Ew’ge Liebe! mein Gemüthe (Rambach, Geistliche Lieder #19)

Von der ewigen Gnadenwahl.

1. Ew’ge Liebe! Mein Gemüthe
Waget einen kühnen Blick
In den Abgrund deiner Güte;
Send‘ ihm einen Blick zurück,
Einen Blick voll Heiterkeit,
Der die Finsterniß zerstreut,
Die mein blödes Auge drücket,
Wenn es nach dem Lichte blicket.

2. Ich verehre dich, o Liebe!
Daß du dich beweget hast,
Und aus einem reinen Triebe
Den erwünschten Schluß gefaßt:
Der im Fluch versenkten Welt
Durch ein theures Lösegeld,
Und des eignen Sohnes Sterben
Gnad‘ und Freiheit zu erwerben.

3. O ein Rathschluß voll Erbarmen,
Voller Huld und Freundlichkeit!
Der solch einer Welt voll Armen
Gnade, Trost und Hilfe beut!
Liebe, die den Sohn nicht schont,
Der in ihrem Schoße wohnt,
Um zu retten die Rebellen
Aus dem Pfuhl der tiefen Höllen.

4. Doch du hast, o weise Liebe!
Eine Ordnung auch bestimmt,
Daß sich der darinnen übe,
Der am Segen Antheil nimmt.
Wer nur an den Mittler gläubt
Und ihm treu ergeben bleibt,
Der soll nicht verloren gehen,
Sondern Heil und Leben sehen.

5. Diesen Glauben anzuzünden,
Der ein Werk des Himmels heißt,
Lässest du dich willig finden,
Deinen theuern guten Geist
Denen, die gebeuget stehn,
Und ihr Unvermögen sehn
Und zum Thron der Gnaden eilen,
Gern und willig mitzutheilen.

6. Wo du nun vorhergesehen,
Daß ein Mensch auf dieser Erd‘
Deinem Geist nicht widerstehen,
Noch sein Werk verhindern werd‘,
Sondern ohne Heuchelschein
Werd‘ im Glauben feste sein:
Diesen hast du auserwählet
Und den Deinen zugezählet.

7. Du hast Niemand zum Verderben
Ohne Grund in Bann gethan;
Die in ihren Sünden sterben,
Die sind selber Schuld daran.
Wer nicht glaubt an deinen Sohn,
Der hat Fluch und Tod zum Lohn;
Sein muthwillig Widerstreben
Schleußt ihn aus vom Heil und Leben.

8. Liebe, dir sei Lob gesungen
Für den höchst gerechten Schluß,
Den die Schaar verklärter Zungen
Rühmen und bewundern muß;
Den der Glaub‘ in Demuth ehrt,
Die Vernunft erstaunet hört,
Und umsonst sich unterwindet,
Wie sie dessen Tief‘ ergründet.

9. Liebe, laß mich dahin streben,
Meiner Wahl gewiß zu sein;
Richte selbst mein ganzes Leben
So nach deinem Willen ein,
Daß des Glaubens Frucht und Kraft,
Den dein Geist in mir geschafft,
Mir zum Zeugnis dienen möge,
Daß ich auf dem Himmelswege.

10. Laß mich meinen Namen schauen
In dem Buch des Lebens stehn;
Denn so werd ich ohne Grauen
Selbst dem Tod entgegengehn.
Keine Kreatur wird mich,
Deinen Liebling, ewiglich
Deiner Hand entreißen können,
Noch von deiner Liebe trennen.

Liedtext: Johann Jakob Rambach (1693-1735)
Melodie: Zion klagt mit Angst“, „Freu dich sehr, o meine Seele
1551, Louis Bourgeois, Genfer Psalter (Psalm 42)

Quelle:

Lied Nr. 19, in: D. Joh. Jac. Rambach’s geistliche Lieder. Vollständig gesammelt und nebst einem Abriß seines Lebens unverändert herausgegeben von Dr. phil. Julius Leopold Pasig, Nachmittagsprediger an der Universitätskirche zu Leipzig und Mitglied der historisch=theologischen Gesellschaft daselbst. Leipzig, Verlag von Gebhardt und Reisland, 1844. [S. 21f.; Digitalisat]

Weblinks und Verweise

Liedeintrag bei Hymnary.org

Melodieseite (Genfer Psalter/GENEVAN 42, Bourgeois, externer Link zu Hymnary.org)

Choraleintrag „Zion klagt mit Angst und Schmerzen“ bei Bach Cantatas Website

Notensatz, 4stimmig, ohne Liedtext (pdf-Datei, Genevan Psalter, 1551, externer Link zu ccel.org) und Audiofiles (midi-, mp3-Dateiformat, externe Links zu Hymnary.org)

Lied Nr. 289, in: Gesangbuch für die evangelische Kirche in Württemberg, Schmuckausgabe, S. 3o6f. (Verlagskontor des evangelischen Gesangbuchs, Stuttgart 1912, 7 Strophen)

Lied Nr. 386, in: Evangelisch-Lutherisches Gesangbuch. Herausgegeben von der Evang.=Lutherischen Synode von Wisconsin und anderen Staaten. Erschienen im Verlag von Georg Brumder, Milwaukee/Wisconsin, 1872.
[Digitalisat, externer Link zu Hymnary.org]

Freu‘ dich sehr, o meine Seele (Chorale No 29)
Tune by: Louis Bourgeois – Harmonized by: J. S. Bach

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Eingestellt am 29. Oktober 2025