Hanscarl Leuner (1919-1996)

Hanscarl Leuner (* 8. Januar 1919 in Bautzen; † 22. Juni 1996 in Göttingen) war ein deutscher Psychiater und Psychotherapeut.

Bald nach dem Abitur bekundete Leuner Interesse am Beruf des Psychotherapeuten und studierte zunächst von 1939 bis 1946 – unterbrochen durch den Militärdienst – Medizin in Frankfurt/Main, Würzburg und Marburg. Nach Abschluß des Studiums machte er eine Lehranalyse bei dem Jung-Schüler Gustav Schmaltz in Frankfurt und arbeitete ab 1947 in der Psychiatrischen Klinik in Marburg.

Er ist der Begründer der Katathym-Imaginativen Psychotherapie und weiterhin bekannt für die Erforschung und psychotherapeutische Nutzung psychoaktiver Substanzen (sogenannte Psycholytische Psychotherapie).

Bereits Ende der 1940er Jahre begann Leuner in Marburg – vor allem angeregt durch die Lektüre von Ernst Kretschmers Veröffentlichungen – die therapeutische Wirkung von Imagination auf seine Patienten zu erproben und zu untersuchen. 1954 beschrieb er dieses Verfahren in ersten Veröffentlichungen unter dem Begriff „Katathymes Bilderleben“, heute bekannt und verbreitet als „Katathym-Imaginative Psychotherapie“.

Kritik

Bezeichnenderweise war Hanscarl Leuner, der Begründer des Katathymen Bilderlebens, ein Vorreiter einer durch Halluzinogene geförderten Psychotherapie. Etwa Mitte der 1950er Jahre hatte er begonnen, verschiedene Halluzinogene (das sind Rauschdrogen wie LSD, die eine stark veränderte Wahrnehmung der Realität hervorrufen) zur „Unterstützung“ der imaginativen Psychotherapie einzusetzen. Dieser „kontrollierte“ ärztliche Einsatz psychoaktiver und psychedelischer Substanzen zur „Vertiefung“ psychotherapeutischer Prozesse wurde unter dem Namen Psycholytische Psychotherapie bekannt.

1960 initiierte Leuner das „Erste europäische Symposion für die Psychotherapie unter der Droge LSD-25 an der Göttinger Universität. 1964 begründete er die „Europäische ärztliche Gesellschaft für psycholytische Therapie“ (EPT). Auf dem Hintergrund einer zunehmendern öffentlichen und politischen Verurteilung des Drogenge- und mißbrauchs zogen sich jedoch zu Ende der 60er Jahre immer mehr Ärzte aus dieser Forschung zurück, und die EPT wurde nach ihrem fünften Symposium 1971 aufgelöst.

Die „Oberstufen“ der Imaginationstechniken, wie sie das Katathyme Bilderleben darstellen, führen zu veränderten Bewußtseinszuständen, die der psychedelischen Drogenerfahrung ähnlich sind. Dabei sind auch „Horror-Trips“ möglich: So hatten beispielsweise Leuners Probanden schwere Angstzustände, als ihnen aus dem imaginierten Höhleneingang archaische Wesen entgegenkamen. Leuner beschrieb diese Zustände als „gorgonisches Grauen“.

Nach Einschätzung des weltanschaulich neutralen Vereins VESUV e.V., der Kriterien zur Beurteilung der Qualität von Psychotherapieverfahren aufgestellt hat, ist die Katathym-Imaginative Psychotherapie nicht ausreichend erprobt und ohne ausreichenden Wirkungsnachweis. Besondere Gefahren bestehen für Psychotiker sowie Personen mit ausgeprägter Ich-Schwäche und Borderline-Syndrom. Selbst Leuner selbst erkannte ein Gefahrenpotential seiner Methode an, denn es sei ein “z.T. sehr intensiv wirkendes, die Regression förderndes” Psychotherapieverfahren [Lit. 6].

Quellen und Literaturhinweise

Seite „Hanscarl Leuner“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
Bearbeitungsstand: 10. April 2021, 15:17 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hanscarl_Leuner&oldid=210789605 (Abgerufen: 10. Juni 2021, 21:12 UTC)
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[1] Wikipedia: Katathym-Imaginative Psychotherapie

[2] Kottje-Birnbacher, Leonore: Einführung in die katathym-imaginative Psychotherapie (pdf, im Web Archive)

[3] Franzke, Prof. Reinhard: Didaktikreport: Visualisieren (pdf)

[4] Franzke, Prof. Reinhard: Entspannungsübungen (Anti-Okkultismus-Info Nr. 1/1999, pdf)

[5] Die experimentelle Psychose. Ihre Psychopharmakologie, Phänomenologie und Dynamik in Beziehung zur Person. Springer, Berlin 1962 1962, ISBN 978-3-540-02883-3. Reprint 1997: Berlin VWB.

[6] Derkum, Angela: Katathym-Imaginative Psychotherapie, Publikation des VESUV e.V. (2002) (im Internet Archive)

[7] Maleachi-Kreis (Hrsg.): Gefährliche Stille – Wie die Mystik die Evangelikalen erobern will, 3. Aufl. 2013, S.  111 (clv-Buch, als Download verfügbar)

Eingestellt am 10. Juni 2021 – Letzte Überrbeitung am 31. Oktober 2022