Psalm 127, 1 (Luther)

Ein Lied Salomos im Höhern Chor.
Wo der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wo der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.

(Psalm 127, 1)

Dieser Psalm trägt die Überschrift „Ein Lied Salomos“. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß Salomo sein Verfasser ist. Denn wir ersehen aus allen Büchern Salomos, daß er so etwas wie ein Lehrer der Staatskunst (doctor politicus) ist. Er behandelt nicht wie sein Vater David den Hauptartikel des Glaubens von der Rechtfertigung oder von Christus, dem Erben und Nachkommen Davids. Vielmehr erörtert er die Angelegenheiten des Fachgebietes, in dem er bewandert war und in das ihn der Herr einsetzte, nämlich das gesamte staatliche Leben auf den Glauben, und alles, was im Staate oder im Hause unternommen wird, schreibt er der Regierung Gottes zu. Das tut kein anderer Schriftsteller, mag er Philosoph oder Redner gewesen sein. Denn ‚alle übrigen‘ verfertigen zwar Gesetze und entwerfen Grundsätze, nach denen der Staat recht regiert, das Haus gut geleitet werden könnte. Aber vom Erfolg, von der Frucht und vom Ausgang lehren sie überhaupt nichts. Denn sie wissen keine Antwort auf die Frage: Woher soll man den gedeihlichen Fortgang erwarten, damit das, was man richtig beriet und beschloß, auch gelingt? Denn sie kennen nur Inhalt (causa materialis) und Form (causa formalis) des staatlichen und des hauswirtschaftlichen Lebens. Ihren Zweck aber (causa finalis) und ihre Wirkursache (causa efficiens) kennen sie nicht ‚und treffen sie nie‘.

Das heißt: Sie wissen nicht, woher Staats- und Hauswesen kommen und von wem sie erhalten werden. Desgleichen wissen sie nicht, welchen ‚verschiedenen‘ Zielen sie zustreben.

Darum hat Aristoteles in seinen ethischen Schriften und in seiner „Politik“, ebenso Xenophon, Plato, Cicero und andere zwar in glänzender Weise über den Staat geschrieben. Seine wahre Ursache und seinen wahren Zweck berühren sie trotzdem nicht. Sie sind nämlich der Meinung, sein vornehmlichster und eigentümlichster Zweck sei: staatlicher Friede, ehrbares Leben, Ruhm usw. Für die Wirkursache aber halten sie: die einsichtige Persönlichkeit (vir sapiens) oder die kluge Obrigkeit (prudens Magistratus) oder, wie sie selbst sagen, den guten Staatsbürger (vir et civis bonus). Aber wir werden hören, wie Salomo andere und wesentlichere Erörterungen anstellt. Die Philosophen haben nämlich die richtige Begriffe von der Form [der Bestimmung] des staatlichen Handelns, also darüber, wie der Staat zu verwalten sei: daß man in diesem Falle nach dem Zivilrecht (justitia commutativa), in jenem nach dem Strafrecht (justitia distributiva) zu verfahren habe; daß man nach diesem die Missetäter bestrafen und den Unschuldigen zur Freisprechung verhelfen müsse, daß man nach jenem Verträge usw. zu schließen habe.

Diese Ursache [nämlich die Formursache] behandeln sie ausreichend und treffend. Aber das genügt nicht. Denn wenn diese Dinge geordnet sind, muß man nach dem Fortgang fragen. Da sehen wir denn, daß sehr verständige Männer in ‚Verwirrung und‘ heftige Unruhe geraten ‚und sich ereifern‘, wenn sie sehen, wie ihren schönen Plänen der Erfolg versagt bleibt. Denn sie besitzen überaus gerechte und ehrenwerte Gesetze und setzen sich mit höchster Anstrengung dafür ein, daß sie gehalten werden. Aber bei der Frage nach der Wirkursache und dem Ziel bleiben sie hängen. Denn als Zweck bestimmten sie „Ruhm“, „Friede“, „Wohlstand“; aber das trifft nicht immer ein, und häufig geschieht das gerade Gegenteil. Mithin können diese Ergebnisse offensichtlich nicht als Zweck angesprochen werden. Daß aber umgekehrt irgendein anderer, je verbrecherischer und nachlässiger er ist, desto mehr Glück hat, das treibt die Gutgesinnten gar sehr zur Ungeduld. ‚Darüber [über das Glück der Bösen] verwundern wir uns höchstens. Aber wir fragen nicht: warum ist das so? Darum kommt hierbei alles darauf an, zu wissen, warum die Ereignisse sich so abspielen, daß es den Guten meistens äußerst schlecht, umgekehrt den Schlechten äußerst gut geht, wie ja viele liederliche und böse Hausväter in glänzenden Verhältnissen ‚und im Überfluß‘ leben, sehr treffliche Leute dagegen Not leiden ‚und kaum ihr tägliches Brot haben‘.

Es ist also offenbar, daß die Philosophen und die Heiden über den Staat und den Hausstand nicht so zu lehren und ihre Aussagen auf eine so scharf umrissene Formel zu bringen vermögen wie der Heilige Geist.

Denn sie besitzen nur die Vernunft und folgen ihr. Salomo aber hat auch den Heiligen Geist, der ihn über den Zweck und die Ursache der Reiche und des Hauswesens belehrt. Desgleichen besitzt er Vernunft und Erfahrung, weil er sowohl einen Staat wie ein Hauswesen leitete. Deswegen redet er nicht allein aus dem Heiligen Geiste, sondern seine Rede ‚atmet Heiligen Geist und‘ Erfahrung, weil er in gewichtigen Angelegenheiten bewandert war und große Übung in der Behandlung schwieriger Fälle besaß. Es muß uns aber dieser Psalm aus dem Grunde besonders willkommen sein, weil ihn ein Mann verfaßt hat, der in der Staatsführung wie im Hauswesen gleicherweise Hervorragendes leistete. Obwohl der Psalm kurz ist – er umfaßt ja nur sechs Verslein – ist er doch gedrängt voll von einer einzigartigen Lehre. Mit der Form und dem Inhalt des Staats- und des Hauswesens befaßt er sich nicht ernstlich. Denn er sieht: Häuser sind schon da; Staaten sind bereits gegründet und durch Gesetze und obrigkeitliche Personen gesichert; ‚es gibt gute und schlechte Obrigkeiten. Das alles stellt er als vorhanden fest. Gute Gesetze und ehrbare Sitten zu haben, gehört zur Form des Staatslebens. Aber das sind lediglich äußere Dinge‘. Ist denn das aber nicht genug? Keineswegs! Denn zwei Hauptursachen vermißt man bisher. Was nämlich die Formursache betrifft, kann es wohl möglich sein, daß die Gesetze bei den Heiden besser gewesen sind als bei den Juden. Auch ist es durchaus möglich, daß einige Regenten der Heiden trefflicher waren als die, die sich unter dem Volke Gottes befanden. Das räume ich gern ein. Aber das alles stellt ja nur Inhalt und Form dar.

Daher muß man die Obrigkeit und den Hausvater belehren, daß sie‘ dahin gelangen, die grundlegenden Ursachen des Staatswesens und des Hausstandes zu erkennen. Wer gründet den Staat und das Haus? Und: Warum tut er das? Diese Ursachen sehen die Heiden und die Vernunft überhaupt nicht. Die Vernunft ist allein in den Anblick des ‚gegenwärtigen‘ Inhaltes und der ‚gegenwärtigen‘ Form ‚versunken‘, und weil sie die Wirkursache nicht kennt, so unternimmt sie es, die Dinge zu regieren und auszurichten nach dem Zweck, den sie sich in ihrer eigenen Kraft gesetzt hat. Als ob sie selber es wäre, die solche gewaltige Angelegenheiten zu regeln vermöchte! Daher kommt es, daß sie anstößt und irrt. So begann sich Demosthenes einem Staatswesen zu widmen, das er durch Gesetze und Sitten wohlgeordnet vorfand. Deshalb stürzte er sich sozusagen „mit ungewaschenen Händen und Füßen“ [d.h. ohne gehörige Sorgfalt und Vorbereitung] in die Arbeit. Er unternimmt den Versuch, selber die Wirkursache für den athenischen Staat zu werden, d.h. er will ihn nach seinen Plänen regieren, wie eben ein verständiger Mann sich so etwas ‚in den Kopf setzt‘. Zu welchem Zweck? Natürlich, um den öffentlichen Frieden unumstößlich zu sichern, sich und dem Vaterlande ein ruhmreiches und geruhiges Leben zu verschaffen und um alles so hinaus laufen zu lassen, wie er es aus sich heraus klug erdacht und beschlossen hat. Aber weil Gott hochfahrende Pläne haßt, verkehrt er sie in ihr Gegenteil. Also liegt hinsichtlich des Inhaltes und der Form kein Fehler vor, hinsichtlich des Zweckes aber und der Wirkursache erliegt der weise Mann einer Täuschung.

Dasselbe stieß im römischen Staate dem großen Cicero zu, dasselbe dem Julius Caesar. Da sie weder die Wirkursache zu Gesicht bekommen noch den Zweck treffen, kommt es nun dazu, daß sie schreien: es geschehe alles durch Zufall oder Glück, was den eigentlichen Absichten nahezu immer zuwiderlaufe. Weil sie nämlich weder durch Tüchtigkeit noch durch Weisheit, ‚weder durch Schlauheit‘ noch durch Gewissenhaftigkeit den gewünschten Zweck erreichen können; weil sie ferner sehen, daß menschlicher Unverstand und Bosheit den Staaten mehr schaden, als ihnen durch sachgemäße Berechnungen zuweilen geholfen wird, haben sie ein Drittes oder Mittleres sich erdichtet, nämlich das Schicksal (fortuna). Das stelle eine „ungewisse Ursache“ (causa incerta) dar und lasse hier die rechten Beschlüsse glücklich gelingen und verhindere sie dort. So sind sie zu der Behauptung genötigt, die Regierung des Staates sei eine zu gewaltige Angelegenheit, als daß man sie nach menschlichen Ratschlägen und Planungen frei handhaben könne. Denn außer den Plänen der Menschen sei Schicksalsglück erforderlich, das durch Gottes Fügung bald diesem, bald jenem zufiele. Das ist auch der Grund, weswegen die großen Männer unter den Heiden weder vom Hauswesen noch vom Staate fachgemäß lehren konnten.

