2. Chronik 18, 8-13: Bibelarbeit von Wilhelm Busch

8 Und der König Israels rief einen seiner Kämmerer und sprach: Bringe eilend her Micha, den Sohn Jemlas! 9 Und der König Israels und Josaphat, der König Juda’s, saßen ein jeglicher auf seinem Stuhl, mit ihren Kleidern angezogen. Sie saßen aber auf dem Platz vor der Tür am Tor zu Samaria; und alle Propheten weissagten vor ihnen. 10 Und Zedekia, der Sohn Knaenas, machte sich eiserne Hörner und sprach: So spricht der HERR: Hiermit wirst du die Syrer stoßen, bis du sie aufreibst. 11 Und alle Propheten weissagten auch also und sprachen: Zieh hinauf gen Ramoth in Gilead! es wird dir gelingen; der HERR wird sie geben in des Königs Hand. 12 Und der Bote, der hingegangen war, Micha zu rufen, redete mit ihm und sprach: Siehe, der Propheten Reden sind einträchtig gut für den König; laß doch dein Wort auch sein wie derselben eines und rede Gutes. 13 Micha aber sprach: So wahr der HERR lebt, was mein Gott sagen wird, das will ich reden.

Josaphat – Betrogene Welt

2. Chronika 18, Vers 9, wer in der Bibel nicht so recht Bescheid weiß, auf Seite 463, im Alten Testament. Haben Sie alle Bibeln, hier liegen noch! Wo fehlen noch welche? Also, ich muß einmal kurz den Zusammenhang herstellen: Der fromme… [Hier vorne ist noch Platz, kommen Sie hier durch, kommen Sie hier durch, hier ist überall Platz. Besetzen Sie auch die Plätze, schrecklich, hinten baut alles an, und hier vorne steh‘ ich vor leeren Stühlen!]

Der fromme, junge König Josaphat von Jerusalem hat sich törichterweise verbündet mit dem abtrünnigen, götzendienerischen König vom Nordreich von Israel, mit Ahab. Und nun besucht er den eines Tages. Es ist also eine Geschichte, die davon spricht, wie ist das, wenn Kinder Gottes mit Leuten anderen Geistes in enge Beziehung kommen, nicht? Wir leben in einer Welt, in der wir dauernd mit andern Menschen in Berührung kommen. Und die Frage ist heute furchtbar aktuell, weil in der Kirche also plötzlich die Entdeckung gemacht worden ist, die Kirchen, die Christen sind viel zu sehr im Ghetto, die müssen Verbindung suchen mit der Welt, wir müssen überall hinein, wir müssen überall dabei sein. Es geht um die Frage, wie geht es, wenn Kinder Gottes, wie dieser Josaphat nun aus politischen Gründen, in nahe Verbindung treten mit Menschen, die einen anderen Geist haben. Er besucht also diesen König Ahab in Samaria, und beim Festessen sagt der: Ich habe einen Kriegszug vor gegen die Syrer, ich will die Stadt Ramoth in Gilead erobern, du machst doch mit, du machst doch mit?

