„Da ihr Wurm nicht stirbt, und ihr Feuer nicht verlöscht.“
Markus 9, 48
Jede in dem Worte Gottes geoffenbarte Wahrheit ist ohne Zweifel von großer Wichtigkeit . Doch kann man zugeben, daß einige dieser geoffenbarten Wahrheiten, von größerer Wichtigkeit sind, als andere, indem sie mehr unmittelbar zu dem großen Endzweck von Allem, der ewigen Seligkeit der Menschen, beitragen. Wir können ihre Wichtigkeit eben aus dem Umstande erkennen, daß sie in der Heiligen Schrift nicht nur einmal erwähnt, sondern einmal über das andere wiederholt werden.
Ein merkwürdiges Beispiel hiervon bietet die jetzt von uns zu betrachtende, schreckenerregende Wahrheit dar. Unser Herr, welcher keine überflüssigen Worte machte, welcher nicht viel plapperte, wiederholt sie wieder und wieder, in demselben Kapitel.
Vers 43 u. 44 : „Ärgert dich deine Hand“ – wenn irgend eine Sache oder Person, die so nützlich ist als eine Hand, dich verleitet zur Sünde, und es keinen andern Weg giebt, diese Sünde zu vermeiden, „so haue sie ab; es ist dir besser, daß du ein Krüppel zum Leben eingehest, denn daß du zwei Hände habest und fahrest in die Hölle, in das ewige Feuer, da ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlöscht.“ – So wieder Vers 45 u. 46: „Ärgert sich dein Fuß, so haue ihn ab; es ist dir besser, daß du lahm zum Leben eingehest, denn daß du Füße habest und werdest in die Hölle geworfen, in das ewige Feuer, da ihr Wurm nicht stirbt, und ihr Feuer nicht verlöscht.“
Und wiederum Vers 47 u. 48: „Ärgert dich dein Auge“ – eine Person oder ein Ding, so teuer als dein Auge, hindert es dich, nach dem vorgesteckten Ziele zu laufen – „so reiße es aus; es ist dir besser, daß du einäugig in das Reich Gottes gehest, denn daß du zwei Augen habest, und werdest in das höllische Feuer geworfen, da ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht verlöscht.“
Laßt uns aber nicht denken, daß die Betrachtung dieser fürchterlichen Wahrheit nur für sehr grobe Sünder passend sei. Wie wäre eine solche Meinung vereinbar mit dem, was unser Herr zu Denen sagt, die zu der Zeit, ohne Zweifel, die heiligsten Menschen auf der Erde waren:
Als viel Volk um Ihn versammelt war, sprach Er zu Seinen Jüngern (den Aposteln): „Zum ersten sage ich euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und darnach nichts mehr thun können. Fürchtet euch aber vor dem, der, nachdem er getötet hat, auch Macht hat zu werfen in die Hölle. Ja, ich sage euch, vor Dem fürchtet euch!“ (Luk . 12, 4–5) Ja , fürchtet Ihn gerade deshalb, weil Er Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, fürchtet euch so, daß Er euch nicht in den Ort der Qual werfe. Und gerade diese Furcht ist auch bei den Kindern Gottes ein vortreffliches Mittel, sie vor der Hölle zu bewahren .
Es ziemt deshalb nicht bloß den Verworfenen unter den Menschen, sondern auch euch, die ihr Gott fürchtet und liebet, es gründlich zu betrachten, was in dem Worte Gottes wegen eines künftigen Zustandes der Strafe geoffenbart ist. Wie sehr verschieden ist dies von den besten Berichten, die uns heidnische Geschichtschreiber geben! Ihre Berichte sind kindisch, fabelhaft und sich selbst widersprechend, und so darf man sich wundern , daß sie selbst nicht daran glauben, sondern nur die Märchen des großen Haufens erzählen Dieses giebt uns Virgil deutlich zu verstehen, wenn er, nach dem weitläufigen Berichte, den er von den unterirdischen Schatten gegeben hatte, den, der es ihm erzählt hatte, zu der elfenbeinernen Pforte hinaussendet, durch welche (wie er uns sagt) bloß Träume gehen; womit er uns zu verstehen giebt , daß die vorhergehende Schilderung nichts ist, als ein Traum; dieses deutet er nur schwach an, aber sein Bruder-Dichter, Juvenal, spricht sich klar und deutlich aus : „Sogar unsere Kinder glauben kein Wort von den Erzählungen hinsichtlich einer andern Welt.“
Hier ist dagegen alles Gottes, des Schöpfers and Regierers der Menschheit würdig. Alles ist furchtbar und feierlich, angemessen der Weisheit und Gerechtigkeit dessen, „durch den die Grube von Anfang an zugerichtet war“; obgleich ursprünglich zubereitet, nicht für die Kinder der Menschen, sondern für den Teufel und seine Engel. Die Strafe derjenigen, welche, trotz aller Warnungen Gottes, entschlossen sind, ihren Teil mit dem Teufel und seinen Engeln zu haben, wird teils negativ, teils positiv sein. Nachdem ich beide einzeln betrachtet habe, will ich einige Nebenumstände berühren und mit einer Anwendung schließen.