Daher greift dieser Lehrer nun ein, der einen anderen Geist, nämlich einen mit Erfahrung verbundenen Geist hat, und lehrt das Woher und das Wohin, d.h. welches die eigentliche Wirkursache im Staat und im Hauswesen sei, und welches ihr Zweck. Denn beides meistert er umfassend und lehrt: Jeder, der ein Hauswesen oder einen Staat glücklich regieren will, darf ja nicht sich selber als Hauptursache ansetzten. ‚Damit höre man auf! Sonst holt einen der Teufel, und‘ es kann geschehen, daß man alles umstößt. |Denn so viele Gefahren, so viele Schwierigkeiten, so viele Sorgen stürmen in beiden Ständen (genera vitae) auf einen ein und verwirren derartig den Sinn, daß man, völlig erschöpft und verzweifelt, alles preisgibt, unwillig wird und spricht: ‚„Hol‘ mich der leidige Teufel!‘ Der hat mich geführt und mich in diese Schwierigkeiten Hals über Kopf hineinstürzen lassen“ – und das geschieht ihm ganz recht! Denn warum nimmt er es sich heraus, das beherrschen zu wollen, was über seine Kräfte geht? So sagte Demosthenes, als er im Staatsdienst von mannigfachen Unfällen betroffen worden war, schließlich: „Wenn mir zwei Wege zur Wahl gestellt würden, einer, der zur Regierung des Staates, und ein anderer, der zum Tode (ad inferos) führt, dann will ich eher den betreten, der zum Tode führt, als den anderen“.  So geht es auch im Hauswesen zu. Wer in den Ehestand tritt, verspricht sich vom häuslichen Leben lauter Erfreuliches und Angenehmes. Er meint nämlich, er werde eine sichere Methode befolgen können, die Frau an sich zu gewöhnen, die Kinder zu erziehen und seine Untergebenen (familia) zu leiten. Wenn das jedoch in der Erfahrung ganz anders ausläuft und etwa die Frau widerspenstig wird oder die Kinder undankbar und ungehorsam, die Untergebenen lässig, die Nachbarn beschwerlich und unerträglich werden – denn die Lasten des Ehestandes sind unbegrenzt – , dann wird man unwillig und beginnt, wenn es zu spät ist, mit der Klage: „Hätte ich das gewußt, dann hätte ich niemals geheiratet! Viel angenehmer ist das Leben der Mönche: sie sind solcher Beschwerden ledig usw.“ – Durch solche Äußerungen verwünschen die törichten Menschen ihr eigenes Los. Als ob, wenn du Mönch würdest, du alle Nachteile auf einmal abgeworfen hättest! Ja, selbst wenn du dich im Kloster verbärgest, so wirst du doch nicht von allen Schwierigkeiten entbunden sein. Denn wie du unter dem Himmel und auf der Erde bist, an welchem Orte du dich auch immer aufhalten magst, so mußt du zwangsläufig entweder in einem Haus- oder in einem Staatswesen leben, wo nur immer du schließlich lebst. Es kann nicht anders sein. Deswegen rüste dich, daß du solche Beschwerlichkeiten besiegen, ‚bestehen und‘ bewältigen kannst. Lerne es, sie auf eine andere Ursache zu werfen, die außer dir liegt: sie ist stärker als du! Einzig und allein der Heilige Geist ist da der Lehrer. Er lehrt und ermahnt uns: „Werft euch ganz und gar in den Schoß der göttlichen Majestät und vertraut ihr! In ihrem Namen sollt ihr heiraten, die Familie betreuen, den Staat regieren, Gesetze geben und alles andere verrichten!“ Gelingt das, so ist es gut. Gelingt es nicht, so ist es ebenfalls gut. Denn dahin geht Gottes Wille: hast du einmal auf Gottes Ruf hin den Raum des Staates oder des Hauses betreten, so mußt du doch in ihm unter Anrufung seines Namens aushalten und beharren [und zu Gott sprechen]: „Sei du Hausvater und Oberherr!“‘

Und dies ist die Hauptlehre unseres Psalmes, den die Papisten in allen Kirchen singen und dessen Inhalt sie doch am allerwenigsten verstehen. Denn sie fliehen sowohl das Haus- wie das Staatswesen und sind doch in beiden tief versunken. Denn es gibt keinen größeren Staatsmann und Hausgewaltigen als den Papst. Denn er und die Mönche haben sogar große Herrscher und Fürsten auf das schamloseste tyrannisiert. Durch ihre Beamten (officiales) wurden in den Ehesachen richterliche Entscheidungen gefällt. Besonders durch den Beichtstuhl (confessiones) haben sie das Haus des Einzelnen genau so wie ganze Reiche und leitende Staatsmänner beherrscht. Dadurch aber ist es dahin gekommen, daß durch Menschen, die keine Sachkenntnis besaßen, beide Stände beinahe ausgelöscht wurden. Denn sie predigten nach ihrem Kopfe Träume, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatten. Die, die als Staatsmänner im Staate und als Eheleute in der Ehe lebten, verdammten sie, da sie in „weltlichen“ Ständen (status saeculares) lebten, und erteilten ihnen den Rat, sich vielmehr dem mönchischen Leben zu widmen. ‚Sie sprachen: „Es ist ein schändliches Leben [das du jetzt führst]. Du mußt Mönch werden!“‘ Ähnlich priesen die heidnischen Philosophen als das Köstlichste das Privatleben, d.h. das Leben, wie es sich außerhalb des Staates und der Ehe abspielt, und demgemäß erließen sie gesetzliche Vorschriften, nach denen sie übrigens selbst nicht einmal handelten.

Gegen dies törichte und gottlose Leben der Papisten und Philosophen tröstet uns Gott in der Heiligen Schrift. Aus ihr ersehen wird, daß es niemals einen Heiligen gegeben hat, der nicht im Staatsleben oder im Hauswesen bewandert war. Die bedeutendsten Männer trieb Gott an Fürstenhöfe: Elia, Elisa, Jesaja, Daniel und andere mußten das Hofleben kennen lernen. Ich will schon gar nicht reden von den hochheiligen Königen David, Salomo, Hiskia und anderen. Ja sogar Johannes der Täufer mußte ein Hofmann und ein königlicher Staatsrat (aulicus et Regius consiliarius) werden, wie der Text sagt: „Herodes gehorchte ihm in vielen Sachen und hörte ihn gern“ (Markus 6, 20).  So warf Gott alle seine Heiligen entweder in das Staatsleben oder in den Ehestand hinein ‚und unterwies sie darin‘. Die einzige Ausnahme bildete Christus, der die Weisheit des Vaters war. Der heiratete weder, noch regierte er einen Staat. Denn er mußte etwas Einzigartiges sein vor allen übrigen. Und dennoch ‚verachtete er‘ beide Stände ‚nicht‘, sondern ehrte sie beide: die Ehe (Joh. 2, 1-11) und die Obrigkeit (Matthäus 22, 21).

Das Leben der Mönche ist mithin wahrhaft teuflisch, weil sie sowohl dem häuslichen wie dem staatlichen Leben entfliehen. Und sie handeln damit sogar ganz schlau. Denn wer möchte nicht weit lieber irgendwohin in die Einsamkeit fliehen und ganz für sich leben und dank fremder Mühe sein Leben erhalten, Muße, Frieden, Ruhe, Behaglichkeit und andere Güter genießen und dabei noch für einen Heiligen gelten – als in der Welt sich mit all den erbärmlichen und betrüblichen Sorgen herumschlagen, von denen dies menschliche Leben übervoll ist? Das heißt doch fürwahr: selber ‚das Fett oben abschöpfen und die eigentliche Suppe‘ den anderen übrig lassen, nämlich die schwere Mühe, Kinder zu erziehen, das Hauswesen zu leiten, das Reich zu regieren usw.

Aber infolge solcher Faulheit tragen sie den wohlverdienten Lohn davon: sie sind Leute, die von der Sache nichts verstehen; sie besitzen keinerlei Kenntnis von den menschlichen Verhältnissen, so haben sie denn auch durch Heuchelei und ihre spielerischen Spekulationen die Welt durcheinander gebracht und sowohl die, die ein Hauswesen, wie die die ein Gemeinwesen regierten, verwirrt. Ja, sie trieben es sogar so weit, daß die, die als Eheleute oder Staatsmänner lebten, nur voll Widerwillen das Amt ertrugen, zu dem sie von Gott berufen waren. Denn wenn sich ein Hausvater oder eine obrigkeitliche Person an sie wandte und über die Nachteile des häuslichen und des öffentlichen Lebens klagte, haben sie sie nicht nur nicht getröstet und ermuntert, jene Lasten zu tragen, sondern wie Schwarmgeister sie beredet, das Leben in diesen trefflichen Ständen mit der Möncherei zu vertauschen. So ist es schließlich dahin gekommen, daß sie die Toten mit der Mönchkutte bekleideten und so bestatteten. Sie wußten nicht, daß diese Stände, der Ehestand und die Obrigkeit, von Gott geschaffen und begründet sind. Sie wußten nicht, daß man solche Leute vielmehr zur Standhaftigkeit und Geduld anspornen müßte und sagen:

„Halte fest daran. Gott hat dich in den Ehestand und in das Staatsleben eingesetzt. Gott hat Gefallen an deinem Beruf und Amt (officium). Du darfst deinen Stand nicht verlassen. Sondern, wenn etwas anders kommt, als du wolltest, mußt du die Unannehmlichkeiten um Gottes willen ertragen und alles Gott anheim stellen.“

Damit hätte man recht gelehrt und die Herzen getröstet. Aber das konnte der Papst mit all den Seinen weder vor dieser Zeit tun, noch kann er es heutigen Tages. Und der Grund dafür? Sie stehen außerhalb von Amt und Beruf, außerhalb von Praxis (usus) und Erfahrung (experientia) und denken nur aus Zeitvertreib über so etwas nach, zumal sie auch vom Heiligen Geist im Stich gelassen sind. Salomo aber ist in beidem ‚bewandert‘: er hat sowohl eine umfangreiche Erfahrung auf den Gebieten des staatlichen und häuslichen Lebens als auch den Heiligen Geist. Durch diese Lehrer hat er gelernt: kein Ding kann kraft menschlicher Weisheit regiert werden. Alles wird von Gott gelenkt.

