Offenbarung 10, 1 – 11, 2: Zwischen der sechsten und siebenten Posaune

Dreizehnte Bibelstunde

Offenbarung 10

1 Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabkommen; der war mit einer Wolke bekleidet, und ein Regenbogen auf seinem Haupt und sein Antlitz wie die Sonne und Füße wie Feuersäulen, 2 und er hatte in seiner Hand ein Büchlein aufgetan. Und er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde; 3 und er schrie mit großer Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und da er schrie, redeten sieben Donner ihre Stimmen. (Jeremia 25.30) (Hosea 11.10) (Amos 1.2) 4 Und da die sieben Donner ihre Stimmen geredet hatten, wollte ich sie schreiben. Da hörte ich eine Stimme vom Himmel sagen zu mir: Versiegle, was die sieben Donner geredet haben; schreibe es nicht! (Psalm 29.1) (Daniel 12.4) (Daniel 12.9) 5 Und der Engel, den ich sah stehen auf dem Meer und der Erde, hob seine Hand gen Himmel
6 und schwur bei dem Lebendigen von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel geschaffen hat und was darin ist, und die Erde und was darin ist, und das Meer und was darin ist, daß hinfort keine Zeit mehr sein soll; (Daniel 12.7) 7 sondern in den Tagen der Stimme des siebenten Engels, wenn er posaunen wird, soll vollendet werden das Geheimnis Gottes, wie er hat verkündigt seinen Knechten, den Propheten. (Apostelgeschichte 3.21) (Offenbarung 11.15) 8 Und ich hörte eine Stimme vom Himmel abermals mit mir reden und sagen: Gehe hin, nimm das offene Büchlein von der Hand des Engels, der auf dem Meer und der Erde steht!
9 Und ich ging hin zu dem Engel und sprach zu ihm: Gib mir das Büchlein! Und er sprach zu mir: Nimm hin und verschling es! und es wird dich im Bauch grimmen; aber in deinem Munde wird’s süß sein wie Honig. (Hesekiel 3.1-3) 10 Und ich nahm das Büchlein von der Hand des Engels und verschlang es, und es war süß in meinem Munde wie Honig; und da ich’s gegessen hatte, grimmte mich’s im Bauch. 11 Und er sprach zu mir: Du mußt abermals weissagen von Völkern und Heiden und Sprachen und vielen Königen. (Jeremia 1.10)

Offenbarung 11

1 Und es ward ein Rohr gegeben, einem Stecken gleich, und er sprach: Stehe auf und miß den Tempel Gottes und den Altar und die darin anbeten. (Hesekiel 40.3) (Hesekiel 42.20) (Sacharja 2.5-6) 2 Aber den Vorhof außerhalb des Tempels wirf hinaus und miß ihn nicht; denn er ist den Heiden gegeben, und die heilige Stadt werden sie zertreten zweiundvierzig Monate. (Lukas 21.24)

Übersetzung: Luther 1912, bibel-online.net

Posaunengesicht und Siegelgesicht

Sechsmal sind die himmlischen Posaunen ertönt; wir warten der siebenten. Aber wir sollen hier stille stehen, ähnlich wie es nach Eröffnung der sechs ersten Siegel war (Kap. 6). Das 6. Siegel und die 6. Posaune richten beide unsre Gedanken auf die letzte Weltentscheidung. Nur daß wir gewiß einen doppelten Irrtum fernhalten!

Es ist nicht so, daß die einzelnen Posaunen den einzelnen Siegeln parallel liefen; und es ist auch nicht so, daß die Posaunen auf die Siegeleröffnung folgen, etwa so, daß die Posaunengerichte enthüllen würden, was im siebenten Siegel verschlossen lag. Von den  7  S i e g e l n  hat das sechste die Endkatastrophe in  e i n e m  Bilde geschildert, und was hernach kommen soll, die ewige Vollendung, darüber hat die Eröffnung des 7. Siegels heiliges Schweigen gebreitet. Das Posaunengesicht führt von Anfang an in die Endzeit ein, stellt uns also in die Zeit nach dem 5. Siegel, ohne zu zeigen, wo und wie es dem 6. Siegel sich eingliedere.  Auch die Offenbarung des Johannes vermeidet es, wie das ganze Neue Testament, Anhaltspunkte für zeitliche Berechnung des Eintretens der Endereignisse, sei es unmittelbar oder mittelbar an die Hand zu geben. Die einzelnen Gruppen der Gesichte  stehen daher ohne gegenseitige Verweisung oder Beziehung selbständig nebeneinander. Aber soweit jede derselben die Endzeit zum Gegenstand hat, treffen sie bei gewissen Ereignissen und an gewissen Wendepunkten in ihrem Weissagungsinhalt selbstverständlicherweise zusammen oder berühren sich wenigstens sehr deutlich. An einem solchen Punkte sind wir hier angelangt.