I.
Zuerst laßt uns die negative Seite, oder die Strafe des Verlustes betrachten. Diese fängt in eben dem Augenblicke an, in welchem die Seele den Körper verläßt. In dem Augenblicke verliert die Seele alle die Freuden, deren Genuß von den äußeren Sinnen abhängt. Der Geruch, der Geschmack, das Gefühl geben kein Vergnügen mehr. Die Organe, welche ihnen fröhnten, sind zerstört, und die Gegenstände, die ihnen Genuß gewährten, weit hinweggerückt. In den wüsten Regionen der Toten sind alle diese Dinge vergessen, oder, wenn nicht vergessen, wird doch nur mit Schmerz daran gedacht , weil sie für immer dahin sind. Alle Ergötzungen der Einbildungskraft sind zu Ende. Es ist nichts Großartiges in den unterirdischen Reichen; es giebt nichts Schönes in jenen finstern Wohnungen, kein Licht, als das jenes Schwefelstroms, und nichts Neues; eine unveränderte Scene sich immer wiederholenden Grausens! Es giebt da keine andere Musik, als lauter Aechzen, Schreien, Heulen , Wehklagen und Zähneklappen, Fluchen und Lästern gegen Gott, und scharfe Vorwürfe gegen einander. Auch giebt es nichts da , die Ehrsucht zu befriedigen; nein, sie sind die Erben ewiger Schmach und Schande! (Dan. 12, 2) (Jeremia 23, 40)
So sind sie gänzlich von allem getrennt, was sie in dieser Welt lieb hatten. In demselben Augenblick wird noch ein anderer Verlust stattfinden, der Verlust aller Personen, welche sie liebten. Sie sind von ihren nächsten Verwandten hinweg gerissen, von ihren Weibern, Männern, Eltern, Kindern und den teuersten Freunden. Alles Vergnügen, welches sie jemals mit diesen genossen, ist dahin, verloren, verschwunden, denn es giebt keine Freundschaft in der Hölle. Selbst der Dichter , welcher behauptet (obwohl ich nicht weiß, mit welchem Rechte), daß
Teufel, mit Teufeln verdammt,
Feste Eintracht halten,
behauptet nicht, daß die geringste Freundschaft in dem großen Abgrund stattfinde unter den verdammten Menschenkindern. Sie werden sich aber auch bewußt werden, daß sie noch viel mehr verloren haben, als sie je auf Erden genossen. Sie haben ihren Platz in Abrahams Schoß, im Paradiese Gottes verloren! Bis dahin ist es in der That nicht in ihren Sinn gekommen, sich vorzustellen, was heilige Seelen genießen im Garten Gottes, in der Gesellschaft der Engel und der weisesten und besten Menschen, die seit Anfang der Welt gelebt (des ungemeinen Zuwachses ihrer Erkenntnis nicht zu gedenken, den sie dann ohne Zweifel in der Seligkeit erhalten werden); aber sie werden dann völlig den Wert alles dessen kennen lernen, was sie so schändlicher Weise weggeworfen haben .
So glücklich aber die Seelen im Paradiese auch sind, so bereiten sie sich doch für noch höhere Glückseligkeit vor. Denn das Paradies ist bloß eine Vorstufe des Himmels; und dort ist es, wo die Geister der Gerechten vollkommen gemacht werden. Im Himmel allein ist Freude die Fülle. Daß jene unseligen Geister dieses verlieren, wird ihr Elend vollenden. Sie werden dann wissen und fühlen, daß Gott allein der Mittelpunkt aller erschaffenen Geister ist, und folglich, daß ein für Gott erschaffener Geist außer Ihm keine Ruhe haben kann. Es scheint, der Apostel hatte dieses in Gedanken, als er von denen sprach, „welche werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesichte des Herrn“. Es ist die Verbannung von dem Angesichte des Herrn, worin eigentlich das Verderben eines für Gott erschaffenen Geistes besteht. Und wenn diese Verbannung für immer fortdauert, so ist es „ewiges Verderben“.