Der Syrer Naeman ‚regierte das syrische Reich nicht nach seinem Kopf‘. Er brachte zum Staatsdienst nicht nur große Weisheit mit, sondern der Text sagt, daß „durch ihn der HERR Heil in Syrien gab“ (2. Könige 5, 1). Das bedeutet: Er hätte mit seiner Weisheit kein Glück gehabt, wenn ihm nicht von Gott Gelingen geschenkt worden wäre. Wird jemand ein bedeutender und guter Fürst, so besitzt er das nicht durch natürliche Begabung, auch nicht durch Erziehung oder Belehrung, sondern es ist Gottes Gabe. Das aber lehren Erfahrung und Praxis hinterher, daß die Dinge sehr häufig anders ausfallen, als man sie im Geiste voraussieht. Dasselbe widerfährt einem Ehemann. Denn wie oft täuschen wir uns mit unseren Berechnungen. Es ist schon wahr, was das Sprichwort sagt: „Der Mensch denkt, Gott lenkt“; und was Salomo sagt Sprüche 16, 9: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein gibt, daß er fortgehe“.  Du stellst bei dir Erwägungen an, wie du dir in deiner Lage helfen willst. Die Ereignisse nehmen einen anderen Verlauf, und mit eben diesen Erwägungen, auf die du dich allein verließest, verdirbst du deine Sache wider Erwarten aller. Ein solcher Fall erzeugt aber ungeheure Ungeduld. Deshalb lerne: Kannst du durch Weisheit und kluge Erwägungen nicht einmal deinen eigenen Körper regieren, wie willst du anderer Menschen Leib und Willen in einem einzigen Hause, einer Stadt, einem Herzogtum, einem Königreich regieren?

Lerne also: wie nach Jeremia „des Menschen Weg nicht in seiner Macht steht“ (Jeremia 10, 23), so ist auch der Leib selbst, den du trägst und in dem du dich bewegst, nicht in deiner Hand.

Das heißt sachgemäß über das staatliche und häusliche Leben lehren, nämlich die Ursache und den Zweck aufzeigen. Diese Lehre ist aber um so notwendiger, weil wir uns alle teils im Staate, teils im Hause befinden. Denn auch wenn du nicht verheiratet bist, so befindest du dich doch notwendigerweise auf irgendeinem Teilgebiet des häuslichen Lebens. Denn entweder bist du Kind oder Untergebener, oder du hast Kinder und Untergebene und wohnst zusammen mit Nachbarn, oder du bist in irgendeiner beruflichen Stellung (conditio) im Hause oder in der menschlichen Gemeinschaft tätig. Du kannst dich aber nicht davor bewahren, daß dich viele Beschwerlichkeiten treffen. Darum muß man lernen, wie man sich in solchen Ständen zu verhalten hat, woher sie stammen und was ihr Zweck sei soll, ‚und muß gen Himmel blicken, wie unser Psalm [tut]‘. Diese Erkenntnis tut jedoch am meisten denen not, die sich in irgendeiner höheren Lebensstellung befinden und entweder den Staat oder das Haus zu leiten haben, damit sie wissen, zu welchem Zweck sie die Leitung auszuüben haben.

Es gehört dieser Psalm darum eigentlich zum Prediger Salomonis. Er weist nicht nur denselben Lehrgehalt, sondern auch fast denselben Wortschatz auf. Im Prediger heißt es: „Ich sah die Eitelkeiten“, daß es weder im Hause noch im Staate voranging, sondern in beiden herrscht Trübsal des Geistes. Darum gibt es nichts Besseres, als in Gott „fröhlich zu sein“ und mit Danksagung die gegenwärtigen „Gaben“ zu genießen, die er spendet, und auszurichten, soviel man vermag. Unser Psalm scheint also eine Art kurzer Inbegriff des wesentlichen Inhaltes seines Buches zu sein, worin er lehrt, welches die Wirkursache der Staatskunst und der Hausführung oder des Staates und der Familie sei und welchem Ziel diese Leitung zustreben muß: wir sind nämlich lediglich Diener und Mitarbeiter Gottes. Wir sind nicht die Wirkursache, sondern die als Werkzeug dienende Ursache (causa instrumentalis), durch die Gott die Welt regiert und solches wirkt und schafft, wie die Weisheit spricht: „Durch mich regieren die Könige und setzen die Ratsherren das Recht“ (Sprüche 8, 15).

So ist der Vater Werkzeug und Mittel der Zeugung, Gott aber ist Quelle und Ursprung des Lebens. So ist die Obrigkeit nur ein Werkzeug, durch das Gott Frieden und Recht aufrecht erhält. Mann und Frau im Hause sind Werkzeuge, durch die Haus und Vermögen wächst. Dies zu wissen ist sehr tröstlich. Denn wenn die Dinge unglücklich auslaufen und wir nicht zu dem vorgesetzten Ziel gelangen, können wir sagen: „Ich bin lediglich ein Werkzeug, und diese Dinge sind nicht in meiner Hand, sondern werden von einer anderen, größeren Macht und Weisheit gelenkt“.

Stirbt daher die Frau, sterben die Kinder, ‚verdirbt das Getreide‘, wird der Friede gestört, geschieht sonst irgendein Unglück, so sprich: „Diese Dinge stehen nicht in meiner Hand. ‚Ich kann sie nicht erhalten‘.  Ich bin ein Werkzeug. Was ich überhaupt vermag, tue ich: ich arbeite, sorge, erteile Befehle und stehe auf der Macht. Du, Herr, in dessen Hand all dies liegt, gibt Gelingen! Sonst ist alles Beginnen und Arbeiten umsonst“.

Denn wenn die Erstursache (causa prima) fehlt, erreicht die Zweitursache (causa secunda) durch sich selbst nichts. So lehrt der Psalm von der Wirkursache.

In gleicher Weise lehrt er von dem Zweck. Man soll erkennen, daß alles Gottes Gabe ist und nichts zu unserem Frieden und Wohlbehagen oder zu unserer Ehre dient, sondern alles zur Ehre und Anbetung Gottes. Wir sollen sagen: „Dies hat der Herr getan, er gab dies glückliche Ende, ihm sei Lob und Ehre in Ewigkeit! Ich bin nur ein Werkzeug. Es ist seine Gabe (donum) und nicht mein Werk (opus). Das Feld muß ich bestellen, ich darf Werkzeug sein. Aber daß ‚das Getreide wächst und‘ die Fürchte reifen, das beruht auf Gottes Gabe, nicht auf meiner Arbeit.“ Denn wäre es unser Werk, würden niemals die Staaten durch Überschwemmungen, Hitze, Regengüsse und andere Wetterschäden verderben. So wird es in der Ehe erst dann offenbar, daß Kinder Gottes Gabe sind, wenn die Frau nicht gebiert. Die Erkenntnis dieser Ursachen ist für den Christen notwendig.

Darum wollen wir nunmehr den Psalm selber hören.

I. Wo der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen (Vers 1a)

Es sind großartige Worte – ‚kurz, aber kostbar‘ -, mit denen er unsere Arbeit in Bausch und Bogen verdammt, daß nicht sie die Wirkursache für die Erfolge sei, um deretwillen sie in Angriff genommen wird. Lies dir aber daraufhin die Geschichte aller Völker durch: die heilige Geschichte, die griechische, die römische, die Geschichte aller anderen fremden Völker, und du wirst sehen, daß Gott vielen dies gab ‚und zuließ‘, daß sie in löblicher Weise Staat und Haus zu ordnen begannen. Aber weil das Gelingen ausblieb, entfiel ihnen der Mut, und zuweilen erfuhren sie für die höchste Anstrengung um das Staatswohl die äußerste Undankbarkeit. Wieviel bedeutende Staatsmänner sind in Athen, wie viele in Sparte, wie viele in Rom von den undankbaren Bürgern verurteilt und geächtet worden! Das geht so weit, daß es das allgemeine Geschick aller derer ist, die im privaten und öffentlichen Leben rechtschaffen handeln und sich mit hohem Eifern den Obliegenheiten widmen möchten, daß sie, durch Neid und Hinterlist anderer gehindert, das nicht zustande bringen können, was sie in Angriff nehmen. Denn Satan erregt so viele Hindernisse, so viele Widersacher, so gewaltigen Haß und so verschiedenartige Intrigen gegen die tüchtigen Männer, daß sie entweder, von Ungeduld überwältigt, die Sorge um den Staat von sich werfen ‚und sprechen: „Ich will’s gehen lassen, wie es geht, weil niemand folgen will.“‘ Oder aber, ‚wenn es nicht nach ihrem tollen Kopf geht‘, wüten sie, ‚wie Herzog Georg‘, aus Entrüstung grausam gegen diejenigen, die sich, wie sie sehen, ihnen entgegenstemmen. Und so sündigen sie entweder durch Verzweiflung, da sie alles von sich werfen, oder durch Vermessenheit, daß sie sich auf Biegen und Brechen durchsetzen wollen. Diese Männer beginnen zwar mit einem löblichen Ansatz und haben Freude an ihren Plänen. ‚Sie wollen es sehr gut machen‘, sehen sie aber den Erfolg ausbleiben, so folgt entweder Raserei oder Verzweiflung.