Das Buch der Offenbarung ist für die Gemeinde Christi geschrieben, und ihre Weissagung will nicht bloß über das Weltgeschehen unterrichten, sondern recht eigentlich über die zeitliche und ewige Zukunft der Gottesgemeinde, die in der Welt steht und glaubt und dient und leidet und hofft. Hier wie bei Kapitel 7 müssen wir wiederum daran erinnern: Der Tempel zu Jerusalem und damit das ganze Volkstum Israels war vernichtet. Da mußte die Zukunft desjenigen Volkes, dem Gott einen ewigen Bund geschworen hatte, von dem aus das messianische Heil zu den Völkern hinausging, dem Jesus und seine Apostel, auch Johannes, angehörten, im Mittelpunkt des Fragens stehen, zumal da Jesus vorausgesagt hatte, er werde noch einmal von seinem Volk als Messias erkannt werden (Matth. 23, 39), und er werde seine Herrschaft über Israel zu der vom Vater bestimmten Zeit aufrichten (Apgsch. 1, 6.7).

Wir haben gesehen, wie laut Kap. 7 ein zu Christus bekehrter Kern aus Israel als geschlossenes Volksganzes dastehen soll, wenn die Endereignisse ihren Lauf nehmen auf Erden. Und auf dieses selbe Israel Gottes richtet das Posaunengesicht unser Auge, ehe die 7. Posaune den Abschluß der Weltzeit bringt. Hierin entspricht  also der Gang des Posaunengesichts ganz der Absicht des Siegelgesichts und gibt Aufschlüsse über die Zukunft Israels, die das im 7. Kapitel Gezeigte ergäünzen und neu beleuchten mögen, und die selbst wieder durch nachfolgende Gesichtsgruppen (besonders Kap. 14) weiteres Licht empfangen. Ehe die 7. Posaune ertönt, sehen wir Zwischenbilder eingeschoben, die auf das Israel der Endzeit weisen. Der Standort des Sehers ist dabei auf Erden und zwar, wie sich sofort nahelegt, Patmos, wo er auch dem Leibe nach weilt.

Er schaut „einen anderen Engel“, also keinen von den 7, welchen die Posaunen haben,  aber auch einen „starken“ Engel, einen der Gewaltigen Gottes. Der Engel steigt zur Erde hernieder. Eine Wolke umhüllt ihn: werden wohl Gottes Wetter aus der Wolke hervorbrechen? Ja, aber über seinem Haupt wölbt sich „der Regenbogen“ *), der ihn als Friedensboten des treuen Bundesgottes dennoch kennzeichnet. Sein Antlitz strahlt darum auch hell und freundlich wie die Sonne, aber seine Füße sind wie „Feuersäulen“, und wohin er tritt, wird verzehrt, was nicht feuerbeständig ist. Der Erde zugekehrt ist zunächst die schreckende Seite, Wolkendunkel und Feuerfüße. Darum gilt es: „Hebet eure Häupter auf!“, sonst müßten wir verzagen. Der Engel stellt sich so, daß er den rechten Fuß auf das Meer, den linken auf das Festland setzt, damit schaut er für den, der auf der Insel Patmos ist, nach Süden. Vielleicht ist es doch kein müßiger Zug in der Beschreibung, daß er dem Heiligen Lande zugewendet seinen Ruf ergehen läßt;  daß er aber Erde und Meer unter seinen Füßen hat, deutet wohl an, daß zugleich aller Welt seine Botschaft gilt.