Das ist typisch die Art der Welt, daß sie die Kinder Gottes sofort in Beschlag legen: Du machst doch mit…? Wirst doch wohl nicht ein Frosch sein und nicht mitmachen…, nicht? Das wär‘ ja gelacht! Die Welt hat eine aggressive Art, uns sofort zu beschlagnahmen für ihren „Laden“. Ich möchte, die Christen hätten den zehnten Teil von dieser Aggressivität, von diesem Angriffsgeist. Und der arme Josaphat ist natürlich auch so düpiert, so erschrocken, so überrumpelt, daß er sagt: Jawohl, mein lieber Ahab, meine Rosse sind wie Deine Rosse, und mein Heer ist wie Dein Heer, und selbstverständlich, also, er macht mit. Und dann schlägt ihm also das Gewissen, das haben wir alles besprochen, das möchte ich kurz erzählen… […] Laß uns aber doch mal den Herrn fragen, haste denn keine Propheten? Und auch damit kann Ahab dienen, er hat vierhundert bezahlte Propheten, die genau sagen, was der König gern will, nicht? Vierhundert Hofprediger, Staatspfaffen, die erklären: So spricht der Herr, zieh hinauf nach Ramoth in Gilead, der Herr wird sie in deine Hand geben. Gott mit uns, Gott ist mit dem stärksten Bataillon, die hast Du, Gott ist mit der gerechten Sache, er läßt von den Schlechten nicht die Guten rechten, sein Name sei gelobt, Deutschland, Deutschland über alles, zieh hinauf – mach das! Wir kennen diese Reden, ich habe zuhause in meiner Bücherei zwei Bände vom Jahr 1914-1918, Kriegsreden in eiserner Zeit, Sie kugeln sich, wenn Sie die heute lesen, nicht? Wo Männer von der Kanzel herunter verkündigen: Gott ist mit der gerechten Sache, wir werden siegen. Unser Kaiser betet, also das kann gar nicht schief gehen, nicht? Die Vorsehung hat dafür gesorgt… Und dann kam 1918, und 1945 und alles Mögliche. Es ist grausig, diese, eine, eine… verstehen Sie? Pfaffen, Pfaffen, kann ich nur sagen. Die, die reden, was die Öffentlichkeit, der König, der Staat gern will. Und wir haben dann schon besprochen, wie der Josaphat, dieser Knecht Gottes, Beklemmungen hat. Die Schafe Jesu Christi, hörten wir Johannes 10, hören nicht auf die Stimme eines Fremden. Er fühlte sicher das Richtige. Er sagt: Hast Du sonst niemand mehr? Und, komisch, der König Ahab, der gottlose König, kapiert ganz gut. Er kapiert sofort, was los ist. Ja, ich hab‘ noch einen, sagt er, aber dem bin ich gram, der sagt immer, was ich gar nicht hören will. Der sagt mir die Meinung, das ist ein ganz finsterer Kunde, der heißt Micha, der Sohn Jemlas. Ach, sagt Josaphat, laß den doch mal holen, laß den einmal holen. Und dann stehen wir 2. Chronika 18, Vers 9. Und der König Israels und Josa…, ach so…, also Vers 8: Und der König Israels rief einen seiner Kämmerer und sprach: Bringe eilend her Micha, den Sohn Jemlas! Und der König Israels und Josaphat, der König Juda’s, saßen ein jeglicher auf seinem Stuhl (einem Thron, würden wir besser sagen) mit ihren Kleidern angezogen. Sie saßen aber auf dem Platz vor der Tür am Tor zu Samaria; und alle Propheten weissagten vor ihnen. Und Zedekia, der Sohn Knaenas, machte sich eiserne Hörner und sprach: So spricht der HERR: Hiermit wirst du die Syrer stoßen, bis du sie aufreibst. Und alle Propheten weissagten auch also und sprachen: Zieh hinauf gen Ramoth in Gilead! es wird dir gelingen; der HERR wird sie geben in des Königs Hand. Ehm, es ging also aus genau wie 1918, 1945, und das ging schief, das wissen wir jetzt nachträglich.

Und der Bote, der hingegangen war, Micha zu rufen, redete mit ihm und sprach: Siehe, der Propheten Reden sind einträchtig gut für den König; laß doch dein Wort auch sein wie derselben eines und rede Gutes. Micha aber sprach: So wahr der HERR lebt, was mein Gott sagen wird, das will ich reden.