Daher sollen wir es lernen, auf dem Mittelwege vorzurücken, und, wenn Gott uns zur Leitung einer Familie berufen hat, sagen: „Herr, Du hast Weib, Haus und Kind gegeben; die will ich kraft deiner Autorität regieren. Ich will also tun, was ich vermag, damit alles so richtig, wie nur möglich, regiert wird. Wenn nicht alles so gelingt, wie ich will, will ich schreiben ‚Geduld‘ – nach dem bekannten Sprichwort der Mönche: Laß gehen, wie es geht, es will doch nicht anders gehen, als es geht!‘ Wenn es aber nach Wunsch gelingt, will ich sagen: ‚Gott sei gedankt! Herr, es ist nicht mein Werk, nicht meine Arbeit, sondern deine Gabe.’“

Dasselbe soll der tun, der zum Staatsdienst berufen wurde, bei dessen Ausübung wegen der großen Mühen und Beschwerden dieser fromme Rat noch weit mehr zu beherzigen ist. Wessen Herz aber so unterwiesen ist, der kann die Ehe, ebenso die Regierung des Staates mit Frieden genießen. Er bleibt still, friedlichen und ruhigen Herzens; selbst wenn höchste Gefahren drohen. Das tun jene Draufgänger und Dickschädel nicht, die einfach sagen: „So will ich es! So befehle ich es! ‚Es soll unter allen Umständen durchgeführt werden, was ich mir in den Kopf gesetzt habe!’“ Tritt danach das Gegenteil ein, so wollen sie das Unheil nicht mit Geduld überwinden. Vielmehr bringen sie entweder in unsinniger Raserei Staat und Haus in Verwirrung, oder sie behaupten, sie könnten solche Mühen und Schwierigkeiten nicht ertragen, und scheiden aus ihrem Amte aus. ‚Daraus wird gar kein Regiment, – wie hier in Wittenberg!‘ Daraus entsteht Anarchie: man läßt alles dahintreiben, jedermann darf nach eigenem Gutdünken handeln; man hält weder durch Gesetze noch durch Strafen die Willkür der bösen Elemente in Zaum. Darin besteht der Plan des Satans: wenn man nicht einmal einen Finger breit von seinen Plänen abweichen will, soll durch solche Schwierigkeit, die in beiden Ständen aufbricht, alles entweder in Anarchie oder in Tyrannei versinken. Niemand aber rückt auf dem Mittelwege vor.

Daher lehre und ermahne ich oftmals: man soll den Eintritt in ein staatliches Amt oder in die Ehe mit Anrufung Gottes und Gebet beginnen. Wer heiraten will, muß vor allem ernsthaft zu Gott rufen und ihn um Hilfe anflehen, daß er ihm eine tüchtige Frau gebe und hernach das gesamte Leben regiere. Geschieht das nämlich nicht, dann heiratet einer in der Hoffnung, er werde ein solches Leben bekommen, wie es sich die junge Liebe erträumt. Später, wenn sich in der Erfahrung die Sache anders entwickelt, daß entweder der Frau ein Gebrechen anhaftet oder sich eine andere Beschwerlichkeit erhebt, dann wird er entweder „ein Löwe in seinem Hause“, wie Sirach sagt (Sir. 4,35), und es reut ihn sein Handeln. Oder aber er vernachlässigt sein Haus, er selbst geht diesen, die Frau jenen Weg, und vergeudet alles. Hatte er sich doch gedacht, alles werde aufs schönste gelingen! Beim Eintritt des Gegenteils wird er aufgebracht und macht dafür die Ehe verantwortlich, aber zu Unrecht. Denn es ist deine Schuld, nicht die des Hauswesens. Dein Unverstand trägt die Schuld, weil du die Wirkursache des Hausstandes sein willst. Das ist dir nicht gestattet, und du solltest die Rolle des Werkzeuges (causa instrumentalis) übernehmen. Darum unterwirf dich lieber einem anderen Meister und sprich: „Mein Herr, lehre du mich, stehe du mir bei, daß ich nicht anstoße. Denn ich will leisten, soviel an mir ist: glückt es, so will ich es als deine Gabe anerkennen und dir Dank sage; glückt es nicht, so will ich es mit Gleichmut tragen. Denn du bist die Erstursache. Ich bin nur die Zweitursache. Du bist der Schöpfer und Allwirkende (factotum), ich bin lediglich ein Werkzeug.“ Wenn wir in dieser Haltung regierten, würde sich alles recht gestalten. Jetzt aber – ob du auf die Obrigkeit oder auf Jungverheiratete schaust – wirst du die höchste Überheblichkeit erblicken: denn sie richten alles so ein, als sei ein anderer Ausgang unmöglich als der, an den sie selber denken. Sie schreiten einher, als seien sie die Erstursache und die Wirkursache, und sie bestimmen Zweck und Ziel nach dem Maße ihres Ehr- und Lustbedürfnisses. Aber Gott spricht: „Entweder handelst du so nicht! Oder du wirst straucheln!“ Und mit Recht, denn sie sind Gottesräuber und Gotteslästerer, weil sie sich in das eindrängen, was der Erstursache gehört. Denn wenn ‚der Leisten den Schuster belehren will, wie er den Schuh machen muß, oder‘ die Feder den Schreiber, wie er die Buchstaben zu malen habe, oder die Axt den Zimmermann, wie er den Baum fällen soll – so kommt dabei nichts Rechtes heraus. Vollkommen dasselbe geschieht hier, wenn wir in Dingen regieren wollen, die allein Gott zustehen. Es kommt euch aber zustatten, daß ihr die Beispiele für solche Torheit betrachtet, die alle Fürstenhöfe, alle Städte und fast jedes Haus in Hülle und Fülle darbieten. Denn alle stolzieren so einher: „Ich bin der Urheber und Meister dieses Hauswesens, dieses Staatswesens usw.“ Mit Recht werden sie daher unruhig und aufgebracht darüber, daß nicht alles gelingt. Darnach suchen sie sich für ihren Jammer zu rächen, und enthüllen sich durchweg als solche Leute, bei denen man nicht die geringste Spur von Menschlichkeit und weder Rat noch Tat findet. Vielmehr herrscht entweder Anarchie oder Tyrannei, und in keinem von beiden ist rechtes Handeln möglich. Denn beide sind schädlich. So geht es in der Ehe: wenn weder der Mann der Frau noch die Frau dem Manne etwas nachsehen will, ‚und Mann und Frau regieren wollen, hebt ein Raufen und Schlagen an, und es‘ zerbricht nicht nur die eheliche Eintracht, sondern es kommt außerdem hinzu, daß entweder sich der Mann in einen Tyrannen verwandelt oder alles verkommen läßt.

Was ist da zu tun? Der Papst antwortet mit der Auskunft: „Verlaß das staatliche Leben und flieh irgendwohin in die Einsamkeit oder in ein Kloster!“ „Nein!“ sagt der Heilige Geist, „das ist nicht Gottes, sondern des Teufels Rat! Handle vielmehr so: bedenke, daß du ein Werkzeug bist, und glaube, es sei immer noch ein anderer Oberherr (‚principalis politicus‘) und ein anderer oberster Hausherr da, der den Namen trägt HERR: Wenn der nicht die erste und vornehmste Ursache ist (principalis causa), dann wird das eintreten, was unser Psalm sagt: Das Haus wird nie erbaut, und weder Staat noch Hauswesen gedeihen.“ So steht es auch mit dem Zweck: wenn du alles zu dem sicheren, von dir vorher bestimmten Ende bringen willst in der Meinung, deine Berechnungen täuschten sich nie, so irrst du. So lehrt denn die Erfahrung: da tritt einer in den Staatsdienst, um seine Macht und sein Ansehen zu steigern, und – das Gegenteil geschieht! Ein anderer erhofft vom Eheleben Vergnügung, ‚Ruhe und Behaglichkeit‘. Er sucht sich ein hübsches, junges Mädchen, das lenksam ist, zur Frau, aber – das Gegenteil kommt dabei heraus! Das geschieht dir ganz recht! Denn warum betrittst du das Gebiet des staatlichen und des häuslichen Lebens, als seiest du ein Gott, und meinst, deine du ein Gott, und meinst, deine Weisheit und deine Macht reiche zur Führung dieser Dinge vollkommen aus, und es sei nicht nötig, bisweilen die Augen zu dem emporzuheben, der droben ist, und seinen Beistand zu erflehen? Erst wenn du später das Gegenteil erfährst, lernst du diesen Psalm singen: „Wo der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.“ Vorher nämlich meintest du, es gäbe keinen anderen Herrn außer dir, dessen man zur Leitung des Hauswesens bedürfe. Andere, die zu dieser Erkenntnis nicht gelangen, ‚sondern meinen: „wenn ich eine Frau hätte [die mir gefällt], so wäre es damit doch genug!“, die‘ führen ‚schon nach Ablauf eines Jahres‘ entweder täglich Krieg mit ihrer Frau, ‚raufen und schlagen sich mit ihr‘ oder verlassen sie und machen sich davon. Recht so! Recht so! So gehört es sich! Dahin muß es kommen! Denn warum bist du, obwohl du Kot bist, wie ein Gott hineintriumphiert? Und hast jene himmlische und übernatürliche Regierung mit natürlichen Gedanken (naturali affectu) in die Hand genommen? Du hast es verdient, zu scheitern. Warum sprichst du denn nicht lieber: „Herr, du gabst mir die Frau, die Kinder, die Untergebenen. Steh mir mit deiner Macht bei! Regiere du, sonst wird all mein Unterfangen vergebens sein usw.“ Weil aber einerseits die Heilige Schrift uns dies lehrt, daß ohne göttlichen Beistand alles vergeblich ist, was wir unternehmen, und andererseits die Erfahrung mit ihr darin übereinstimmt, so sollten wir deswegen solches lernen.