Solchen Verlust leiden die elenden Geschöpfe, über welche das schreckliche Urteil gefällt werden wird: „Gehet hin von mir , ihr Verfluchten!“ Welch ein unaussprechlicher Fluch , wenn auch nichts anderes dazu käme! Aber ach! dieses ist noch lange nicht alles! Denn zur Strafe des Verlustes kommt noch die Strafe der Schmerzen. Was sie verlieren, faßt unsägliches Elend in sich; dennoch ist dies geringer als was sie fühlen. Es ist das, was unser Herr mit den nachdrücklichen Worten ausspricht: „Wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer verlöscht“.
II.
Von der Zeit an , da das Urteil über den Menschen gesprochen wurde: „Du bist Erde und sollst zu Erde werden“, war es, so viel wir wissen, die Gewohnheit aller Nationen, den Staub dem Staube zu übergeben. Es schien das natürlichste, den toten Körper der allgemeinen Muttererde zurück zu geben. Aber im Verlaufe der Zeit kam eine andere Weise auf, besonders unter den Reichen und Großen, nämlich die Leichen ihrer Verwandten zu verbrennen, und zwar auf eine pomphafte Weise; zu welchem Zweck, mit großen Kosten, ungeheure Scheiterhaufen errichtet wurden. Auf beiderlei Art wurde der Körper des Menschen wieder in seine ursprünglichen Bestandteile verwandelt; entweder der Wurm oder das Feuer verzehrte bald das künstlich geformte Gebäude. Danach starb der Wurm schnell, und das Feuer verlosch bald.
Es giebt aber auch einen Wurm, der dem künftigen Leben angehört, und dieser Wurm stirbt niemals; auch giebt es ein heißeres Feuer, als das des Scheiterhaufens, und dieses Feuer wird niemals erlöschen. Unter dem Wurm, der nie stirbt, haben wir zuerst ein schuldbeladenes Gewissen zu verstehen, welches Selbstverdammung, Kummer, Scham, Reue und ein Gefühl des Zorns Gottes in sich begreift. Können wir uns hievon nicht einen schwachen Begriff machen durch das, was man zuweilen schon in der gegenwärtigen Welt fühlt? Sagt nicht Salomon davon: „Wer ein fröhliches Herz hat, der weiß sich in seinem Leiden zu halten“, in seinen Schwächen oder Bekümmernissen irgend einer Art; „wenn aber der Mut liegt, wer kann es tragen?“ Wer kann die Angst eines erwachten Gewissens ertragen, wenn es mit einem Gefühl der Schuld durchdrungen ist, und die Pfeile des Allmächtigen in der Seele stecken, so daß der Geist verschmachtet! Wie viele der Allerkühnsten sind darunter erlegen, haben sich lieber erhenkt, als es länger ertragen!
Und doch – was sind diese Wunden, was ist all diese Angst der Seele in der jetzigen Welt, im Vergleich mit der Pein, welche Diejenigen erleiden müssen, deren Seele gänzlich erwacht ist zu dem Gefühl des Zornes eines beleidigten Gottes! Füge zu diesem noch alle unheiligen Leidenschaften hinzu: Furcht, Entsetzen, Wut, böse Begierden – Begierden, die niemals befriedigt werden können. Füge noch hinzu alle unheiligen Gemütsstimmungen: Neid, Eifersucht, Bosheit und Rache, welche alle unaufhörlich an der Seele nagen werden , wie der Adler an der Leber des Prometheus. Wenn wir zu all diesem noch Haß gegen Gott und alle Seine Geschöpfe hinzufügen, so kann dieses alles zusammen uns eine, obwohl nur geringe und unvollkommene Idee geben von dem Wurm, der nie stirbt.
Bemerkenswert ist die verschiedene Weise, auf welche unser Herr von den beiden Arten der zukünftigen Strafe spricht. Er sagt: „wo ihr Wurm nicht stirbt“, von der einen, – „wo das Feuer nicht verlöscht“, von der andern. Dies ist nichts Zufälliges. Was ist denn die Ursache dieser Verschiedenheit in dem Ausdrucke?