Ich möchte den Abschnitt überschreiben: Betrogene Welt. Meine Freunde, hier wird uns die Welt wirklich – das ist ja eine der Aufgaben der Bibel – entlarvt. Dazu mehrere Punkte. Erstens: Glanz und doch betrogen. Sehen Sie, es ist ein prächtiges Bild, was uns hier gezeigt wird. Es heißt, daß die beiden Könige auf ihrem Stuhl saßen, angezogen mit ihren Kleidern. Das ist ein befremdlicher Ausdruck. Denn wir würden ja annehmen, daß sie nicht gerade in der Badehose sich da produziert haben, bei der Gelegenheit, oder gar mit noch weniger angezogen. Was soll das heißen – angezogen mit ihren Kleidern? Selbstverständlich, das soll heißen, die saßen hier in ihren Prunkgewändern, wissen Sie, so Hermelinmäntel, gucken Sie sich doch Bilder an – Tito, Orden, nicht, General sowieso, nicht? Wir armen, schlichten Zivilisten, wir sind froh, wenn wir mal ’nen Schlips auftreiben können, von Firma Dollhoff, aber so’n General schon, das glitzert nur, daß man den Mann schon gar nicht mehr sieht, so Uniform, nicht, das ist der Sinn der Sache. Und nun gar so’n König, so ein absoluter König der alten Zeit, nicht, da ist also [ein] Hermelinmantel, und wahrscheinlich irgend so irgendein Diadem auf dem Kopf, und Adjutanten, und Flügeladjutanten, und Landoffizier, nicht, das heißt, da wurd‘ so ’ne richtige Staffage gemacht, das Volk wollte was sehen. Darf ich im Zusammenhang – darf ich mal eben sagen, ich bin mal vor einiger Zeit über das Paradefeld in Nürnberg gefahren, das sollte gesprengt werden, nicht, für den Parteitag, das ist interessant, die Diener für das Führungszeug, wenn man da hinterherfuhr, das ist ganz klar, das heißt, das war nur nach einer Front, nach dem Volk hin, [es] wurde ’ne Staffage gemacht, verstehen Sie, wie beim Theater, hinten waren viele Kulissen. Und daß im Gegensatz dazu, in der Offenbarung, uns der Thronsitz des lebendigen Gottes gezeigt wird, und daß da ausdrücklich gesagt wird: Rings um den Thron standen die Engel Gottes, und rings um den Thron sah ich die vollendeten Heiligen. Das heißt, wenn Gott in seiner Herrlichkeit erscheint, das ist nicht ’ne Theateraufführung mit Kulissen, gegen eine Seite, zum Beispiel links rum. Aber hier ist nun die typische Staffage, die Könige sitzen mit all‘ ihrem Prunken, Josaphat kann das kaum tragen, was sie ihm da alles auf die Schultern, auf den Kopf gehängt haben, nicht, und ich las heute für mich, daß der König David den König von Rabat besiegt hat, den Ammoniterkönig, und die Krone abnahm, die hatte drei Zentner Gold und Edelsteine, können Sie sich denken was die für ein Ding auf dem Kopf hatten, nicht, kein Wunder konnten die nicht mehr viele Gedanken hinterher fassen, nicht…! Nicht, das ist, das ist wundervoll, wie die Bibel, wissen Sie, das ist ja künstlerisch auch immer großartig, wie die Bibel schildert, mit einem Satz uns das skizziert (da wissen die Kölner ja viel zu sagen), und vor ihm weissagen und mit Schaum vor dem Mund – diese vierhundert Hofprediger, nicht, und ringsum das staunende Volk Und doch, das Ganze, trotz allen Prunkens, und allen Glanzes, das Ganze ein großer Schwindel – betrogene Könige, betrügerische Prediger. Die Sache ging aus mit dem Tod des Königs Ahab, und Josaphat kam in große, große Not, eine vergängliche Herrlichkeit. Und, lieben Freunde, ich sage: die Bibel entlarvt die Welt. Wissen Sie, Evangelium macht sehr, sehr frei. Das größte Geschehnis der Weltgeschichte ist ein Galgen, ein Kreuz. Und der größte Herr der Welt erscheint uns als Gekreuzigter. Wer das mal begriffen hat, der läßt sich von dem Prunk der Welt nicht mehr so schnell blenden, der kapiert, daß was uns in die Augen sticht vielleicht eine ganz faule Geschichte ist, eine ganz faule Geschichte. Darf ich ganz kurz sagen – werden wir immun gegen Blechmusik, gegen Phrasen, gegen Lametta und was derartiges es in der Welt gibt. Es wird Zeit, daß Christen immun dagegen werden, und sich d’rauf besinnen: Unser Herr hängt am Kreuz, und der Weg der Kinder Gottes geht durch viel Niedrigkeit. Die Welt wird betrogen mit Glanz.

Paulus sagt: Nicht viel…, guckt an Eure Berufung, liebe Brüder, guckt an die Gemeinde Jesu Christi. Nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Große der Welt, nicht viel Herren. Die wahre Gemeinde Jesu Christi ist ein armseliges Lädchen, ein armseliges Lädchen. Und Leute, die dazugehören, das sind Leute, die sich lediglich von der Wahrheit überführen lassen, die im Gewissen von der Wahrheit überführt werden und nicht von… täterätä, nicht?