Die 7 Donner

Furchtbar wie das Brüllen eines Löwen dröhnt sein Ruf; wir denken Amos‘ Wort (3, 8): „Der Löwe brüllt, wer sollte sich nicht  fürchten? Der Herr Jehova redet; wer sollte nicht weissagen?“ Des Engels Schrei ist wie ein Signalruf, der 7 Donnerstimmen als Echo weckt. Johannes hört, was sie sagen, aber er soll es für die Gemeinde nicht niederschreiben. Donner sind Gerichtsboten; der Engel kündigt an, daß so wahr Jehova der Ewige und Allmächtige ist, der allzeit lebendig wirkt und Himmel und Erde geschaffen hat und in seiner Hand hält, die siebente Posaune die Vollendung des ganzen Geheimnisses bringen soll, auf welche die Propheten Gottes von jeher geharrt und  geweissagt haben.

Die 7 Donner, in welchen die restlos ganze Fülle der richtenden Machttaten Gottes sich ausdrückt, haben vor des Sehers Ohr den ganzen Vollzug dieses alles vollführenden Waltens Gottes verkündigt. Es ist auch ein Zug von Bedeutung in diesem Gesicht, daß der Seher während des Schauens den Drang fühlt, sofort wörtlich festzuhalten und der Gemeinde Christi weiterzugeben, was die 7 Donner mit ihren Stimmen geredet haben. Ihre Worte enthalten demnach Aufschlüsse, die dem Seher von größtem Gewicht schienen. Aber es sind Aufschlüsse, die nicht der auf Erden harrenden und kämpfenden Gemeinde zugedacht sind; sie darf einstweilen in die Erfüllung durch  B i l d e r  hinausschauen, die immer zugleich eine Hülle über das breiten, was sie offenbaren; im hellen, deutenden  W o r t e  auch solches zu hören, das der Gemeinde verschlossen bleibt, war dem Seher vorbehalten. (vgl. 2. Kor. 12, 2-4).

Das offene Büchlein

Des Engels weltdurchdröhnenden Schall und das Echo der Donner haben wir gehört; was aber bedeutet das Büchlein, das er in der Linken hält, während er die rechte Hand zum Schwur gen Himmel erhebt? Es ist nur ein kleines Büchlein; es ist auch nicht versiegelt, wie das große, den Weltenplan Gottes umfassende Buch, das das Lamm aus Gottes Hand genommen hat. Klein ist das Büchlein, denn es enthält nur, was für die letzte Zeit, ehe die siebente Posaune alles vollenden soll, von Gott beschlossen ist; und offen ist es, denn es gibt Aufschluß über das, was dieser Vollendung vorausgehen soll. Sein Inhalt drängt sich nahe zusammen; denn es soll kein Aufschub mehr kommen zwischen der sechsten und siebten Posaune. „Es wird hinfort keine Frist mehr sein“, so schwört der Engel; d. h. es eilt nunmehr den Ereignissen der letzten Posaune zu. Wie lang dann diese „Tage“ der letzten, alles vollendenden Posaune selbst dauern und was sie in sich schließen werden, darüber ist uns damit noch nichts enthüllt.

Das Büchlein ist für Johannes da. Er soll und darf es aus der Hand des Engels nehmen und essen. Das Bild ist für die im Alten Testament heimischen Leser – und solche setzt Johannes durchweg voraus – nicht fremdartig (vergl. Hesekiel 2, 8-3, 4), und auch uns in unserer farblos nüchternen Redeweise ist der Vergleich der Aufnahme von Worten mit der Aufnahme von Nahrung gang und gäbe, nicht nur durch Jesu Reden, sondern in allerlei Wendungen des gemeinen Lebens, und andere Sprachen reden darin zum Teil weit unmittelbarer und anschaulicher. Der Inhalt des Büchleins, wenn er ihn in sich aufnimmt, soll ihm zunächst süß sein und wohl eingehen; aber wenn  er ihn nun in sich aufgenommen und durch reichliches Nachdenken verarbeitet hat, wird er schwer daran tragen und ihn bitter empfinden. Er muß auf Grund des Büchleins abermals von den Greueln und dem Jammer weissagen, der die große weite Welt erfüllt und in der Völkergeschichte der letzten Tage unaussprechlich schrecklich erfüllen wird. Er wird mitten hineingeführt in die Zeit der großen Trübsal, von der Kapitel 7 geredet hat, und wenn auch der Umkreis, den sein Weissagen umschließt, nämlich die Endgemeinde aus Israel, äußerlich engbegrenzt sich ansieht, so wird hier doch der Schauplatz sein für völkergeschichtliche und weltgeschichtliche Ereignisse und Entscheidungen.

