Die Mystik – Vorwort

In der Unzahl der Endzeitverführungen kommen wir nicht umhin, uns auch einmal mit einem Thema zu beschäftigen, das scheinbar nur für einen ganz bestimmten Personenkreis zu einer ensten Gefahr werden kann: der eigenartige Hang zur mystischen Frömmigkeit. Nichts gegen persönliche Frömmigkeitsstile; sie können bereichernd und befruchtend sein, wenn Sie dem biblisch-apostolischen Zeugnis nicht widersprechen und nicht die Merkmale eines andersartigen Evangeliums haben, vor dem ja der Apostel Paulus in Galater 1, 8 und 9 oder Kolosser 2, 18 spricht und warnt. Darum unser Thema:

„Die Mystik, ein faszinierender Irrweg“.

In einer verhältnismäßig kurzen und auf das Wesentliche beschränkten Übersicht Allgemeingültiges über einen so vielschichtigen und komplizierten Sachverhalt, wie ihn die Mystik darstellt, auszusagen, kann über das Fragmentarische kaum hinausgehen. Wenn ich dennoch einen bescheidenen Deutungsversuch wage, dann nur deshalb, weil ich mich in meiner charismatischen Entwicklungsphase im positiven Sinn mit dem Anliegen der Mystiker beschäftigt hatte.

Daß die Mystik überhaupt in das christliche Denken eindringen und tiefere Wurzeln schlagen konnte, hat Religionsphilosophen und Kirchenhistoriker immer wieder bewegt und zu mancherlei Deutungen und Ansichten veranlaßt. Wie mir scheint, ist dieses Geschehen aber ein untrügliches Indiz für den Rückfall des Christentums in den religiösen Urzustand der bestehenden Hoch- und Niederreligionen der Völkerwelt, für die die Elemente der Mystik, beziehungsweise das mystische Erleben, von jeher präsent waren und die doch gerade vom Christentum überwunden werden sollten.

Durch den Rückfall in die Mystik wurde der Christusglaube, der seine Wurzeln in der Selbstoffenbarung Gottes hat – Gott offenbarte sich dem Menschen von oben nach unten -wieder zur Religion, d. h. es begann ein Neues „Hinaufmühen“ von unten nach oben.

Die Mystikexpertin Evelyn Underhill hat in ihrem Standardwerk: „Mystik, eine Studie über die Natur und Entwicklung des religiösen Bewußtseins im Menschen“ eine durchaus zutreffende Definition über die Mystik gegeben:

„Ganz allgemein gesagt, verstehe ich darunter die Äußerung des eingeborenen Strebens des menschlichen Geistes nach vollkommener Harmonie mit der übersinnlichen Ordnung der Dinge, wie auch die theologische Formel für diese Ordnung lauten mag. Dies Streben erobert bei den großen Mystikern allmählich das ganze Feld ihres Bewußtseins, es beherrscht ihr Leben und erreicht sein Ziel in dem Zustande, den man als ‚mystische Vereinigung‘ bezeichnet. Ob nun das Ziel der Gott des Christentums heißt oder die Weltseele des Pantheismus oder das Absolute der Philosophie, immer ist der Wunsch, es zu erreichen, und das Streben danach […] der eigentliche Gegenstand der Mystik.“

Diese offene Aussage Evelyn Underhills – übrigens eine engagierte Katholikin – kann uns als vortreffliche Ausgangsbasis für die nachstehenden Betrachtungen dienlich sein. Es ist gut, sie im Ohr zu behalten, denn mit diesem Geständnis einer Mystikerin ist das eigentliche Anliegen der Mystik schon klar umrissen.

Quelle:

Holzhauer, Rudi:
Die Mystik – ein faszinierender Irrweg. 1984/86.
Überarbeitet und herausgegeben 1989 von Sr. Antje-Marianne Kloth.
Mit einem Geleitwort von A. v. Almássy.
Broschüre mit Ringheftung, 40 Seiten, mit einem Literaturverzeichnis.


Eingestellt am 25. März 2025