Gottes Zorn. Jüngstes Gericht.
1) Zorntag, schrecklichster der Tage,
Der Propheten erste Sage,
Füllst die Welt mit Angst und Klage!
2) Welch ein Zittern, welch ein Schrecken,
Wenn, was Finsternisse decken,
Einst der Richter wird entdecken!
3) Die Posaune wird erschallen,
Sprengen aller Gräber Hallen,
Die alsdann in Staub zerfallen.
4) Alles Tote hebt mit Beben
Sich empor zu neuem Leben,
Antwort vor Gericht zu geben.
5) Wird das Sündbuch aufgeschlagen,
Die Verbrecher anzuklagen
Aus den allerält’sten Tagen,
6) Dann erscheinet vor’m Gerichte
Freveltat in grellem Lichte;
Wehe jedem Bösewichte!
7) König, furchtbar hoch erhaben,
Brunnquell aller Gnadengaben,
Dein Erbarmen laß mich laben!
8) Treuer Jesu, wollst bedenken,
Daß du kamst, mir Heil zu schenken,
Vom Verderben abzulenken.
9) Suchtest mich auf rauhen Wegen,
Litt’st das Kreuz um meinetwegen,
Ach, es werde mir zum Segen!
10) Richter der gerechten Rache,
Schenke Nachsicht meiner Sache,
Eh‘ ich zum Gericht erwache!
11) Schuldbewußtsein drückt mich nieder,
Angst durchzittert meine Glieder;
Gott, ach Gott, erquick mich wieder!
12) Sünder durften zu dir kommen,
Wurden liebreich aufgenommen,
Laß auch mich denn hoffend kommen!
13) Wenn die Bösen ohn‘ Verschonen
Herbe Flammenpein wird lohnen,
Laß mich bei den Sel’gen wohnen!
14) Allen Jammer von mir wende,
Nimm mich auf in deine Hände,
Mach es wohl mit mir am Ende!
Quelle:
Lied Nr. 21, in: Sprüche und Lieder zur Vorbereitung für die Confirmation auf der Grundlage des kirchlichen Taufbekenntnisses, zusammengestellt von Gustav Friedrich Wilhelm Suckow, evangelischem Pfarrer und Doctor der Philosophie. Als Anhang: der kleine lutherische Katechismus nebst dem Hauptstück von der Beichte und einige kleine Gebethe.
Breslau, in Commission bei Josef Mar und Comp., 1846.
[Digitalisat]
Über dieses Lied.
Das Dies irae dies illa des Franziskanermönchs Thomas von Celano um 1250, das erhabenste und vollendetste Product der lateinischen Kirchenpoesie. Neu verdeutscht 1858. Es giebt von diesem weltberühmten, wunderbaren „Gigantenhymnus“, der wie eine Posaune des jüngsten Gerichtes ertönt und jedes fühlende Herz erschüttern muß, mehr als 70 zum Theil vortreffliche deutsche (sowie auch mehrere englische) Uebersetzungen, von denen Dr. Lisco in einer besondern Schrift über das Dies irae 40 mittheilt.
Die gelungensten sind die von A. W. v. Schlegel („Jenen Tag, den Tag des Zoren“), von Bunsen („Tag des Zorns, o Tag voll Grauen“), von Knapp (zwei Bearbeitungen), von Daniel („Tag des Zorns, du Tag der Fülle“), von Königsfeld („An dem Zorntag, jenem hehren“) von J. P. Lange („Jener Tag des Zorns, der Tage“), von Toestrup („Zorntag, schrecklichster der Tage“) ferner von Herder, Fr. v. Meyer, A. L .Follen, Wessenberg, Harms und Döring. Die Wahl zwischen diesen wurde mir so schwer, daß ich zwei neue Uebersetzungen versuchte, von denen ich die eine hier nicht ohne Schüchternbeit mittheile, in dem vollen Bewußtsein, daß keine Uebersetzung den majestätischen Posaunenschall des lateinischen Originals und die ergreifende Musik seiner Vocalassonanzen, z. B. des doppelten u in V. 2, des o und u in V. 3, des a und i in V. 9 erreichen kann. Es hat auch zu den herrlichsten musikalischen Compositionen eines Palestrina, Pergolese, Haydn, Cherubini, Weber und Mozart (in seinem herrlichen Requiem, an dem er starb) Veranlassung gegeben und den Grundton zu mehreren der besten deutschen und englischen Lieder über das Weltgericht geliefert. Außer größeren Sammlungen, wie Knapp’s Liederschatz, dem Berliner Liederschatz und Lange’s Kirchenliederbuch hat auch das N. Würt. Gsgb. eine (ursprünglich meist von Knapp herrührende) treue Uebersetzung des Dies irae („Jenen Tag, den Tag der Wehen“) aufgenommen, ebenso Knapp in s. Ev. Gsgb. von 1855 („An dem Zorntag, an dem hohen“), und Stip im „Unverf. Liedersegen“ S. 567 (die Würt. Uebers. mit unwesentlichen Veränderungen). Mit diesen Vorgängen wird man die Einführung dieses Liedes auf deutsch- amerik. Boden entschuldigen, auch wenn es wegen der Unbekanntschaft mit der Melodie bloß zur Privaterbauung dienen sollte.
Aus: Deutsches Gesangbuch. Eine Auswahl geistlicher Lieder aus allen Zeiten der christlichen Kirche. Nach den besten hymnologischen Quellen bearbeitet und mit erläuternden Bemerkungen über die Verfasser, den Inhalt und die Geschichte der Lieder versehen von Philipp Schaff, Doctor und Professor der Theologie. Probe=Ausgabe. Stereotypiert und gedruckt bei King & Baird, No. 607 Sansom-Str. / Philadelphia: Lindsay und Blakiston. Schäfer & Koradi. Berlin: Wiegandt & Grieben. 1859. [Digitalisat]
Schriftstellen
Denn Gottes Zorn vom Himmel wird offenbart über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten. (Römer 1, 18)
Du aber nach deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufest dir selbst den Zorn auf den Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes; (Römer 2, 5)
Ungnade und Zorn, Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun. Preis aber und Ehre und Friede allen denen, die da Gutes tun. (Römer 2, 9.10)
Euch aber, die ihr Trübsal leidet, Ruhe mit uns, wenn nun der HERR Jesus wird offenbart werden vom Himmel samt den Engeln seiner Kraft und mit Feuerflammen, Rache zu geben über die, so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht gehorsam sind dem Evangelium unsers HERRN Jesu Christi, welche werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesichte des HERRN und von seiner herrlichen Macht, wenn er kommen wird, daß er herrlich erscheine mit seinen Heiligen. (2. Thessalonicher 1, 7-10)
Weblinks und Verweise
Dies irae. The Great Judgement Hymn (Rev. Duncan Morrison: The Great Hymns of the Church)
Siehe auch die Liedfassung: „Jenen Tag, den Tag der Wehen“
No. 2, in: Württembergisches Choralbuch, Dritte, durchgesehene Auflage. Stuttgart, im Verlag der J.B. Metzler’schen Buchhandlung (1876) [Seite 5; Digitalisat (pdf)]
Choralsatz, 4stimmig (Württ. 1844, im pdf-Format)
Gewaltiges steht uns bevor (P. Wilhelm Busch)