Wer Vater oder Mutter mehr liebt, denn mich, der ist meiner nicht wert. Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt, denn mich, der ist meiner nicht wert.
(Matthäus 10, 37)
Betrachtung zum 30. Januar
Wenn der Herr sagt, wir dürfen Vater, Mutter, Sohn und Tochter nicht mehr lieben, als ihn, so meint er damit nicht, daß wir sie so viel lieben dürfen, als ihn. Darüber belehrt er uns klar, wenn er uns zuruft: „du sollst lieben Gott deinen Herrn von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und von allen deinen Kräften.“ So dürfen wir keine Kreatur lieben, auch Eltern und Kinder nicht.
Wir sollen sie von Herzen lieben, sie sollen einen warmen Platz in unseren Herzen haben; aber das g a n z e Herz gehört nur dem Herrn, keinem Menschen. Wie steht es aber bei vielen Menschen in Wirklichkeit? Sie lieben ihre Angehörigen, besonders ihre Kinder mehr, als den Herrn. Das merkt man am Besten bei Todesfällen. Wie untröstlich kann man da sein, ja wie mürrisch gegen Gott! Wären solche Stimmungen möglich, wenn man den Herrn mehr liebte, als die Verstorbenen, wenn man ihn von ganzem Herzen liebte? Hat die Liebe Jesu vom Herzen Besitz genommen, so hat man Trost auch am Grabe der Liebsten und kann nicht gegen Gott murren. Daß manche Eltern ihre Kinder mehr lieben, als den Herrn, sieht man auch daran, daß sie es nicht vermögen, ein Kind in die Mission, oder in den Diakonissendienst zu geben; eher geben sie eine Tochter einem zweifelhaften Mann, wenn er nur Geld hat. Willst du wissen, ob du Eltern oder Kinder mehr liebst, als den Herrn, so frage dich, ob du beten kannst: Herr, du kannst meine Lieben krank werden lassen, du kannst sie sterben lassen; mache sie nur selig. Kannst du so beten, so ist dir der Herr am liebsten.
Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz! Prüfe mich, ob ich Dich von ganzem Herzen liebe, und mache mich los von Allem, was zwischen mir und Dir ist. Amen.
Andacht: Suchet in der Schrift – Tägliche Betrachtungen für das ganze Jahr mit Anhang, S. 30. Von E. Schrenk. 2. Auflage, 32. bis 36. Tausend. Kassel. Druck und Verlag von Ernst Röttger, 1892.
Querverweise
Wer von seinem Vater und von seiner Mutter spricht: Ich sehe ihn nicht, und von seinem Bruder: Ich kenne ihn nicht, und von seinem Sohn: Ich weiß nicht, die halten deine Rede und bewahren deinen Bund; (5. Mose 33, 9)
So jemand zu mir kommt und haßt nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein. (Lukas 14, 26)
Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? (Matthäus 12, 48)