„So arbeiten umsonst, die daran bauen“, sagt ‚Salomo und lügt damit nicht‘. Der Grund für die Vergeblichkeit liegt darin, daß die Menschen entweder Tyrannen werden, oder aber in Verzweiflung geraten und ihr Amt verlassen. Dann geht sowohl der Staat wie das Haus zugrunde. Was ist das aber für eine Verrücktheit, so zu regieren daß darüber die Familie oder du selber zugrunde gehst? Nein, wir sollen uns lieber in die Regel einlassen, die hier der Heilige Geist lehrt, auf daß beides bleibt, du und deine Familie. Das geschieht aber nicht dadurch, daß du Mönch wirst, sondern daß du Gott als grundlegende Ursache und als wahres Familienoberhaupt anzuerkennen lernst, daß du ihn anrufst, ihm vertraust und sprichst: „Du, Herr, hast mich dazu geschaffen, daß ich Hausvater sei. Du gabst mir, was zum Hause gehört. Aber die Last ist zu groß, als daß ich sie bewältigen könnte. Tritt du darum an meine Stelle, denn ich will dir demütig weichen, und sei du Hausherr.“ Dann wird Gott dich erhören und sprechen: „Ich will es tun. Nur mußt du dich darauf rüsten, mit Geduld zu überwinden, wenn die Dinge nicht ganz nach deinem Sinne laufen. Du brauchst weder zu verzweifeln noch deinen Stand zu verlassen, zu dem ich dich berief, und Mönch zu werden. Denn weil du mich anrufst und das, was ich dir gab, als mein Geschenk anerkennst, deswegen will ich gern dich und die Deinen erhalten. Treffen dich trotzdem Beschwernisse, mußt du sie etwas ertragen und deswegen nicht [gleich] befürchten, alles bräche zusammen. Wessen Haus war erbärmlicher als Davids Haus? Und dennoch blieb es bestehen, bis Christus aus ihm geboren wurde. Daher vertraue auch du mir als dem Schöpfer und Regierer das alles an, wenn es so aussieht, als mangele etwas.“

So lehrt dieser Vers hauptsächlich vom Hausstand. Merkt euch seinen wesentlichen Gehalt, der mit den Worten „ARBEITEN UMSONST“ ausgedrückt wird. Als Ergebnis wird sich nämlich entweder Tyrannei oder Anarchie herausstellen, und entweder wird man das Amt im Stich lassen, oder man wird sich überheben und scheitern. In beiden Fällen aber entsteht großer Schade und Gefahr. Denn entweder richtet mach sich selbst zugrunde oder man verliert das Seine, weil man ohne den Herrn arbeiten will, d.h. weil man die Dinge nach seiner eigenen Weisheit regieren und selber die vornehmste Ursache sein will. Deswegen scheitern Cicero, Julius, Caesar und andere höchst einsichtige Männer. Wäre alles glücklich ausgelaufen, wären sie jedoch vielleicht in Tyrannei gestürzt. Denn bei großem Erfolge bleibt fast niemals die Tyrannei aus.

Was die Grammatik anlangt, wißt ihr meines Erachtens, daß „Bauen“ an dieser Stelle nicht bedeuten kann „einen Haufen Holz und Steine aufführen“, sondern es bezeichnet die Gesamtheit aller Tätigkeiten, die es mit dem Hauswesen (corpus oeconomiae) zu tun haben, also: es regieren und führen, heiraten, für Nachwuchs sorgen, Besitz erwerben, ‚ein Handwerk und einen Beruf ausüben und, was sonst noch dazu gehört‘. Mithin bedeutet „Gebäude“ ein wohlgeordnetes Hauswesen mit trefflichen und fruchtbaren Eltern, die in gutem Frieden leben und gehorsame Kinder haben, aus denen [dereinst] wackre Jungen und tüchtige Männer werden. Solch ein Haus, wohl „erbaut“ aus Eltern, Kindern und Gesinde, soll man fürwahr ein herrliches Geschenk Gottes nennen. Anderenfalls lebt man wirklich so, daß, selbst wenn der Hausvater noch so viele gute Vorschriften macht, niemand da ist, der ihm gehorcht. Das ist ein baufälliges Haus.

So bedeutet „arbeiten“ soviel wie: „sich abquälen“ und mit eigener Kraft, Einsicht und Willen alles regieren wollen, so daß nirgends etwas fehlt, die Untergebenen überall eifrig ihre Pflicht tun und das Hauswesen an keinem Teil Schaden nimmt, usw. Dies alles so selbst ins Werk setzen wollen, sagt unser Vers, heißt „umsonst arbeiten“ und zuletzt alles ‚vor Verzweiflung‘ wegwerfen. Wie mußt du es denn da anfangen, daß du nicht umsonst arbeitest? Folgendermaßen: du mußt alles tun, was du überhaupt nach Plan und Kräften zu tun vermagst; danach mußt du alles Gott anheim stellen und ihm vertrauen, der dich doch zum Ehemann machte, der dir deine Frau gab und deine Kinder und dein Haus. Wenn alles glückt, danke Gott für seine Gaben. Wenn es aber böse ausläuft, so besiege durch Geduld das Übel, und denke, daß Gott dich versucht, ob du ihn für den rechten Hausvater hältst, in dessen Hand das Gelingen steht, oder aber, ob du dir und deinen Entschlüssen das zuschreibst. Darin besteht also die Lehre des Heiligen Geistes: es kann weder ein Haus gebaut, noch eine Stadt behütet ‚oder erhalten‘ werden durch Anstrengung, Einsicht, Macht oder Kraft von Menschen.

Aber dies alles wird vergeblich gepredigt, und in Wirklichkeit erzählt man „einem Tauben die Fabel“. Denn die Welt handelt auf ihre Art und Weise wie einer, dessen Ohren und Augen verschlossen sind. Sie tut nämlich das vollkommene Gegenteil von dieser Lehre. Darum wird diese ‚Gottes-Verheißung (oraculum ‚divinum‘)zur Unterweisung der wenigen gesungen, welche fromm sind und an Christus glauben. Die lassen sich die Unterweisung gefallen. Der übriges Haufe hascht nach den gegenwärtigen Dingen. ‚Diese Leute‘ meinen, daß solche Angelegenheiten ihre eigenen seien, und daß sie sie durch ihre Macht und Weisheit regieren könnten. Daher kommt es auch, daß sie davon nichts haben als lauter Verderben, vergebliche Sorge und ständigen Kummer. ‚Mag man es singen und malen, daß diese Sache auf Erfahrung beruht, es nützt alles nichts.* Obwohl sie es erfahren, ‚sehen‘ und hören, werden sie doch nicht klug.

Wie er oben die häuslichen Angelegenheiten oder, wie wir sagen, die Ehe oder das Hauswesen mit dem Worte „Haus“ bezeichnete, so nennt er hier den Staat, es handle sich nun um ein Königreich, ein Herzogtum, ein städtisches Gemeinwesen oder sonst irgendein größeres oder kleineres staatliches Gebilde – „Stadt“. Obwohl aber diese Dinge dem Fleische nach in unserer Gewalt zu stehen scheinen, so sind sie in Wirklichkeit doch unserem Zugriff entzogen und befinden sich weit außerhalb unserer Zuständigkeit (longe supra nos sunt posita). Und ein gottesfürchtiges Herz soll sich unterweisen lassen, daß es sich bei dieser Regierung, sie geschehe im Hause oder in der Öffentlichkeit, als ein Werkzeug Gottes weiß. Darum soll es voll Ehrfurcht ‚zu einem andern Regenten‘ aufblicken und die feste Gewißheit haben, daß sich alles kraft seiner Regierung vollziehen wird, hoch über das hinaus, was wir zu denken und ‚und zu sagen‘ vermöchten (vgl. Eph. 3,20). Wer das nicht glauben will, wird als hier in Aussicht gestellte Belohnung ‚das Urteil‘ erhalten: daß nämlich alle Versuche, Pläne, Bemühungen und alle Arbeiten umsonst sind.