Sie liegt ohne Zweifel darin: Das Feuer wird dasselbe sein, wesentlich dasselbe für alle , die darin Qual leiden; nur vielleicht für Einige heftiger, nach ihrem verschiedenen Grade der Schuld. Aber ihr Wurm wird nicht und kann nicht derselbe sein; er wird unendlich verschieden sein, nach den verschiedenen Arten und Graden ihrer Gottlosigkeit. Diese Verschiedenheit entsteht zum Teil aus dem gerechten Urteile Gottes, welcher geben wird einem Jeglichen nach seinen Werken. Wir können nicht zweifeln, daß diese Regel ebenso wohl in der Hölle als im Himmel gelten wird. Wie im Himmel ein Jeglicher seine eigene (ihm – und keinem andern gehörende) Belohnung empfangen wird, nach seiner eigenen Arbeit, d. h. nach dem ganzen Charakter seiner Gefühle, Gedanken, Worte und Werke, – so wird ohne Zweifel jeder Mensch seinen eigenen bösen Lohn empfangen, nach seinen eigenen bösen Werken, und dieser wird gleichfalls ihm – und keinem andern gehören. Eine Verschiedenheit in der Bestrafung wird gleichfalls aus der Natur der Sache selbst entspringen. Die, welche die meiste Heiligkeit in den Himmel bringen, auch die meiste Seligkeit dort finden werden; so ist es auf der andern Seite nicht nur wahr, daß je mehr Gottlosigkeit ein Mensch zur Hölle bringt, er desto mehr Elend dort finden wird, sondern auch, daß sein Elend unendlich verschieden sein wird, nach den verschiedenen Arten seiner Gottlosigkeit. Es wäre deshalb passend, zu sagen: das Feuer im Allgemeinen und ihr Wurm insbesondere.
Aber es wird von Einzelnen bezweifelt, „ob es in der Hölle Feuer gibt“; d.h . ein materielles Feuer? Ja, wenn es dort Feuer gibt, so it es ohne Zweifel materiell. Denn was ist unmaterielles Feuer? Dasselbe als unmaterielles Wasser, oder unmaterielle Erde. Sowohl das Eine als das Andere ist absoluter Unsinn; ein Widerspruch in sich selbst. Wir müssen es deshalb für materiell ausgeben, oder das Dasein desselben leugnen. Aber wenn wir auch annehmen, daß es dort gar kein Feuer gebe, was würde dadurch gewonnen? Es wird doch von Allen zugestanden, daß es entweder wirkliches Feuer oder etwas noch Schlimmeres ist. Und bedenke dies: Redet nicht unser Herr, als ob es wirkliches Feuer wäre? Niemand kann dieses leugnen oder bezweifeln. Wäre es möglich, daß der Gott der Wahrheit auf diese Weise reden würde, wenn es sich nicht so verhielte? Könnte Er die Absicht haben, Seine armen Geschöpfe bloß zu schrecken? Was! mit Strohwischen, mit eiteln Schatten von Dingen, die kein Dasein haben? O, denke doch niemand so! Bürdet dem Allerhöchsten doch keine solche Thorheit auf!
Aber Andere sagen: Ist es denn möglich, daß Feuer immer brennen kann? Nach den unwandelbaren Gesetzen der Natur verzehrt es ja alles, was hineingeworfen wird, und nach demselben Naturgesetz wird es selbst verzehrt, sobald es sein Brennmarerial verzehrt hat, es geht aus. Es ist wahr, in der gegenwärtigen Einrichtung der Dinge während der gegenwärtigen Naturgesetze zerstört und verzehrt das Feuer alles, was hineingeworfen wird. Aber der Irrthum liegt darin: die jetzigen Naturgesetze sind nicht unwandelbar. Wenn einst Himmel und Erde vergehen, dann wird die jetzige Scene gänzlich verändert werden, und mit der jetzigen Einrichtung der Dinge werden auch die jetzigen Naturgesetze aufhören. Nach dieser großen Umwandlung wird nichts mehr aufgelöst, nichts mehr zerstört werden. Wenn es daher wahr wäre, daß das Feuer jetzt alles verzehrt, so würde daraus nicht folgen, daß es dasselbe thun würde, nachdem das ganze Weltall jene große und allgemeine Umwandlung erlitten hat. Ich sage, wenn es wahr wäre, daß das Feuer jetzt alles verzehrt. Dieß ist aber wirklich nicht wahr. Hat es nicht Gott gefallen, uns schon etwas Beweis zu geben, was in Zukunft seyn wir? Ist nicht Asbest, der unverbrennliche Steinflachs, in vielen Theilen der Erde bekannt? Wenn ihr ein von Asbest gemachtes Stück Tuch nehmet (ein solches ist im brittischen Museum zu sehen), möget ihr es in das heißeste Feuer werfen, und wenn es herausgenommen wird, kann man nach der genauesten Untersuchung finden, daß es auch nicht einen Gran an seinem früheren Gewicht verloren hat. Hier haben wir eine Substanz vor Augen, die selbst in dem jetzigen Stande der Dinge, gleichsam als ein Vorbild der zukünftigen, im Feuer bleiben kann, ohne davon vernichtet zu werden.
