Auf den Nebel folgt die Sonn (Gerhardt, Württ. Gesangbuch 1912 #350

Trost.

1) Auf den Nebel folgt die Sonn,
auf das Trauern Freud und Wonn;
auf die schwere, bitt’re Pein
stellt sich Trost und Labsal ein.
Meine Seele, die zuvor
sank bis zu dem Höllentor,
steigt nun bis zum Himmelschor.

2) Der, vor dem die Welt erschrickt,
hat mir meinen Geist erquickt;
seine hohe, starke Hand
reißt mich aus der Hölle Band.
Alle seine Lieb und Güt
überschwemmt mir mein Gemüt
und erfrischt mir mein Geblüt.

3) Hab ich vormals Angst gefühlt,
hat der Gram mein Herz zerwühlt,
hat der Kummer mich beschwert,
hat der Satan mich betört:
ei, so bin ich nunmehr frei;
Heil und Rettung, Schutz und Treu
steht mir wieder treulich bei!

4) Gott läßt keinen traurig stehn
noch mit Schimpf zurückegehn,
der sich ihm zu eigen schenkt
und ihn in sein Herze senkt.
Wer auf Gott die Hoffnung setzt,
findet endlich und zuletzt,
was ihm Leib und Seel ergötzt.

5) Kommt’s nicht heute, wie man will,
sei man nur ein wenig still;
ist doch morgen auch ein Tag,
da die Wohlfahrt kommen mag.
Gottes Zeit hält ihren Schritt;
wann die kommt, kommt unsre Bitt‘
und die Freude reichlich mit.

6) Ach wie oftmals dacht‘ ich doch,
da mir noch der Trübsal Joch
auf dem Haupt und Halse saß
und das Leid mein Herze fraß:
Nun ist keine Hoffnung mehr,
auch kein Ruhen, bis ich kehr‘
in das schwarze Totenmeer.

7) Aber mein Gott wandt‘ es bald,
heilt‘ und hielt mich dergestalt,
daß ich, was sein Arm getan,
nimmermehr g’nug preisen kann.
Da ich weder hier noch da
einen Weg zur Rettung sah,
hatt‘ ich seine Hilfe nah.

8) Als ich furchtsam und verzagt
mich selbst und mein Herz geplagt,
als ich manche liebe Nacht
mich mit Wachen krank gemacht,
als mir aller Mut entfiel,
trat’st du, mein Gott, selbst ins Spiel,
gabst dem Unfall Maß und Ziel.

9) Nun, solang ich in der Welt
haben werde Haus und Zelt,
soll mir dieser Wunderschein
stets vor meinen Augen sein;
ich will all mein Leben lang
meinem Gott mit Lobgesang
hie’für bringen Lob und Dank.

10) Allen Jammer, allen Schmerz,
den des ew’gen Vaters Herz
mir schon jetzo zugezählt
oder künftig auserwählt,
will ich hier in diesem Lauf
meines Lebens allzuhauf
frisch und freudig nehmen auf.

11) Ich will geh’n in Angst und Not,
ich will geh’n bis in den Tod,
ich will geh’n ins Grab hinein
und doch allzeit fröhlich sein.
Wenn der Stärkste will beisteh’n,
wen der Höchste will erhöh’n,
kann nicht ganz zugrunde geh’n.

Liedtext: Paul Gerhardt (1607-1676)
Melodie: Vorreformatorisch; 1544, bei J. Horn
Zweite Weise: 1876, Friedrich Mergner (1818-1891)

Weblinks und Verweise

Lied Nr. 349, in: Gesangbuch für die evangelische Kirche in Württemberg, Schmuckausgabe, S. 373 (Verlagskontor des evangelischen Gesangbuchs, Stuttgart 1912)