3. Dezember

Die Wege des Herrn sind eitel Güte und Wahrheit denen, die seinen Bund
und seine Zeugnisse halten. (Psalm 25, 10)

O, welche schmerzliche und doch so nützliche Erfahrung von der Verderbnis und Ohnmacht ihres Herzens müssen die Kinder Gottes oft machen, wenn der Herr sie in seine Schule nimmt. Ihr Zustand gleicht der Witterung im März. Jetzt scheint die Sonne so lieblich, daß dieFrühlingsblumen ihre Kelche öffnen, als wollten sie den Triumph des
Frühlings über den Winter feiern. Aber plötzlich hüllt sich der Winter wieder in
dunkles Gewölk. Schnee und Hagel stürzen herab, und der Winter scheint das Feld zu behalten. Wenigstens bietet er sein Äußerstes auf, um sich und seine strenge Herrschaft zu behaupten. Doch er verliert dieselbe, und die stille Macht des Frühlings gewinnt es seinem Toben doch ab. O heilsame Wege, wodurch der Herr die Seele von dem falschen Grunde ab auf den rechten wahren Grund leitet!

Der heilige Geist führt aber seine Seelen nach und nach aus der Mannigfaltigkeit in die Einheit, dass sie aufhören können, sich mit der Martha viel Sorge und Mühe zu machen, und das beste Teil der Maria zu erwählen, welches nicht von ihnen genommen wird, indem sie sich zu Jesu Füßen setzen und ihm zuhören. Er gibt ihnen seinen Frieden erst in
einzelnen Augenblicken zu genießen, und dann als einen Stand des Friedens, weil sie nun den ganz gefunden, den ihre Seele liebt, und weil sie nun sitzen unter dem Schatten, des sie begehren und dessen Frucht ihrer Kehle süß ist, wo sie dem Herrn anhangen und ein Geist mit ihm sind. O, was berechtigt uns doch zu glauben, als ob es nur Kinder und Jünglinge, nicht aber auch Väter in Christo geben könnte? Ist die Güte Gottes nicht alle
Morgen neu? Und ist seine erwärmende Gnade nicht jetzt noch eben so mächtig, als da das sie erwerbende Blut noch warm aus den Wunden des Lammes quoll?

So selig führt der Herr die lieben Seinen,
Daß Jedermann darob erstaunen muß.
Bald läßt er sie in Not und Trübsal weinen,
Bald labt er sie mit seinem Überfluß.
Sein Vaterherz ist immer gut für sie;
Und wenn ihr Fuß nur seine Wege geht,
Wenn schon der Sinn nicht viel davon versteht,
Merkt man doch bald, daß uns die Liebe zieh‘.

Andacht aus: Tägliches Manna für Pilger durch die Wüste. Schatzkästlein aus Gottfried Daniel Krummachers Predigten, Seite 339. Neu herausgegeben von J. Haarbeck, Pastor in Elberfeld, im November 1899 (Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins, Neukirchen, Kreis Mörs)

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Eingestellt am 3. Dezember 2022