Viele Schriftsteller haben andere Qualen Derer, die in den Feuerpfuhl geworfen werden, aufgestellt. Sogar der fromme Kempis [Thomas von Kempen] vermuthet z.B., daß den Geizigen geschmolzenes Gold in den Hals gegossen wird, und so vermuthet er noch viele andere besondere Qualen, die verschiedenen Sünden der Menschen angemessen sind. Unser großer Dichter vermuthet, daß die Bewohner der Hölle viele verschiedene Qualen erdulden; daß sie nicht immer im Feuer bleiben, sondern oft von harpyenfüßigen Furien geschleppt werden in eisige Regionen, und wieder zurück in das dadurch unendlich heftiger brennende Feuer.
Ich finde aber kein Wort, nicht den geringsten Wink in der ganzen heiligen Schrift. Und gewiß, dieß ist ein zu feierlicher Gegenstand, als um ihn zu einem Spiel der Einbildungskraft zu machen. Wir wollen uns an das geschriebene Wort halten. Es ist Qual genug, in ewigen Flammen zu liegen.
Dieß kann uns eine fabelhafte Geschichte eines orientalischen Schreibers deutlich lehren: Ein türkischer König, der sich jeder Art von Gottlosigkeit schuldig gemacht hatte, that einmal etwas Gutes: er sah einen armen Mann in einen Abgrund fallen, worin er unfehlbar hätte umkommen müssen; er stieß ihn mit dem Fuße zurück, wodurch er ihm das Leben rettete. Die Geschichte fügt hinzu, daß, als er für seine ungeheure Gottlosigkeit in die Hölle geworfen wurde, so ward dem Fuß, womit er des armen Mannes Leben gerettet hatte erlaubt, außerhalb des Feuers zu liegen. – Aber angenommen, dieß wäre ein wirklicher Vorfall: welch ein armer Trost wäre das! Wäre auch beiden Füßen erlaubt, außer dem Feuer zu liegen, ja und beiden Händen dazu, wie wenig würde das helfen! Und wenn sogar der ganze Körper herausgenommen und so gelegt würde, daß ihn kein Feuer berühren könnte, und nur eine Hand oder ein Fuß wäre dem Feuer ausgesetzt: würde der Mensch zu derselben Zeit sich wohlbefinden? Nein, unmöglich! Sagt man nicht oft zu einem Kind: Halte deinen Finger in die Flamme des Talglichts; kannst du es nur eine einzige Minute ertragen? Wie willst du denn das höllische Feuer ertragen? Es wäre gewiß Qual genug, das Fleisch von nur einem Finger abgebrannt zu haben, was wird es dann seyn, den ganzen Körper in den feurgen Pfuhl geworfen zu haben, der mit Schwefel brennet!
III.
Es bleibt jetzt nur noch übrig, zwei oder drei Umstände zu betrachten, die den nie sterbenden Wurm und das unauslöschliche Feuer begleiten.
Und Erstlich wollen wir die Gesellschaft betrachten, von welcher ein Jeder an jenem Orte der Qual umgeben ist. Es ist nichts Ungewöhnliches, sogar unsere verurtheilten Verbrecher in ihren Gefängnissen sagen zu hören: Ich wünsche, ich wäre lieber gehängt und aus dem Wege, als mit den verworfenen Geschöpfen, die um mich sind, länger geplagt zu seyn. Aber was sind die ausgelassensten Bösewichte auf Erden im Vergleich mit den Bewohnern der Hölle? Keiner von diesen ist hienieden völlig gottlos, von jedem Funken des Guten entblößt, – gewiß nicht bis ans Ende seines Lebens, wahrscheinlich nicht bis zum Tage des Gerichts. Auch können diese nicht ihre ganze Gottlosigkeit ohne Schranken gegen ihre Mitmenschen ausüben. Zuweilen werden sie von guten Menschen zurückgehalten, zuweilen auch von schlechten. So werden selbst die Martern bei der römischen Inquisition vermindert von Denen, die sie anwenden, wenn sie vermuthen, der Leidende könne sie nicht länger ertragen; sie befehlen dann den Schergen einzuhalten, denn es ist gegen die Regel des Hauses, einen Menschen auf der Folter sterben zu lassen. Und sehr häufig, wenn keine menschliche Macht helfen kann, werden sie von Gott zurückgehalten, der ihnen ihre Grenze gesetzt hat, über die sie nicht hinaus können. Ja, so weislich hat Gott es eingerichtet, daß die äußerste Größe der Pein ein Aufhören derselben ist; der Leidende fällt in Ohnmacht und versinkt so wenigstens eine Zeitlang in Unempfindlichkeit.