Das Zweite: Betrogene Welt. Lieben Freunde, es ist so typisch, daß hier alles in Massen auftritt. 400 Propheten reden einhellig: Zieh hinaus nach Ramoth in Gilead. Es gehört zum Wesen der Welt, daß sie immer mit Massen operiert. 400 Propheten reden falsch, und, wir kapieren schon, da kommt der eine Micha und sagt die Wahrheit: Gott ist gegen Dich, König, Gott ist gegen Dich. Das ist das Verhältnis in der Welt: 400 zu 1, nicht. Und, sehen Sie, wir haben alle einen schrecklichen Zug zur Masse.Wo die vielen sind, das muß richtig sein, was alle denken. Wie oft habe ich den Satz gehört: Das sagen sie alle, das muß richtig sein, das sagen sie alle, oder: das steht ja in der Zeitung, nicht. Das sagen sie alle. Da muß man dabei sein, da ist es richtig. Wo die ganze Herde hinläuft, da muß Futter sein. Nein, nein, sagt die Bibel, wo die ganze Herde hinläuft, da ist der Abgrund, da ist Verderben. Wir haben einen Herrn, der ganz allein am Kreuz hing. Und wer so heute noch im Zeitalter der Massengesellschaft… Im Zeitalter der Massengesellschaft ist Jesus heute noch so, daß er nicht einmal zwei Leute zugleich annehmen kann, jeden nur einzeln Jesus sagt: Geht durch die enge Pforte. Die Pforte ist so eng, daß man nicht in Viererreihen durchmarschieren kann, auch nicht zu zweit, sondern nur allein. Ich habe oft erlebt, daß eine Frau sich bekehrte und ihren Mann mitnahm, daß er eine Zeitlang mitmachte, oder daß ein Mann seine Frau mitnahm, und weil es gerade Leute waren, machten sie einfach mit, nicht, und so hat man gewisse Leute mitgeschleift durch die enge Pforter, aber nach einiger Zeit ging’s schief, das eine war keine richtige Bekehrung. Das heißt, man kann nichtmal zu zweit durch die enge Pforte gehen. Unser Herr kümmert sich auch im Zeit[alter]… also damals waren es schon nicht Massen, verstehen Sie? Auch im Zeitalter der Massengesellschaft [geht es] nicht darum, daß uns die Massen imponieren, sondern er fragt: Willst Du Dein Herz mir schenken? Jesus hat schon vor 2000 Jahren nicht die Massen aufgesucht, nach seiner Auferstehung, die gebrüllt hatten: Kreuzige ihn! sondern eine weinende Maria Magdalena. Lieben Freunde, das ist vielleicht für uns mal sehr schwer, denn wir haben so ’nen Zug zur Masse. Gott hat mich manchmal ’nen einsamen Weg geführt, ich hab‘ es manchmal so ausgedrückt. also bloß im Blick auf die Kirche: Ich hab‘ Heimweh nach der Herde, ich möchte auch mal mit allen kommen. Aber das erlaubt Jesus nicht. Er nimmt seine Leute in Einzelbekehrung und hat einen eigenen Weg für sie.Wer es mit Jesus zu tun hat, wird zunächst mal hundertprozentiger Individualist. Jawohl, er findet dann Brüder und Schwestern, er findet dann Brüder und Schwestern. Ich hatte vor kurzem eine Hochzeit von der jüngsten Tochter, nicht; bei mir ist allgemeiner Ausverkauf von Töchtern, und da war also die Hochzeit da der Jüngsten, und das war furchtbar nett, und da war ein lieber Freund von mir aus der Schweiz gekommen, und dann haben wir nach der Sitte unserer Väter abends so von sechs bis sieben ein Gemeinschaftsstündchen [und das ist schön, das hat man einfach besser schon vor vielen Jahren in der Familie so gemacht, das ist einfach alles abgebochen]: Jetzt sitzen wir zusammen, ich pack‘ Testamente aus, wir singen ein Lied so, und besprechen einen Psalm. Und es ist schön, wenn man ’ne Hochzeitsgesellschaft hat, wo Leute genug sind, die dann ein Wörtchen sagen können, nicht, wenn eher zuviele da sind. Und da sagten meine Schweizer Freunde, dann fang‘ mal an, Hans, sag ein Wort. Also er hat Stickereien, der ist nicht Pastor, und da erzählte er nur ein Erlebnis. Als ich mich bekehrte, da wurde mir deutlich, daß ich mit meinen bisherigen Freunden brechen muß. Das habe ich zuerst bei der Bekehrung nicht gesehen, aber so dieses abendstundenlang hocken unten im Hotel und Karten kloppen und Weinchen trinken bis nach Mitternacht, ich fühlte auf einmal: Das bin ich nicht, wurde mir deutlich, jetzt mußte da raus. Und da hab ich gesagt: Mensch, ich bin Geschäftsmann, man braucht das ja auch so, nicht, ich kann mich ja nicht isolieren, aber er kam immer mehr in Not und eines Tages hat er gesagt, also komm, ich, macht euren Skat alleine, ich danke. Er sagt, das war der eigentliche Schritt durch die enge Pforte, und dann, und dann als ich durch war, wurde ich gar nicht einsam, dann hat mir Gott Freunde geschenkt, er haute mir auf die schulter, daß es heute noch wehtut, da hat mir Gott Freunde geschenkt, an denen ich viel mehr hatte, und Brüder, ich blieb dann gar nicht einsam, verstehen Sie, da mußte er durch. Irgendwo müssen wir mal einsam werden. Gott schenke uns, daß wir frei werden von der Bezauberung durch die Masse. Sie müssen so Jesus kennen, daß Sie sagen: Und wenn ganz Westdeutschland anders redet, dann hab‘ ich doch recht, wenn ich bei Jesu Kreuz bin, und wenn ich mich begnadigten Sünder nenn‘, das hängt nicht davon ab, ob zehn oder hundert das glauben, sondern das hab‘ ich für mich erkannt, und das ist die Wahrheit. Erkenntnis der Wahrheit hängt nicht davon ab, ob andere auch den Weg laufen, nicht, sondern ob ich im Gewissen überführt worden bin und geglaubt und erkannt habe: Dieser ist Jesus, der Sohn des lebendigen Gottes.

