Offenbarung 7, 3

Und er sprach: Beschädiget die Erde nicht noch das Meer noch die Bäume, bis daß wir versiegeln die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen.

Die Bäume werden im 2. Vers mit verstanden, weil sie hier im dritten wieder ausgedrückt werden. Die Stirne ist an dem Menschen dasjenige, was am meisten in das Gesicht fällt, und daher werden die Knechte Gottes an ihren Stirnen versiegelt. Trefflicher Vorzug. Wenn Jammer und Not über die ganze Welt ergeht, so sind die Knechte Gottes ausgenommen und ausgezeichnet. Das Siegel des lebendigen Gottes müssen auch die bösen Engel scheuen und unversehrt lassen. Es haben insonderheit die Heiligen aus Israel diesen Namen, daß sie Knechte Gottes heißen, und hier nennt sie der Engel so; er sagt zu den vier Engeln: die Knechte unsers Gottes. Ist denn Gott, wie der guten, so auch der bösen Engel ihr Gott? Die bösen Engel sind zwar auch in der Gewalt Gottes, des Allmächtigen, aber keiner von ihnen kann sagen:  M e i n  G o t t,  und so wird kein guter Engel in Gemeinschaft mit den bösen sagen:  u n s e r  G o t t.  Der Engel, der das Siegel Gottes hatte, hatte seine Gehilfen bei der Versiegelung. Er sagt nicht: bis  i c h  versiegle, sondern bis  w i r  versiegeln. Nur hat Johannes die Gehilfen desselben nicht gesehen von der Sonne Aufgang aufsteigen. Die heiligen Engel sind Gottes Knechte, und heilige Menschen sind auch Gottes Knechte. Diese und jene sind Mitknechte untereinander, aber gute und böse Engel sind keine Mitknechte zusammen. Zwischen einem guten Engel und einem gläubigen Menschen ist zwar ein Unterschied:

Ein Knecht Gottes auf Erden steht noch in der Versuchung, da ihm von innen und außen viel Widriges zusetzt, gegen welches er auch streitet; aber die Vergebung der Sünden macht, daß Gott sich seiner Knechte nicht schämt, und so schämen sich auch die Engel ihrer Mitknechte nicht. Es ist um einen Menschen, der noch unter der Sünde liegt, eine elende Kreatur; hingegen um einen, der noch im Fleische lebt, aber Gott im Geiste dient, ist es etwas herrliches; er hat den höchsten Adel, die edelste Freiheit, er ist Gottes Knecht, er ist der Engel Mitknecht. Ob Einer im Äußeren noch so unbekannt und geringschätzig wäre; findet er sich im Willen Gottes, so ist er Gottes Knecht. Und ein solches Eigentum bewahrt der getreue Gott. Es wird versiegelt, wenn Not und Gefahr nahe ist. Vorher zu ruhiger Zeit äußerte es sich nicht so klärlich.

Es werden zwar, wie gemeldet, hier insbesondere Gottes Knechte genannt, die Israeliten die versiegelt werden, aber sie werden versiegelt nicht darum, weil sie aus Israel sind, sonst müßte der Versiegelten mehr als noch so viel sein, sondern weil sie Knechte Gottes sind.  Also, wenn eines schon nicht aus Israel ist nach dem Fleisch, wenn es Gott dient und in dem Willen Gottes steht, so ist es wohl bewahrt. Eben darauf sollen wir uns besinnen und wohl forschen, ob wir uns selbst leben oder ob wir uns Gott als Sein durch Christum erworbenes und erkauftes Eigentum redlich überlassen haben. So lang der Mensch unter der Sünde und in deren Knechtschaft ist, kann keine Wohltat an ihm haften, aber wenn er von der Sklaverei der Sünden und des Satans in rechtschaffener Umkehr zu Gott errettet ist, da lautet es: gut, Du sollst mein Knecht sein, denn Ich erwähle dich und verwerfe dich nicht. Wenn alles Feindselige sich aufmacht wider das, was Gottes ist, so wird hingegen auch Gottes Dienerschaft aufgeboten zur Bedeckung. Wo etwas ist, das zu einer fürstlichen Hofhaltung gehört, wo auf ein Service das herrschaftliche Wappen gezeichnet oder wo auf einer Schrift dergleichen Insiegel gedrückt ist, da darf sich niemand daran vergreifen. Was nun dem großen Gott angehört, das bleibt unangetastet. Was sich daran machen wollte, würde anlaufen und einbüßen.

Quelle: Dr. Johann Albrecht Bengel: Sechzig erbauliche Reden über die Offenbarung Johannis oder vielmehr Jesu Christi. Neue Auflage. Verlag der Evangelischen Bücherstiftung, Stuttgart 1870.