Der künftige Tempel.

Der „Tempel Gottes“ und „die heilige Stadt“ liegen vor des Sehers Auge. Welcher Tempel? Sicherlich nicht der himmlische Tempel, in den Kap. 8, 2ff. uns versetzte. Johannes steht seit Kap. 10, 1 auch in seinen Gesichten auf Erden und schaut und verkündigt Dinge, die auf der Erde geschehen.  So ist es also der Tempel in Jerusalem? Wenn wir das bejahen, so ist doch damit noch nicht beantwortet, was für ein Tempel gemeint sei. Handelt die Weissagung von einem wirklichen, steinernen Tempelgebäude? Oder ist der Tempel auch nur ein Bild, durch das eine Sache sinnbildlich angedeutet und veranschaulicht werden soll? Das ist noch eine offene Frage.

Wenn ein wirkliches Tempelgebäude gemeint ist, so wird man zunächst an denjenigen Tempel denken, in welchem Johannes mit Jesus ein- und ausgegangen ist, von welchem er seinen Herrn hat sagen hören, er werde wüste liegen. Und kein Stein davon werde auf dem anderen bleiben. Wie sollte überhaupt in der ersten Jüngergemeinde diese Hoffnung haben Platz greifen können? Ist nicht schon Stephanus gesteinigt worden, eben weil er aus Jesu Gerichtswort über den Tempel kein Hehl machte (Apg. 6, 13. 14; 7, 48)? Und der Tempel war ja tatsächlich schon seit vielen Jahren völlig zerstört, als etwa im Jahr 95 das Buch der Offenbarung unter die Gemeinden ausging! – Also wenn ein wirkliches Tempelgebäude gemeint sein soll, so muß es ein Tempel der Zukunft sein, der in Jerusalem am Ende der Zeiten gebaut werden soll. Das nimmt Joh. Albrecht Bengel an, und deutet den Auftrag an Johannes, den Tempel zu vermessen, so: „Wann man auf einer Hofstatt, die verwüstet gewesen, siehet die Meßschnur oder Meßrute anlegen, so ist es ein Zeichen, daß man bald etwas bauen wolle“. Er warnt aber, man solle „das nicht auf ein levitisches, längst verschwundenes Schattenwerk verstehen“, andererseits es „aber auch nicht durch eine gar zu verblümte Deutung verstehen“, und er fügt bei: „Es kommt auf den Erfolg an, welchen der allein weise Gott geben wird“. Diesen Grundsätzen bei der Deutung zu folgen, muß unser Anliegen sein. Der Gedanke liegt nahe, an eine buchstäbliche Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeihungen zu denken und sich auszumalen, das Gesicht Hesekiels vom zukünftigen Tempel (40ff.) werde noch einmal, so wie er es schaute, verwirklicht werden und es werden nach seiner und nach Jeremias‘ Weissagung (Jeremia 33, 18) noch einmal Priester und Leviten „Brandopfer tun und Speisopfer anzünden und Opfer schlachten ewiglich“. Und doch ist auch dieses nur „Schattenwerk“, das längst verschwunden ist. Was die Propheten ihrem Volke Israel verheißen haben, das sind lauter Anerbieten Gottes, deren Annahme oder Nichtannahme er in des Volkes freie Entscheidung stellte. Was Israel nicht annehmen wollte, das ist eben damit dahingefallen, genau so, wie Jesus selbst sich Israel als messianischer König unzweideutig angeboten hat und Israel als sein Volk um sich sammeln wollte, und sie „haben nicht gewollt!“ (Matth. 21, 1-9. 43; 23, 34-38). Aber  E i n e s  blieb und bleibt durch alles Widerstreben und Ablehnen Israels unberührt: „Der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen“, spricht Jehova, Israels Erbarmer. Darum heißt es ein ewiger Bund (Jes. 54, 10; 55, 3; Jer. 31, 35ff; Hes. 37, 26; Micha 7, 20).  Gottes Erbarmen läßt vieles fallen von dem, was er seinem Volk zugedacht hatte, das nicht zugreifen wollte, sondern widerstrebte; aber er läßt sein Volk nicht fallen und seine Heilsgedanken mindern sich nicht beim Widerstreben, sondern streben zu immer herrlicherer Gestaltung empor, je mehr und je länger das Volk so widerstrebt, daß Gott Umweg um Umweg mit ihm gehen muß, dem Ziel überschwenglicher Erfüllung entgegen.