Aber die Bewohner der Hölle sind völlig gottlos und es bleibt kein Funken von Gutem in ihnen . Und sie werden von Niemand zurückgehalten, ihre Bosheit aufs äußerste auszuüben. Nicht von Menschen; keiner wird in der Verdmmnis vom Bösen abgehalten durch seine Gefährten; und nicht von Gott, denn Er hat ihrer vergessen und sie den Quälern übergeben. Und die Teufel dürfen nicht befürchten, wie ihre Diener auf Erden, daß die von ihnen Gquälten unter der Qual verscheiden werden. Sie können nicht mehr sterben; sie sind stark, alles auszuhalten, was vereinte Bosheit, List und Stärke der gefallenen Engel ihnen auflegen kann. Ihre teuflischen Quäler haben Zeit genug, mit ihren Qualen auf tausendfältige Art abzuwechseln. Wie unendlich können sie nicht schon eine einzige Qual abändern, z . B. fürchterliche Erscheinungen, womit ein böser Geist ohne Zweifel, wenn er dürfte, die stärksten Menschen auf Erden zu Tode schrecken könnte!
Bedenkt — Zweitens , daß alle diese Qualen des Körpers und der Seele nie aufhören! Sie haben keinen Erlaß der Pein , sondern „der Rauch ihrer Qual steigt auf Tag und Nacht“. Tag und Nacht! d. h., nach de Einrichtung der jetzigen Welt zu reden , worin Gott weislich verordnet hat, daß Tag und Nacht auf einander folgen sollten , so daß in jeden vierundzwanzig Stunden eine Ruhezeit für den arbeitenden Menschen und das müde Vieh eintritt. Daher unterziehen wir uns nicht vieler Arbeit oder erdulden viel Schmerz, bis der müden Natur süßer Arzt, balsamischer Schlaf, unmerklich uns beschleicht und einen Zeitraum der Erleichterung bringt. Aber, obgleich die Verdammten ununterbrochene Nacht haben, so bringt sie gleichwohl keine Unterbrechung der Pein. Kein Schlaf begleitet jene Finsternis. Was auch die alten oder neuern Dichter, Homer oder Milton, davon träumen. Es giebt dort keinen Schlaf, weder in der Hölle noch im Himmel. Und sei ihr Leiden noch so groß, ihre Pein noch so durchdringend, es ist keine Möglichkeit da, daß sie in Ohnmacht fallen könnten; nein , nicht einen Augenblick.
