Offenbarung 12, 10

Und ich hörte eine große Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unsers Gottes geworden und die Macht seines Christus, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklagte Tag und Nacht vor Gott. (Offb. 12, 10)

Die Buße, wie der Gläubige sie tun muß nach jeder begangenen Sünde, hat mehr eine wiederherstellende Aufgabe. Sie ist nötig,

a) um das gestörte Verhältnis zwischen ihm und seinem Gott wiederherzustellen. Denn jede Sünde bringt eine Störung in unsere Gemeinschaft mit Gott. Und vielleicht rühren die Umdunklungen, in die manche Kinder Gottes immer wieder hineinkommen, vor allem daher, daß sie über die in der letzten Vergangenheit begangenen Sünden nicht Buße getan haben. Die Sünde, die ich begangen habe, muß sofort vor den „Fürsprecher“, Jesus Christus, gebracht werden – und wenn nötig, auch vor Menschen.

Johannes sagt: „So jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater“ (1. Johannes 2, 1). Was muß man bei einem weltlichen Anwalt tun, der unsere Sache vor Gericht vertreten soll? Man muß ihm vor allem den Hergang der Sache haarklein erzählen. Und gerade so müssen wir es machen bei Jesus, unserem Fürsprecher vor Gottes Thron. Das ist der erste Schritt in der Buße, wie man sie tun muß nach jeder begangenen Sünde. Dann kann Er die Sache unserer Seele führen vor Gott. Denn auf jede Sünde hin, die ein Kind Gottes tut, erhebt der Feind Anklage bei Gott.

Er ist der “Verkläger der Brüder“, der die Brüder Tag und Nacht verklagt vor Gott, lesen wir Offenbarung 12, 10. Dir mag es zuviel sein, wenn du in der Nacht gesündigt hast, aus deinem Bett aufzustehen und Buße zu tun über deine Sünde; aber dem Feinde ist es nicht zuviel, mitten in der Nacht deine Sünde dort zu melden. Wir sollten es deswegen schon genau nehmen mit der Sünde, weil es der Feind so genau nimmt, und wir sollten deswegen immer bereit sein zur Buße, damit nicht der Feind vor uns unsere Sünde meldet dort oben.

Tun wir das nicht, so bleibt die Sache einfach unerledigt, vor allem unerledigt in unserem Gewissen. Und diese unvergebenen Sünden, über die wir im Alltagsleben so kurz hinweggegangen sind, werden allmählich zu einer Scheidewand, über die wir nicht mehr hinüberschauen können zu unserem Gott und die ein Bollwerk wird, hinter dem der Feind eine große Macht ausübt.

b) Um nicht nur Vergebung, sondern auch Reinigung von dieser Sünde zu suchen. Gewöhnlich ist die Sünde, die uns immer wieder zu Fall bringt, unsere Sünde, das heißt, die Sünde, die uns eigen ist – denn jeder hat so seine Sünde -, und das sollte uns antreiben, nicht nur Vergebung für sie zu suchen, sondern auch Reinigung von ihr, damit wir sie nicht mehr tun. Denn Johannes sagt: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, daß Er uns unsere Sünden vergibt und reinigt uns von jeder Ungerechtigkeit“ (1. Johannes 1, 9). Der Vergebung der Sünde sollte die Reinigung von der Sünde folgen, sonst müssen wir vielleicht schon die nächste Woche wieder mit derselben Sünde kommen und so Jahr für Jahr. Gerade weil immer dieselben Sünden bei uns zum Vorschein kommen, sollte uns das in tiefere Buße bringen und uns erlösungsverlangender machen.

Der 130. Psalm, der diesen Zustand beschreibt, beginnt mit den Worten: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir!“ – Was sind das für Tiefen? Es sind Bußtiefen! O in welche Not kann das eine Seele bringen, wenn dieselbe Sünde immer wiederkehrt! Und wie wir aus dem Zusammenhang und besonders aus den Schlußversen des Psalms merken, brachten den Psalmsänger seine immer wiederkehrenden Sünden in so große Not. Und was sucht er? Nicht nur Vergebung, sondern auch Erlösung. Er sagt: „Bei dem Herrn ist Gnade“, das heißt immer wieder Begnadigung für immer wiederkehrende Sünden, „und viel Erlösung ist bei Ihm!“

David hat beides gesucht: Vergebung und Erlösung, und er hat beides erfahren, darum ermutigt er zuletzt auch andere und sagt: „Und Er wird Israel erlösen aus allen seinen Sünden“. Ja, wo eine Seele es mit ihrer Sünde genau genommen und Buße getan hat, bis sie Erlösung von ihr gefunden hat, da gewinnt sie Mut, zu glauben, daß es eine Erlösung gibt aus allen Sünden. Aber auch umgekehrt: wo bei einer Seele immer wieder dieselbe Sünde wiederkehrt und oft sogar noch mit größerer Macht, da liegt die Gefahr nahe, daß eine solche Seele den Kampf zuletzt ganz aufgibt und gleichgültig wird, ja sogar über die Sünde, über die sie einst die bittersten Tränen geweint hat, ohne viel Schmerzen hinweggeht. Darum sagt David nicht vergeblich, als er von seiner Sünde auf so furchtbare Weise überfallen worden war: „Nimm den Geist Deiner Heiligkeit nicht von mir!“ (Psalm 51, 11).

Gerade nach schweren Sündenfällen, denen jahrelange Kämpfe vorausgegangen sind, zeigt es sich oft, daß an die Stelle vorherigen Ernstes sich eine schreckliche Gleichgültigkeit und Empfindungslosigkeit gestellt hat. So ist es zu verstehen, warum Kinder Gottes, die einen tiefen Fall getan haben, so schwer zur Buße zu bringen sind. Sie stehen oft in einem Gefühl, als ob eine zu große Anforderung an sie gestellt worden wäre, als ob es mit ihrer Naturanlage gar nicht anders möglich gewesen wäre, als zu unterliegen. Freilich hat es bei manchen so den Anschein, und wir müssen vorsichtig sein bei unserm Urteil über solche, die erlegen sind, und selber es genauer nehmen mit jeder Regung zur Sünde, damit nicht auch wir fallen.

(Georg Steinberger)

Quelle: Glaubensstimme – Christliche Texte aus 2000 Jahren

Eingestellt am 14. Januar 2023