Darum sieht Johannes in der Endzeit ein Heiligtum Gottes, darin ein gläubiges Israel ihm anbetend dient. Das ist im Bilde geschut die Verheißung, die wir anders abgebildet schon Kap. 7 vernommen haben: Mitten im Toben der gegen Gott empörten Völkerwelt wird eine Gemeinde aus Israel, die in Jesus ihren Messias erkannt hat, gesammelt und verwahrt vor ihm stehen. So nahe es sich legt, an das geschichtliche gelobte Land Kanaan, an die geschichtliche Stadt Jerusalem und an den wirklichen Beg Zion zu denkenso hängt doch daran die Erfüllung nicht. Ob ein irdisches, aus Steinen gebautes Gotteshaus den Mittelpunkt dieser israelitischen Endgemeinde darstellen werde oder ob das Wort vom „Tempel“ nur als Bild zu fassen sei, das entscheidet sachlich nichts und bleibe darum auch für uns unentschieden. Allerdings müssen wir bei der „heiligen Stadt“ fast notwendig an das geschichtliche Jerusalem denken, wo unser Herr „gekreuzigt ward“ (11, 8).

Aber entscheidend ist nicht Land, Ort, Bau, sondern die Verheißung: eine Gemeinde aus Israel, die aus solchen bestehen wird, die im Glauben stehen und dadurch priesterlichen Zugang zu Gott haben (Römer 5, 1-3), die im Gehorsam wandeln und deren Leben darum ein fortgesetzter geistiger Gottesdienst ist (Römer 12, 1), wird gesammelt, aber auch abgesondert von der großen Menge vor Gott stehen.

Im Tempel zu Jerusalem war das eigentliche Tempelgebäude nur den Priestern zugänglich; der innere Vorhof, in welchem der Brandopferaltar stand, war dem opfernden und anbetenden Israeliten offen; der „Vorhof außerhalb des Tempels“, der äußere Vorhof stand jedermann offen, auch Heiden und Krämern und Wechslern (Matthäus 21, 12). Wenn wir uns dies vergegenwärtigen, so sagt uns das Bild von der Abmessung des Tempels: es wird eine Zeit kommen, da allenthalben die gottentfremdete und gegen Gott empörte Völkerwelt herrschen wird, und wenn auch überall in der Zerstreuung Gläubige und Häuflein von Gläubigen sich finden werden, so wird doch nirgends mehr ein Raum sein, der den Gläubigen freie Bewegung läßt außer am Bergungsorte der Gläubigen aus Israel. Und auch diese werden auf engsten Raum beschränkt sein, und die gottlose Weltmacht wird bis an ihre Tore reichen. Aber nicht lange! Wir haben gehört, es soll kein Aufschub mehr sein bis zum Sturz der gottfeindlichen Mächte (10, 6), und nur was ein kleines, bereits offenes Büchlein enthält, muß noch erfüllt werden: dann erschallt die letzte Posaune. Diese kurze Zeit wird angegeben auf 42 Monate, d.h. 3 1/2 Jahre. Das zeigt uns: Die Herrschaft der Feinde darf nicht ihre volle Zeit dauern (das wären 7 Jahre), sondern sie wird in der Mitte abgebrochen werden. Was die Endgemeinde in dieser Zeit erleben wird, sagt unser Kapitel von V. 3 bis 14. Ihr wird gelten, was wir im Glauben für uns alle festhalten auch in unsrer schweren Zeit, ein jedes in seinen Sorgen und Nöten: „Sollte Gott nicht retten seine Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen? Ich sage euch: Er wird sie erretten in einer Kürze“ (Lukas 18, 7f.).

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Quelle:

Christian Römer, weil. Prälat und Stiftsprediger zu Stuttgart: Die Offenbarung des Johannes, in Bibelstunden erläutert, S. 102-110 (Verlag von D. Gundert, Stuttgart 1916)

Verweise zu den Bibelstellen: Lutherbibel 1912, bibeltext.com

Eingestellt am 5. Juli 2021 – Letzte Überarbeitung am 19. Juni 2022