Wiederum – Die Bewohner der Erde finden ihre Aufmerksamkeit oft von ihrer Pein abgelenkt durch das erfreuliche Licht der Sonne , die Veränderung der Jahreszeiten, das geschäftige Gesumse der Menschen und durch tausend Gegenstände , die in endloser Mannigfaltigkeit sie umgeben. Aber die Bewohner der Hölle haben nichts der Art , sie von ihren Qualen abzuleiten; auch nicht einen Augenblick. Gänzliche Finsternis; keine Sonne, kein Mond; kein Wechsel der Jahreszeiten oder der Gesellschaft. Da sind keine Geschäfte; nur eine ununterbrochene Scene des Entsetzens, auf die sie ihre ganze Aufmerksamkeit unausgesetzt richten müssen. Sie haben keinen Zwischenraum der Unaufmerksamkeit oder Stumpfheit; sie sind ganz Auge, ganz Ohr, ganz Gefühl. Jeden Augenblick ihres Daseins kann man sagen, daß sie am ganzen Leibe
„Zittern , lebendig überall ,
Und fühlen Schmerz und Todesangst in jedem Glied!“
Und dieses Dasein hat kein Ende. Welch ein Gedanke ist dies! Nur allein die endlose Ewigkeit ist die Zeit ihrer Qual! Und wer kann die Regentropfen, oder den Sand am Meere, oder die Tage der Ewigkeit zählen ? Jedes Leiden wird leichter, wenn es eine Hoffnung auf Befreiung von demselben giebt, und sei sie auch noch so ferne; aber hieher kommt die Hoffnung nie, die doch alle Bewohner der Oberwelt freundlich besucht . Was? Leiden, die niemals ein Ende haben!? Niemals ! – In welchen tiefen schwarzen Abgrund versinkt die Seele bei diesem furchtbaren Gedanken!! – Angenommen, es vergehen Millionen Tage , Jahre , Zeitalter, und doch sind wir nur an der Schwelle der Ewigkeit! Weder die Pein des Körpers, noch der Seele ist ihrem Ende näher, als sie vor Millionen Jahrhunderten war . Sobald sie in das unauslöschliche Feuer geworfen sind, so bleibt es dabei: „Ihr Wurm stirbt nicht , das Feuer verlöscht nicht!“ –
So lautet die Schilderung, die der Richter aller Menschen von der Bestrafung gibt, welche Er für unbußfertige Sünder verordnet hat. Welch ein Gegengewicht kann die Betrachtung dieser Lehre sein gegen die Heftigkeit von Versuchungen, besonders gegen die Menschenfurcht! Und gerade zu diesem Zwecke wendet es unser Herr Selbst an, wenn Er sagt: „Fürchtet euch nicht vor Denen, die den Leib töten und darnach nichts mehr tun können; fürchtet euch aber vor Dem , der, nachdem Er getötet hat, Macht hat zu werfen in die Hölle; “ Luk . 12, 4. 5 .
Welche Schutzwehr können diese Betrachtungen sein gegen die Versuchungen zu Lustbarkeiten! Wollt ihr für irgend eine jener Vergnügungen, die beim Gebrauch vergehen (abgesehen von den gegenwärtigen hohen Freuden der Religion), die Freuden des Paradieses verlieren ? Freuden, „die kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret hat, und ist auch in keine unserer Herzen gekommen, sie zu begreifen;“ ja , die Freuden des Himmels, die Gesellschaft der Engel und der Geister der vollkommenen Gerechten, das Reden von Angesicht zu Angesicht mit Gott euerm Vater, euern Erlöser, euerm Tröster ; und das Trinken des Freudenstromes, der stets zur rechten Hand Gottes fließt? Habt ihr Versuchungen durch Schmerzen des Leibes oder Gemüts? O, vergleichet Gegenwärtiges mit Zukünftigem! Was ist Pein des Körpers ,die ihr leidet oder leiden könnet, gegen die Pein, in dem feurigen Pfuhl zu liegen, der mit Schwefel brennt? Was ist irgend ein Schmerz des Gemüts ; eine Furcht, Angst , Betrübnis, im Vergleich mit dem Wurm, der nie stirbt? „Der nie stirbt!“ Dies ist sein eigentlicher Stachel. Unsere Leiden auf Erden sind, Gott sei’s gedankt, nicht ewig . Es gibt Zwischenräume der Erleichterung, und es gibt eine Zeit, wo sie aufhören. Wenn wir einen kranken Freund fragen, wie er sich befinde, sagt er wohl „Ich habe jetzt Schmerzen, aber ich hoffe bald besser zu sein.“ Dies ist eine angenehme Besänftigung der jetzigen Unruhe. Aber wie schrecklich würde seine Lage sein, wenn er sagen würde: „Ich bin durch und durch voll Schmerzen, und ich werde sie niemals los werden. Ich liege in de größten Pein des Körpers und Schreckens der Seele, und ich werde sie ewig fühlen!“
Dies ist der Fall mit den in die Hölle verdammte Sündern. Erdulde darum lieber jede Pein, als an den Ort der Qual zu kommen. Ich schließe mit einer Bemerkung von Dr. Watts :
„Es verdient unsere größte Dankbarkeit, daß wir, die schon längst dieses Elend verdient haben, nicht in dasselbe versenkt sind; während Tausende zu diesem Ort der Strafe verurteilt sind, ohne so lange in Sünden verharrt zu haben, wie Viele von uns. Welch ein Beweis der Barmherzigkeit Gottes ist es, daß uns die feurige Rache noch nicht getroffen hat! Haben wir nicht viele Sünder gesehen, die zur Rechten und zur Linken um uns her in ihren Sünden abgehauen wurden? Und was anders als nur die große Barmherzigkeit Gottes hat uns verschont von Woche zu Woche, von Monat zu Monat und hat uns Raum zur Buße gegeben! Was sollen wir dem Herrn geben für alle seine Geduld und Langmut bis auf diesen Tag! Wie oft haben wir das Verdammungsurteil verdient durch unsere wiederholte Widerspenstigkeit gegen Gott! Und dennoch sind wir noch bei Leben vor Ihm und hören die Worte der Hoffnung und des Heils. O laßt uns zurückblicken und schaudern bei dem Gedanken an den schrecklichen Abgrund, an dessen Rande wir so lange gewandelt haben. Laßt uns Zuflucht nehmen zu der angebotenen Hoffnung, und der göttlichen Langmut tausendfachen Dank geben, daß wir nicht in diesen Abgrund geworfen sind!“
Amen.
