„Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet.“
Matthäus 26, 41
Bei den Versuchungen ist es Hauptsache, wo sie ihren Grund haben, wonach sich denn auch die Wirkung richtet. Es ist etwas Erschreckliches, wenn die Versuchung oder Anfechtung aus dem Zorn oder Ungnade Gottes entspringt, denn da zieht sie zeitliches und ewiges Unheil nach sich, und der Mensch geht dann zu Grunde nach Leib und
Seele, wie Judas davon ein schreckliches Exempel ist.
Von solchen Versuchungen mag wohl gesagt und dabei empfohlen werden: Betet, betet, was ihr beten könnt, daß ihr nicht hineingeratet. Der Mensch reizt Gott durch seine eigene Schuld und Bosheit, solch‘ erschreckliches Unheil über ihn zu verhängen. Dann geht’s nach dem Spruch: „Weil ich denn rufe und ihr weigert euch, ich recke meine Hand aus und Niemand achtet darauf, so will ich auch euer lachen in euerm Unglück.“ Darum sehe sich ein Jeder wohl vor! Man kann sich in Versuchung wohl einlassen, gerät aber damit auf einen bezauberten Boden, wo man seine Besinnungskraft je länger je mehr verliert.
Eine Versuchung verkettet sich auch dermaßen mit der andern, und eine entspringt so aus der andern, daß, wer jetzt einen Fuß in das Labyrinth gesetzt, schon die Macht über den zweiten verscherzt hat und nicht mehr wissen kann, in was für Greuel er noch geraten wird. Und die Versuchung ist so listig, daß sie sich in etwas mengen kann, was, wo nicht unbezweifelt erlaubt, doch auch geradezu nicht untersagt, nicht verboten ist, in dieser Larve die Unvorsichtigen beschleicht und je länger je fester umgarnt. Aber vor solcher Versuchung waren doch die Jünger gesichert? Immerhin. Dennoch sagt Paulus: Sei nicht stolz, sondern fürchte dich! Wer meint zu stehen, sehe zu, dass er nicht falle; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe, und suchet, welchen er verschlinge.
Kommt nun Anfechtung her, so wehr‘;
Du kannst machen,
Daß mir’s nicht bring‘ Gefähr.
Ich weiß, du wirst nicht lassen.
Andacht zum 26. Mai aus: Tägliches Manna für Pilger durch die Wüste. Schatzkästlein aus Gottfried Daniel Krummachers Predigten, Seite 148. Neu herausgegeben von J. Haarbeck, Pastor in Elberfeld, im November 1899 (Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins, Neukirchen, Kreis Mörs)
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