Und drittens: Betrogene Welt, nicht – Glanz und doch betrogen, große Mengen. Lieben Freunde, es ist interessant, daß diese vierhundert falschen Propheten mit großem Eifer ihre Sache vertreten. Sehen Sie, es gibt Dinge in der Welt, die werden mit großem Eifer vertreten, mit einem schönen und rührenden Eifer. Und sind doch blöd, nicht? Und das spricht noch nicht dafür, daß die Sache richtig ist, wenn sie mit großem Eifer vertreten wird. Jesus sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit. Und wo man ihn nicht hat, da ist Irrtum und Lüge. Das klingt schrecklich intolerant. Und so wird mir immer wieder gesagt, das muß man anerkennen, die Leute vertreten doch ihre Sache, etwa daß der [ ] Käse sei, oder daß man heute Apostel brauche, oder daß, was weiß ich alles, mit furchtbarem Ernst, sag ich, es ist ein schöner Ernst, das kann mich nicht überzeugen. Sehen Sie mal, diese vierhundert Propheten haben sich sehr viel Mühe gegeben das ist bewundernswert. Da war einer, der hieß Knaenas, der hat sich eiserne Hörner gemacht, ich möchte wissen, wo er die im Augenblick schnell hergehabt hat, denn der konnte ja nicht inzwischen zum Schmied laufen, ich möchte wissen in welchem Museum er sich die untern Nagel gerissen hat, aber jedenfalls hat er sie beigeschafft, das muß doll ausgesehen haben, nicht. Vielleicht war es auch bloß stilisiert, daß er ein paar eiserne Stangen fand, und die mit ihrem Geschirr verbunden hat und damit hat er immer vor sich hin gestoßen wie ein Ochse, und hat gesagt: So wirst du die Syrer schlagen. setzen Sie sich mal so eiserne Hörer auf den Kopf, nicht, schrecklich anzusehen, und doch verkehrt. Und, lieben Freunde, hier ist ’ne Stelle, wo man geradezu, wenn man zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen ist, trauern möchte über die Tragik der Welt, daß sie ihre falschen Sachen oft mit solchem rührenden Eifer vertritt. Sehen Sie, ich habe nach ’45 oft Leute getroffen, die sagten: Pastor Busch, ich war wirklich überzeugter Nazi, ich war nicht ein Mitläufer, ich habe geglaubt, ich habe geglaubt blind, ich habe bis zum letzten Tag geglaubt an Wunderwaffen, alles, und bin jetzt…