Er sagt aber ausdrücklich: „Wo der Herr nicht die Stadt BEHÜTET“. Er sagt nicht „baut“, wie er oben vom Hause sagte. Denn wenn daheim die häusliche Regierung wohlgeordnet ist, dann wird es auch um den Staat gut stehen. Denn das Hauswesen oder die Ehe ist die Quelle des Staates. Wenn nämlich Vater und Mutter, Mann und Frau, die den Nachwuchs erzeugen und erziehen, nicht vorhanden wären, könnte der Staat nicht bestehen. Aus dem Hause erwächst also die Stadt, die nichts weiter ist als die Gesamtheit vieler Häuser und Familien. Aus den Städten entsteht ein Herzogtum, aus Herzogtümern ein Königreich, das alle diese in sich vereinigt. Die Quelle aller dieser Gebilde ist das Hauswesen, das Gott im Paradiese geschaffen hat, da er sprach: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei“ (1. Mose 1, 28) und: „Seid fruchtbar und mehret euch“ (1. Mose 1, 28). Darum lehrt Salomo in unserem Psalm nicht, wie Staaten zu gründen und Gesetze zu erlassen seien. Denn diese sind schon zuvor in der Natur vorhanden. Auch sind sie nicht geboren oder zutage gefördert von den Rechtsgelehrten, sondern geboren aus der Quelle der menschlichen Vernunft und aus göttlicher Weisheit. Denn nicht das Recht hat Weisheit und Witz der Menschen hervorgebracht, sondern umgekehrt: menschliche Weisheit und Vernunft haben Recht und Gesetze erzeugt, genau so wie alle anderen menschlichen Künste, die wir ausüben, aus menschlicher Genialität (humanum ingenium) oder aus der Vernunft geboren worden sind. Wie aber der Schöpfer eher da ist als die Schöpfung, so ist auch die Vernunft eher da als die Künste. Der Mathematiker (Geometer) ist eher da als die Mathematik (Geometria) und gleichsam der Vater der Mathematik. Und nicht das Recht hat gerechte Gemeinwesen erzeugt, sondern gerechte Menschen haben das Recht erzeugt. Salomo disputiert daher als Theologe nicht über Gesetze, die zu erlassen, ‚oder über Künste, die zu erfinden‘ seien, oder über Dinge die erst eingerichtet werden müßten. Denn dies ist von Gott im Paradiese gewissermaßen der Natur eingepflanzt worden. Denn so sagt der Text: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde“ (1. Mose 1,27). Darnach gibt er die Auslegung des Begriffes „Bild Gottes“ mit den Worten: „Herrschet über die Fische im Meere usw.“ (1. Mose 1, 28). Dieser Text zeigt deutlich: dem Menschen sind von Gott eingepflanzt das Recht und die Kenntnis der Dinge, das Wissen vom Ackerbau, die Heilkunde und alle übrigen Künste. Danach haben, wie wir sehen, geistvolle ‚und scharfsinnige‘ Männer das, was sie von Natur besaßen und durch Übung und sorgfältiges Nachdenken schärfer herausarbeiteten, in Büchern niedergelegt. Das sind ganz offensichtlich Kräfte, die im Paradiese mit der menschlichen Weisheit zugleich geschaffen und ihr eingepflanzt wurden. Darum kümmert sich der Heilige Geist nicht um diese Dinge, sondern er erkennt solche Gesetze und solche Kunstfertigkeiten an als den schönsten und edelsten Schatz dieses Lebens und spricht: „Dies alles sind meine Geschöpfe.“ Darnach will er unsere blinde und gefallene Natur aufrichten und vom fleischlichen Selbstvertrauen fortrufen, daß wir nicht etwas versuchen oder uns vornehmen, was über unsere Kraft geht. Denn durch Adams Fall ist die Natur so verderbt, daß sie nicht sieht, daß Gottes Gaben wirklich Gaben sind. Ein Rechtsgelehrter oder ein anderer Staatsmann meint vielmehr, er habe alles aus sich selber. Er blickt nicht empor und verherrlicht nicht Gott als den Spender aller solcher Gaben, sondern spricht: „Das habe ich getan“ (Haec ego feci). Aus diesem „Ich hab’s getan“ wird wahrer Wahn. Denn kaum sind Staaten und Häuser gegründet, Gesetze und Künste durch Gottes Anordnung mit dem Menschen zugleich geschaffen, da mißbraucht die Natur sie dadurch, daß sie spricht: „Ich will es machen! Ich will regieren und will jene Gaben zu dem Zwecke schlürfen, daß ich darin mein Vergnügen suche, meine Ehre, mein Wohlergehen, ‚meinen Vorteil‘.“ Durch solche Überheblichkeit wird Gott aufs schwerste beleidigt. Darum gibt er keinen Erfolg. Und das verdientermaßen! Denn gleichwie er die Sonne schuf, daß du ihrer genießest, nicht daß du sie nach deinem Gutdünken regierest, so gab er den Acker, daß du ihn bebauest, nicht daß er nach deinem Willen Frucht bringe, was und wie viel du wolltest, sondern was und wie viel er selber gebe. So gab er den Staat, die Vernunft, die Frau, die Untergebenen und alles Übrige. Aber darin besteht das ständige Gebrechen der Natur: durch Adams Sünde ist sie so verderbt, daß sie die Gaben Gottes als solche nicht anerkennt. Von der Gabe sollte sie mit Danksagung sprechen: „Ich habe sie empfangen.“ Aber hochmütig und gotteslästerlich spricht sie: „Das habe ich getan“. Sie sollte sagen: „Dies und das hat mir der Herr, mein Gott, gegeben und erhält es“. Aber sie sagt: „Dies und das habe ich, der Mensch, hervorgebracht und will es nach meiner Weisheit regieren!“

Daher ist das Wörtchen HERR im ersten und zweiten Verse mit Nachdruck (cum Epitasi) so zu lesen, daß es den Gegensatz (Antithesis) aufzeigt: „Wo der Herr nicht baut, nicht behütet usw.“ „Der Herr“ heißt es, nicht „der Mensch“ oder „wir“. Denn nicht wir sind es, die Kinder zeugen, Frau und Untergebene regieren, sondern der Herr. So bestätigt es auch der Text 1. Mose 2, 19: „Der Herr brachte sie [die Tiere] zu dem Menschen, daß er sähe, wie er sie nennte“ usw.  Adam gab zwar allen Geschöpfen ihren Namen und empfing die Herrschaft über sie, aber er empfing sie von Gott. Er schuf sie weder, noch brachte er sie herbei, sondern, nachdem sie geschaffen und herbeigeführt waren, gab er ihnen ihre Namen und wurde zum Herrn über sie eingesetzt, so jedoch, daß er selber von einem höheren Herrn regiert werden sollte. Genau so sagt unser Psalm: Der Herr ist es, der das Haus baut, der Frau und Kinder, Essen und Trinken gibt, der die Stadt behütet, öffentlichen Frieden schenkt, die Gesetze bewahrt usw. Daher muß man die Worte „WO DER HERR NICHT“ mit ganz großen Buchstaben schreiben, weil die menschliche Natur aufs heftigste gegen sie streitet, und das kraft Adams Fehltritt, der sich dahin auswirkt, daß wir alles, was wir von Gott empfingen, uns selber zuschreiben, und alles, was Gott zuzuerteilen ist, an uns reißen, als gehörte es uns. Und auch der Stan reizt unsere Natur, die schon von sich aus dahin neigt, noch mehr dazu auf. Daher kommt es, daß wir so unglücklich sind und niemals ruhig bleiben. Denn wenn es ohne dies Gebrechen der Selbstüberhebung abginge, hätten wir mehr Ruhe und Glück. Dann spräche Gott: „Du hältst mich für den Schöpfer und Geber, darum will ich dich segnen“. Weil wir aber das nicht tun, deswegen überschüttet er uns mit den mannigfaltigsten Plagereien und Unglücksfällen, läßt den Teufel auf uns los und öffnet gewissermaßen die Hölle, so daß im Hauswesen Verwirrung, m Staate Krieg und Blutvergießen entfacht wird. Weil wir ihn nämlich nicht hören wollen, wenn er uns durch sein Wort mahnt, will er uns durch Unfälle und Strafen lehren, damit wir nach der Weise der Phrygier durch ‚Kolbenschläge klug zu werden beginnen und begreifen, daß nicht wir die Herren über diese Dinge sind. So sang Cicero schließlich seinen Schwanengesang: „Weh mir, daß ich niemals weise war und doch eine Zeitlang grundlos für etwas, was ich nicht war, gehalten wurde! Weh dir, römisches Volk, daß dich deine Meinung über mich so betrog!“

Denn er regierte den römischen Staat durch seine Ratschläge so, daß ihm am Ende der Kopf abgeschlagen wurde. Das ist unser eigenes Gebrechen und nicht das des Schöpfers. Es stammt aus der Erst- und Ursünde Adams (primum et originale peccatum Adae) und besteht darin, daß wir die Gaben und die Regierung Gottes nicht anerkennen, sondern alles ohne Gottesfurcht treiben im Vertrauen auf unsere eigenen Kräfte. So gibt er im Hauswesen einem übermütigen jungen Mann eine hübsche Frau, die entweder zur Ehebrecherin wird oder sich zu keinem häuslichen Ding eignet und eine ständige Last für ihren Mann bedeutet. Dasselbe trifft im Staatsleben die Fürsten, daß sie sich durch keinerlei Rat dem Gewirr der Gefahren entwinden können. Das geschieht ihnen recht: denn warum wollen sie Gott nicht als Spender ansehen, sondern selber die Bauherren sein? Die Welt hört das freilich, und trotzdem kümmert sie sich nicht darum und glaubt es nicht.

Daher wird dies allein den Frommen gesagt:

„Wo der Herr nicht die Stadt behütet, wacht der Wächter umsonst.“

Als wollte unser Psalm sagen: „Der Herr ist Wächter; fehlt er, so wird aus allem, was man im Staate unternimmt, Unglück“. Als ich in Erfurt studierte, hörte ich, wie dies Wort des Martin Sangerhaufen, eines kundigen Mannes, oft angeführt wurde: Erfurt werde unbesiegt bleiben, was seinen Reichtum und seine Befestigungen anlange, aber es werde der mächtigen und wohlhabenden Stadt an Männern fehlen. Das war ein sehr weises Wort, durch das er bezeugte, daß Staaten sich nicht durch Reichtum und Macht halten könnten, wenn kundige Regenten fehlten. Mögen daher die Leute ‚noch drei Wälle‘ bauen und, wenn möglich, die Städte mit eisernen Mauern befestigen, mögen sie Berge von Gold anhäufen – das ist alles vergeblich ohne einen Regenten. ‚“Schafft uns Leute! Das fehlt uns!„ [so ruft alles].‘ Darum wolle Gott das zuerst geben, daß die Bürger tüchtig sind; danach, daß die Regenten auch tüchtige und erfahrene Männer sind, desgleichen daß die Fürsten solche Männer sind, die Gotte fürchten und ehren. Das sind die wirklich massiven Befestigungen der Reiche und Städte. Sind die erst von Gott geschenkt, dann kann man sich auch über Mauern und Wälle Gedanken machen. Aber weil das nicht geschieht, deswegen stürzen König- und Kaiserreiche dahin, eins nach dem andern. Und ich persönlich bin völlig der Meinung: die Königreiche (Monarchiae) hätten länger Bestand gehabt, wenn die Herrscher (Monarchae) dies eine Fürwort ICH hätten fallen lassen, d.h. wenn sie sich nicht im Vertrauen auf ihre eigene Macht und Weisheit überhoben hätten. Als Nebukadnezar, der König von Babylon, im Vertrauen auf seine eigenen Kräfte, die aufgeblasenen Worte sprach: „Ich habe das alles gemacht“, mußte er sieben Jahre lang wie ein Tier Gras fressen und auf dem Felde umherirren. So ist das Reich der Perser, ‚das Reich Alexanders des Großen‘, das Reich der Römer um der Vermessenheit willen zerstört worden. Kaum sangen sie „Ich habe es getan“, so folgte bald die andere Melodie: „Ich bin zugrunde gegangen.“ Schau dir rund herum alle Königreiche, alle Fürsten und alle Städte an: so oft sie zu ihren Unternehmungen die Worte hinzufügten: „Das habe ich getan“, brachen sie zusammen. Denn durch solchen Übermut schließen sie Gott wie einen Dummkopf aus und setzen sich selber an seine Stelle. Daher kommt es, daß unsere Pläne, unsere Macht und unsere Kräfte Fehlschläge erleiden. So würde es uns heutzutage nicht an Mauern, nicht an anderen Befestigungen fehlen, wenn es nicht an Männern fehlte. Daran ist jetzt schon sehr großer Mangel, und die an der Spitze stehen, können das gegenwärtige Glück nicht tragen, sondern sie überschreiten alle Maße der Macht und der Machtmittel; sie setzen ihr Vertrauen auf Befestigungen, in deren Besitzt sie sind, als ob es für Gott schwierig sei, selbst eiserne Mauern zu zerbrechen, Berge von Gold ‚zu zerschmelzen und das Korn verderben zu lassen‘.

Aber das sage ich nicht deswegen, um etwa sagen zu wollen: Städte brauchte man nicht zu befestigen, es brauchte kein vorbereitender Schutz gegen Gewalt durchgeführt, es brauchten keine Gesetze erlassen zu werden, und die öffentliche Zucht müßte man beseitigen. Wir behaupten: das soll und muß ordnungsgemäß geschehen. Wir verdammen nicht die Rechtsgelehrten, wir verdammen nicht die Soldaten, sondern jenen Zusatz (additamentum), den sie daran anflicken, – den verdammen wir, daß sie sich nämlich auf die Stirn malen: „ICH“. Diesen Zusatz will Gott nicht ertragen und kann Gott nicht ertragen, er darf ihn auch nicht ertragen. Weil die Welt ihn aber nicht preisgeben will, deswegen bricht ein Königreich nach dem andern, ein Fürst nach dem andern, ein Staat nach dem andern zusammen. So rühmt sich Sanherib bei Jesaja, seine Hand sei gegen alle Götter unüberwindlich. ‚Darum spricht Jesaja zu Hiskia über Sanherib: „Hast du nicht gehört, was für ein Herr ich bin, daß ich’s kommen lasse, das feste Städte zerstört werden zu Steinhaufen?“ (Jes. 37, 26ff.) Es folgt darum jene berüchtigte Niederlage, durch die er überwältigt wird (Jes. 36, 20; 37,36). Von Cyrus aber sagt der Text (Jes. 45, 1): „Ich habe seine Hand ergriffen, daß ich ihm auftue eiserne Tore“. ‚Ja, er tut’s, man mache eiserne Mauern und tiefe Wassergräben.‘ Denn es ist keine Gewalt so groß, keine Befestigung so stark, daß Gott sie nicht erobern könnte. Wie schwierig ist es wohl nach deiner Meinung für ihn, die mächtige Republik Venedig ‚zu erobern‘: sie in äußerste Armut geraten zu lassen, entweder durch Krieg, oder durch Hungersnot, oder durch Pestzeit, oder dadurch, daß er das Meer austrocknet? Darum müssen vorbeugende Schutzmaßnahmen getroffen werden: man muß Häuser bauen, muß heirate, muß Kinder großziehen, muß das Hauswesen einrichten usw. Das alles verdammt der Heilige Geist keineswegs. Aber er will, daß wir ja nicht die Ursünde hinzufügen. Darum halte die Kreatur in acht und gebrauche sie nur. Beseitige aber dein Urgebrechen (vitium originis), mit dem du Gott beleidigst. Frau, Kinder, Untergebene, Gesetze, Geld und Gut sind Geschöpfe. Es sind treffliche Dinge und wahre Gottesgeschenke, deren Gebrauch Gott uns gestattet. Aber du fügst zu diesem allen deine Ursünde hinzu und willst sie nach deiner Weisheit regieren. Du verachtest darüber Gott und rufst ihn nicht an, glaubst ihm auch nicht, der sie dir doch gewährt hat. Du willst einfach in der Vermessenheit einherstolzieren: „Ich bin es, der diese Dinge regiert.“ ‚Gott vergilt dir‘ nach Verdienst, da dir Frau und Kinder und Untergebene ungehorsam werden. Wohl bekomm’s Euch, Herr Regent (domine Rector), der Ihr solches regieren wolltet, ohne Gott zuvor zu grüßen!

Genau dasselbe geschieht in der Ausübung der Staatskunst. Darum spricht der Psalm: „Wo der Herr nicht die Stadt behütet“ usw.  Man muß hier das Wort „Herr“ auffassen als Hinweis der Beziehung (praedicamentum Relationis), der den Gegensatz zu unserer Ursünde und unserer Überheblichkeit herausstellen soll, als wollte er fragen: „Ich freilich behaupte, die Stadt werde [nur] zu ihrem eigenen Schaden behütet, wenn nicht der Herr Wächterdienste tut“. Aber da ist ein anderer Herr, der diese Dinge beherrschen will, nämlich unsere eigene Weisheit und Vermessenheit, die Gott verachtet und es sich herausnimmt, so gewaltige Dinge unter Ausschluß des Herrn zu regieren. Und es kommt zuweilen sogar vor, daß solch Unterfangen gelingt. Aber wenn Gott den Gottlosen Erfolg gibt, äußert sich darin sein doppelter Zorn. Denn das ist ein Ärgernis (scandalum), das sowohl die Frommen angreift, wie unzählige andere in die Hoffnung verstrickt, dasselbe durchzusetzen. So machen sie sich an die Sache heran, werden aber zuschanden. So gründete Augustus einen wohlgeordneten Staat und entging wenigstens für seine Person jenen tragischen Schicksalsschlägen (tragici casus), die Könige treffen. Was aber die häuslichen Verhältnisse anlangt, war er todunglücklich. Seinem Beispiel zufolge greifen nach ihm andere nach der Regierungsgewalt, in der Meinung, sich in gleicher Weise hervortun zu können. Aber sieh: wie wenigen glückt es, so daß jenes Wort Juvenals nur allzu wahr ist:

„Wenige Könige sind’s, die Meuchelmördern entrinnen,
Selten findest du auch Tyrannen ohn‘ blutiges Ende.“

Ich erwähne das aber deswegen, damit wir lernen: nicht wir sind die Lenker solcher erhabenen Angelegenheiten – der Staatskunst und des Hauswesens – noch viel weniger allerdings der Kirche, wo alles unendlich viel größer und schwieriger ist.

„Hüten“ bedeutet: erhalten. Er sagt aber hier nicht, wie ich bereits oben bemerkte, wie man Gesetze geben soll. Denn weil diese die Vernunft erlassen kann, setzt er sie im Staatsleben als vorhanden voraus. Aber er ermahnt und unterweist die Obrigkeit, Gott anzurufen und mit Gottesfurcht ihre Obliegenheiten zu verwalten: wo die Pläne nicht gelingen, soll man empfinden, Gott ‚verhindere sie‘, um den Übermut zu bändigen, auf daß man nicht auf eigene Weisheit und Macht vertraue. Denn wenn alles gelänge, wäre das ein Einfallstor für unbegrenztes Unglück. Jetzt aber, wo die Weisheit sich täuscht und die Macht zu keinem Ergebnis gelangt, lernt man durch eigene Erfahrung, daß ein anderer Herr anzurufen und dem Staate überzuordnen sei, der Beistand leiste und regiere und dem weislich Erdachten zum Erfolge verhelfe, damit man seine Zuflucht zum Gebet nehme und spreche: „Herr, steh uns bei und regiere du selbst usw.“ Darnach soll man wissen, daß man eine reiche Verheißung hat, Gott wolle auf solches Anrufen hin erhören und helfen. Der kleine Satzteil „Wo der Herr nicht behütet“ ist also ‚nicht gegen die Frommen‘ gerichtet, ‚vielmehr gegen die, welche Gott nicht anrufen, sondern selber durch eigene Weisheit und eigene Kraft das Haus erbauen und die Stadt behüten wollen. Denen sagt er, daß sie vergeblich arbeiten und wachen. ‚Er wird behüten, regieren und erhalten.‘

Als Wächter bezeichnet er den König, den Fürsten, die Obrigkeit. Denn mit einem kleinen Wörtchen umspannt er die größten und gewaltigsten Dinge, die es in der Welt gibt. Gott ist nämlich ein großer Herr, der über eine glanzvolle Redeweise verfügt und mit kümmerlichen, schwächlichen Worten Dinge, die für uns sehr gewichtig sind, ausdrückt. Darum nennt er die Könige und die Fürsten „Wächter“, die zur Regierung von Staaten eingesetzt sind. Aber sie „wachen umsonst“, wenn der Herr ihnen selbst nicht beisteht. Dann kommen sie durch ihre Arbeit und ihren Schweiß nicht dorthin, wohin sie wollen, sondern wenn der Herr fern ist, haben sie nichts anderes davon, als daß sie sich umsonst kreuzigen und geißeln. Das nennt der Prophet mit seinen Worten „umsonst arbeiten“.