Quelle:
Sammlung auserlesener Predigten, von Johannes Wesley, S. 134-141. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. Wilhelm Nast. Erster und Zweiter Band, Vierte Auflage. Verlag des Tractathauses, J. Staiger, Bremen 1899.
Sammlung auserlesener Predigten, von Johannes Wesley. Aus dem Engl. übers. von Wilhelm Nast / 1 – Bremen : Verl. des Tractathauses, 1861. – VIII, 304 S. [online lesen]
O Ewigkeit, du machst mir bang!
O ewig, ewig ist zu lang!
Hier gilt fürwahr kein Scherzen!
D’rum wenn ich diese lange Nacht,
zusamt der großen Pein betracht‘,
erschreck‘ ich recht von Herzen.
Nichts ist zu finden weit und breit
so schrecklich, als die Ewigkeit.
Wach auf, o Mensch, von Sündenschlaf,
ermuntre dich, verlornes Schaf,
und bess’re bald dein Leben!
Wach auf, es ist sehr hohe Zeit,
es kommt heran die Ewigkeit,
dir deinen Lohn zu geben.
Vielleicht ist heut’ der letzte Tag;
wer weiß, wie man noch sterben mag?
Wenn mir meine Sünde will
machen heiß die Hölle,
Jesu, mein Gewissen still’,
dich ins Mittel stelle!
Dich und deine Passion
laß mich gläubig fassen;
liebet mich sein lieber Sohn,
wie kann Gott mich hassen?
Liedverse:
Johann von Rist (Ewigkeit, du Donnerwort)
Sigmund von Birken (Jesu, deine Passion)
Ich fürchte, daß nicht eure Sinne verrücket werden von der Einfältigkeit in Christo. (2. Korinther 11, 3)
Diese Furcht ist zu unsern Zeiten sehr nötig. Einfalt auf Christum ist über allen Witz.
Weise: Herr Jesu, Gnadensonne.
1) Von Satans tausend Listen
wird uns der Fall gedroht.
Was dient uns da, ihr Christen?
Die Einfalt ist uns not!
Laßt uns auf Jesum sehen,
kein Auge von ihm drehen,
von ihm nicht bis zum Tod.
2) Ist doch kein anders Leben,
ist doch kein anders Licht,
ist doch sonst kein Vergeben,
sonst keine Gnade nicht.
Kein Weg, zu Gott zu kommen,
kein Hoffen für die Frommen,
kein Retter im Gericht.
3) Was uns vom Leben führet,
führt in den Tod gewiß,
und wer dies Licht verlieret,
tappt in der Finsternis.
Sprecht bei der List der Schlangen:
An Jesu will ich hangen,
Ich weiß sonst nichts als dies.
4) Herr, daß ich Einfalt habe,
den Weltwitz zu verschmäh’n,
Das ist nur deine Gabe,
um diese will ich fleh’n.
O mach durch deine Gnade
mein Auge nur gerade,
Auf dich allein zu seh’n!
5) Da schmerzt mich kein Verlachen,
man heiß‘ mich dumm und blind,
Ich weiß und hoff doch Sachen,
die Engeln wichtig sind.
Darf ich nur Jesum kennen,
darf ich Gott Vater nennen,
So erb ich auch als Kind.
Liedtext: Philipp Friedrich Hiller
»Zwei Ort’, o Mensch, hast du vor dir«, hieß es im alten Gesangbuch. In neuern Zeiten hat man den Teufel totgeschlagen und die Hölle zugedämmt.
»Nie ist aber jemand innerlich fürs Gericht ausgereift, der nicht auf dem Wege zum Gericht die warnende Stimme Gottes gehört hätte.«