Ein Student sagte mir in München: Können Sie sich denken, wie einem zumute ist, wenn man daran geglaubt hat, und dann war alles falsch – da könnten Sie heulen, nicht? Wenn Sie denken, wieviel rührender Eifer in Sachen gesteckt wurde, die doch falsch waren. Und wenn ich das heute angucke… Lassen Sie sich bitte davon nicht beeindrucken, ob eine Sache mit viel Getöse vertreten wird, das beweist noch gar nichts, nicht, das beweist noch gar nichts. Das Evangelium beweist sich nicht durch Getöse, sondern durch Vollmacht, sondern durch Vollmacht, daß unser Gewissen getroffen wird, und ich kapiere, ich merke, der Mann von Golgatha, den brauche ich.

Ich will eine Geschichte erzählen, ich weiß nicht, ob Sie die ganz verstehen. In Elberfeld war zur Zeit meines Vaters so ein origineller Pfarrer, Käser hieß der, ein Württemberger, den hatte es nach Wuppertal verschlagen. Und was ein ganz hundertprozentiger Schwabe ist, der spricht auch in Wuppertal noch schwäbisch. Daran sehen Sie, daß ich nur ein achtzigprozentiger Schwabe bin, daß ich hochdeutsch rede mit Ihnen.

Und dieser Pfarrer Käser war ein geistlicher Mann, der eine große Vollmacht hatte. Und dann war er mal als Hörer bei einer Evangelisation, wo ein Redner oben mit gewaltigem Getöse auf den Seelen rumgetrommelt hat, und kam schweißtriefend da runter. Und da ist der alte Käser auf ihn zu und klopft ihn auf die Schulter und sagt: War recht, Brüderle, aber was de g’schwitzt hosch, des war g’loge! Verstehen Sie? Ich wollte sagen, die Wahrheit, die Wahrheit des Evangeliums, daß Jesus der Sohn Gottes ist, daß ich verlorener, ungeistlicher Mensch durch ihn allein gerettet werden kann, das wird nicht durch Getrommle und Getöse ins Herz gebracht, sondern durch Vollmacht des Heiligen Geistes. Und was de da schwitzt, Brüderle – das war also Menschenmache, das kannste weglassen, nicht, das kannste weglassen. Das sollte bloß Vollmacht ersetzen, die nicht wirksam war.

Lassen Sie sich nicht imponieren von dem Eifer eines Knaenas, auch von politischen „Wahrheiten“ oder weltanschaulichen „Wahrheiten“. Seien sie überzeugt, ich bin sicher, je mehr die Weltzeit ihrem Ende entgegengeht, desto mehr wird der Mensch heute mit irgendwelchen Dingen fanatisiert. Ich finde es interessant, daß, nachdem wir 1945 so friedlich als Deutsche unseren Schrebergarten bebauten, heute schon wieder nicht mehr politisch miteinander reden können, nicht?  Daß sie sich beschimpfen als Schurken, krumme Hunde und dann geht das so weiter, ist das nicht ’ne R., nicht, verstehen Sie?

Das heißt, aus politischen Meinungen werden schon wieder Weltanschauungen, und die müssen verteidigt werden. Da sage ich: Knaenas mit den Hörnern, ich traue dir nicht! Das heißt, so mit anderen Worten, Christen sind so in dem Fanatismusgetöse dieser Welt sehr kühle Leute, sehr kühle Leute.  Sie lassen sich von sämtlichen Knaenas‘  und andern nicht mehr in Rage bringen. Sie wissen eine Melodie: Mein Jesus ist mein Leben, mein Teil und mein Gewinn. Die Welt hat eine Chance, wenn sie diese Chance nicht ergreift, hat sie keine andere.

bis [25:50]

gehalten von Pastor Wilhelm Busch am 17.03.1959, vermutlich im Weigle-Haus Essen

Audio-Fassung des Vortrags (auf load.dwg.net oder bei sermon-online.de)

Literatur

Wilhelm Busch: Bileam – Josaphat – Simson. Aus der Reihe „Die Wilhelm-Busch-Bibliothek, Band 5“. Aussaat Verlag/CLV, 1. Aufl. 2006 [Download als pdf]

Eingestellt am 30. Juli 2021