, das Werkzeug des Geistes des Menschen. Wenn dieses geistige Gewissen nun Eindrücke vom Geist Gottes erhält, kommt die Entscheidung, ob es sich diesem Zeugnis ausliefern will. Dann erst bekommt Gottes Geist die Möglichkeit, von hier aus den ganzen Menschen zu regieren. Dann gibt es aber für viele soziale Fragen ein Umdenken, was die Schrift Sinnesänderung nennt und was Luther mit Buße [griech. μετάνοια – metanoia, wörtlich „Umkehr des Denkens“] übersetzt.

Nachher kann die Vernunft wieder als eine gereinigte Magd zu Ehren kommen, und dann kann auch ihr Denken, wie ein Philosoph mal im Scherz gesagt hat, ein Gottesdienst werden.

Reinige, Herr Jesu, meinen Sinn, mein Denken und Trachten; alle meine geistigen Gaben und Kräfte sollen dir offen stehen, damit du mich ganz brauchen könntest zu deinem Dienst. Es soll in mir nichts bleiben, was sich deiner Wirkung entzieht!

Amen.

(Samuel Keller)


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Eingestellt am 24. Juli 2023 – Letzte Überarbeitung am 31. Dezember 2023