So sah ich (als ich noch ein junger Mensch war) Leute, die sich Tag und Nacht ständig mit Arbeiten abmühten, und trotzdem sprang dabei nicht soviel heraus, daß sie ihr Leben davon fristen konnten. Sie ließen sich keine freie Zeit zur Erholung, keine Zeit zum Spiel, und trotzdem lebten sie kläglich mit Frau und Kindern. Andere wohlhabendere Hausväter, die sie nun sahen und ihr Mißgeschick beklagten, gaben ihnen zu verstehen, sie würden durch solche Arbeitsweise niemals reich werden; man müsse mit Geschicklichkeit und Regsamkeit (industria) an die Arbeit gehen; daran sei zum Gewinn eines auskömmlichen Lebens mehr gelegen als an der Arbeit als solcher. Denn ein Hausvater, in welchem nur ein wenig solcher Rührigkeit und Geschicklichkeit steckt, kann mit einem Gulden mehr anfangen als ein anderer mit zwei. ‚Er kann sich fein dareinschicken, das Zukünftige bedenken, den rechten Zeitpunkt abpassen, wenn man etwa Holz kaufen muß, und alles mit Überlegung ausrichten.‘ Von Natur ist es nämlich so eingerichtet, daß ‚Geschicklichkeit die Arbeit besser vonstatten gehen läßt‘. Aber jene Leute selbst, die den Notleidenden diesen guten Rat gaben, sahen nicht, daß auch Geschicklichkeit eine Gabe Gottes ist, und daß sie von Gott dem Menschen geschenkt wird. So liegt es beispielsweise offen zutage, daß eine Frau, die Erfahrung in der Hauswirtschaft und Geschicklichkeit besitzt, ein ganzes Jahr lang sich und ihre Familie mit demselben Kostenaufwand erhält, mit dem andere, nicht so geschickte, kaum ein halbes Jahr auskommen würden.

Deswegen aber liegt so viel an der Geschicklichkeit, weil sie auf Personen, Orte und Zeiten achtet und nichts Unbesonnenes unternimmt. Wer das im Hauswesen oder im Staatsleben nicht beachtet, wird sich notwendigerweise oftmals täuschen. Es ist deswegen nicht verwunderlich, wenn selbst ein großer Besitz nicht ausreicht für einen Mann, der in Geldsachen locker und nachlässig ist und dabei [bei Kauf und Verkauf] weder auf die günstige Zeit noch auf die günstige Gelegenheit achtet. Jene also gaben, wie gesagt, diesen Rat, zur Arbeit müsse Geschicklichkeit hinzukommen, weil Arbeit ohne Geschicklichkeit kein Gedeihen gibt.

Salomo aber redet fachgemäßer und gibt als eigentliche Ursache nicht die Geschicklichkeit, sondern den Herrn an. Denn eben das ist Gottes Gabe: durch Geschick und Umsicht einen Staat so zu verwalten oder irgend etwas so in Angriff zu nehmen, daß man sich nicht Hals über Kopf in etwas hineinstürzt, sondern immer die günstige Gelegenheit abwartet. Eine solche Begabung (ingenium) hatte der hochlöbliche Kurfürst, Herzog Friedrich von Sachsen. Er war ein wahrhaft geschickter und gewandter Mann. Er sagte nicht alles und tat nicht alles, was er im Augenblick hätte sagen und tun können. Sondern er wartete die passende Zeit, die geeigneten Personen, die günstige Gelegenheit und den Vorteil ab. ‚Durch ein Exempel, das er statuierte, versetzte er den ganzen Adel in Schrecken.‘ Er ließ sich inzwischen in vielem nichts anmerken, aber zur rechten Zeit und am rechten Orte erzielte er durch ein einziges Wort größere Wirkungen, als viele andere ohne diese Geschicklichkeit mit Macht und größtem Kraftaufwand. Das sind die geschickten Männer: sie haben die Fähigkeit, sich nicht anmerken zu lassen, scharf zu beobachten und den günstigen Zeitpunkt abzupassen, wo ein Wort besser zuschlägt und trifft, als zu anderer Zeit viele Schwerter dreinschlagen würden. Das ist aber eine menschliche und keine göttliche Weisheit. Darum reicht sie nicht aus zur Durchführung großer Unternehmungen. Sondern man muß außerdem beten, der Herr wolle Beistand leisten und die Wache übernehmen, sonst dürfe man vergeblich wachen, selbst bei noch so großer Geschicklichkeit. So hat sich selbst Herzog Friedrich, der doch sehr weise war, in vielen Dingen, die er nicht zu verhüten vermochte, getäuscht, ‚und seine Vorsätze sind ihm oft zerbrochen‘. Solche Dinge haben ihn oftmals auch tief bewegt. Denn vielleicht besaß er in der Anfangszeit seiner Regierung noch nicht die Weisheit, aus der heraus er sprechen konnte: „Herr, steh mir bei und hilf mir bei meiner Arbeit!“ Denn die Mönche, die damals den Sinn der Fürsten eingenommen ‚und verführt‘ hatten, vermochten derartiges nicht zu lehren. Nachdem er aber aus dieser unserer Lehre gelernt hatte, die Obrigkeit sei von Gott eingesetzt, schöpfte er daraus eine wundersame Freudigkeit.

Heutzutage wissen und hören das unsere Leute und stolzieren dennoch gemäß der Ursünde und nach ihren Leidenschaften und selbstgesteckten Zielen einher. Es wird darum einmal passieren, daß sie sich so in ihre eigenen Pläne verwickeln, daß sie sich nicht mehr aus ihnen herauswinden können. Ihre Sünde ist aber um so größer, als sie eben diese göttliche Weisheit, von der sie täglich hören, so hochmütig verachten. ‚Sie sind ja so klug geworden! Müßten sie den Staat nach unserer Lehrer regieren, so wäre es für sie eine Unehre. Niemand denkt: „Ach, Herr, hilf!“ Sondern nur: „Ich, ich will’s!“ Deswegen ist in der Welt soviel Jammer und Not.‘ Denn dazu ist solch Licht gegeben, daß die Menschen es erkennen und dadurch besser werden. Aber sie werden schlechter und doppelt anmaßend. Es kommt darum einmal der Augenblick, da sie mit gar schwerer Strafe ihre Vermessenheit werden abbüßen müssen, wie der Text droht: „UMSONST macht er“. Das bedeutet: Er quält sich und andere umsonst. Weil sie nämlich alles nach ihrem eigenen Kopf und Plan durchführen wollen und Gott nicht um Hilfe bitten, deswegen wüten und toben sie, wenn es nicht gelingt. Sie wissen, daß sie Regenten und als solche in das Amt eingesetzt sind, deswegen meinen sie, alle müßten vor ihnen erschauern, und sie bestehen auf der Durchsetzung ihrer Absichten, daß sie schließlich darüber zu Fall kommen. So unterweist uns unser Psalm hinsichtlich der Hauptursache (principalis causa), durch die alle Pläne und Amtsgeschäfte regiert werden, und er hindert uns daran, die Ursachen durcheinander zu werfen und aus der Erstursache [prima causa = Gott] eine Zweitursache [secunda causa = der Mensch] oder überhaupt ein Nichts [nulla causa, eine Kein-Ursache = 0] zu machen. Sonst, sagt er, wird es geschehen, daß aus der Zweitursache eine Kein-Ursache wird. Denn Gott hat die Welt nicht geschaffen und sich alsdann entfernt, wie ein Philosoph seinen Standpunkt richtig bezeichnet. Auch hat er die Ehe und den Staat nicht so geschaffen, wie ein Baumeister ein Schiff: hat der sein Werk vollendet, so geht er von dannen und überläßt das Schiff dem Schiffsmann zum Steuern. Sondern Gott bleibt bei seiner Kreatur und regiert sowohl das Staatswesen wie den Hausstand. Das wissen die Menschen nicht und wähnen, Gott kümmere sich nicht um das, was wir treiben, sondern überlasse uns das alles. Entgegen diesem falschen Wahne unterweist uns Salomo, daß wir Gott fürchten, ‚in seinem Namen den Anfang machen‘ und lernen sollen, ruhigen Herzens zu regieren. Wir sollen Gott anrufen und sprechen: „Herr, du hast mich zum Ehemann bestellt. Steh mir darum bei! Denn wenn ich den Wagen allein lenken sollte, wird er so im Schlamm versinken, daß man ihn nicht mehr herausziehen kann“.

Ebenso mahnt der Psalm, wir sollten uns hinsichtlich unserer Weisheit, unserer Macht, unserer Sicherungen (munitiones) und unseres Reichtums ja nicht überheben. Denn die Geschichte ist voller abschreckender Beispiele, und besonders bezeugt es unsere tägliche Erfahrung, daß Vermessenheit ins Unglück führt – und trotzdem bleibt die Welt Welt und glaubt nicht. Darum nützt diese Lehre allein den Gottesfürchtigen. Die Welt aber mag, wenn sie schon nicht hören und gehorchen will, sich ruhig in die Haare geraten (in se collidi), bis sie erfährt, daß sie vergeblich wache, vergeblich arbeite und sich in ihren Bemühungen aufreibe. So ist es nur recht und billig! Dahin muß es kommen! Denn hier steht geschrieben:

Wo der Herr nicht…

Das werfen sie beiseite. Deswegen wirft Gott gleichfalls ihr eigenes Wachen und Bauen beiseite. Und übrig bleibt lediglich das

UMSONST.

(Martin Luther)

Quelle:


Übersicht Psalmen

Diese Schriftstelle ist der Tagesvers vom 1. Mai 2025

Eingestellt am 1. Mai 2025