Du hältst uns dennoch an der Hand (Oetinger, Christliches Hausbüchlein #44)

Weise: Was mein Gott will

1) Du hältst uns dennoch an der Hand,
Bei allem Eigenwillen;
Du machst, daß man bei jedem Stand
Kann deinen Rat erfüllen,
Du Schöpfer der Vergnügsamkeit,
Auch unter bittern Tränken,
Du Führer auf die Ewigkeit,
Wenn wir an dich nicht denken.

2) Du ganz allein vollkomm‘ner Arzt,
An deinen Kreaturen
Machst du, wenn auch ihr Licht erschwarzt,
Den Fall zu lauter Kuren.
Du schämst dich nicht, dem armen Ton
Den Unflat abzuwaschen,
Verächter ohne Dank und Lohn
Mit Güte zu erhaschen.

3) O Güte, die viel besser ist
Als mir das eig‘ne Leben,
O Lieb, die sich’s zur Lust erkiest,
Sich für uns hinzugeben,
Komm, blick mich an mit deiner Huld,
Sonst mag ich’s nicht zu singen,
Wie du der Menschen Ungeduld
Mit Liebe pflegst zu zwingen.

4) Wer Gott vertraut, der lebt allein
Von dem, was Gott verheißen,
Muß er gleich manche Hoffnungspein
Im Aufenthalt verbeißen;
Muß er vor manchem Scheideweg
In Zweifelsschmerzen hangen –
Im Augenblick find‘t sich ein Steg:
Gott selbst stillt sein Verlangen.

5) Ein Strahl von Gottes hoher Kraft,
Womit er uns berühret,
Womit er alles wirklich schafft,
Und aus dem Staube führet,
Ist’s, was auch viele lange Jahr‘
In einer Stund‘ ersetzet
Und wenn ein Herz bekümmert war,
Mit Lebenslicht ergötzet.

6) Drum über alles lernt die Kunst,
Mit Weisheit zu verweilen,
Dem Augenblick von Gottes Gunst
Nicht sorglich vorzueilen.
Gott selber will uns alles sein
In jeglicher Minute;
Wer das nicht glaubt, folgt leerem Schein
Und tut sich nichts zugute.

7) Wer’s glaubt, der trachtet auf der Stell‘,
Bei den geringsten Dingen
Nur treu zu sein; das ist die Quell‘,
Sein Glück recht hoch zu bringen.
Da wirkt Gott mit, an dieser Spur
Ist Gläubigen gelegen;
Da ist, weit über die Natur
Dein Wink, Herr, unser Segen.

8) Läßt du schon manche Möglichkeit
Zum Glück – der Welt vergehen,
So hast du dir schon längst die Zeit
Zur Rettung ausersehen;
Da machst du manche Unglücksstund‘,
Daß sie doch muß gelingen;
Und muß dein Wort aus deinem Mund
Wie Blitz durch Wolken dringen.

9) Nun, niemals müde Liebe,
Gib, daß mein noch schwacher Wille
Sich dir mit allem eig‘nen Trieb
Um dich und deine Fülle
Verschenke diesen Augenblick,
Nicht sich, nur dir zu leben;
So wirst du mir mein wahres Glück
In Jesu Erbteil geben.

Liedtext: Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782)
Melodie: 1529, Claudin de Sermisy; geistlich Antwerpen 1540

Quelle:

Obiger Text folgt der Fassung des Liedes Nr. 44, in:

Christliches Hausbüchlein. Von Pfarrer Gottlob Baumann in Kemnat. Eine Sammlung meist alter, bewährter Gebete und Lieder, besonders über die Heilsordnung, 15. Auflage, Seite 96f. Verlag der Evangelischen Gesellschaft, Färberstraße 2,  Stuttgart 1910.

Weblinks und Verweise

Melodieeintrag bei Bach Cantatas Website (Was mein Gott will)

Eingestellt am 4. Juli 2023 – Letzte Überarbeitung am 5. Juli 2023