Und es wurde mir ein Rohr gegeben, einem Meßstab gleich, und mir wurde gesagt: Steh auf und miß den Tempel Gottes und den Altar und die dort anbeten. (Offenbarung 11, 1)
War die Zwischenschau im vorigen Kapitel (Offenbarung 10) vornehmlich dem Seher Johannes selber gewidmet, in der der Herr ihm deutlich machte, wie er seine berufenen Getreuen kennt und sie für Ihre außergewöhnlichen Aufgaben auch außergewöhnlich zu stärken und auszurüsten weiß, so geht es in diesem 11. Kapitel wieder um seine Gesamtgemeinde. Auch Sie soll als Ganzes nochmals dessen versichert werden, daß sie in den welterschütternden Stürmen der nun bald beginnenden Herrschaft sicher bewahrt werden wird und daher nichts zu fürchten braucht. Dazu muß sie aber erst – ähnlich wie in Kapitel 7 – genau abgegrenzt werden, d. h. es muß deutlich werden, wer wirklich zu ihr gehört und wer nicht.
Doch wer ist hier tatsächlich gemeint und angesprochen: Israel oder die Christenheit?Eines müssen wir uns von vornherein klar vor Augen halten : als Johannes diesen Auftrag zur Messung des Tempels erhielt, waren der Tempel in Jerusalem ebenso wie die Stadt selbst längst zerstört. Das Volk der Juden war, soweit es bei der Zerstörung nicht umgekommen war, unter alle Völker zerstreut. Daraus ergibt sich klar, daß das Bild vom Tempel, den Johannes hier im Geiste schaut und mißt, sinnbildliche Bedeutung haben und neutestamentlich ausgelegt werden muß. In der Urchristenheit gab es keine Zweifel mehr darüber, wer oder was nach Jesu Tod und Auferstehen den wirklichen Tempel Gottes auf Erden darstellt: Es ist die Gemeinde derer, die sich im Glauben an den erhöhten Herrn als ihren Retter von Sünde, Tod und Teufel sammeln und in deren Mitte der lebendige Gott im Heiligen Geist wirksam ist (s. 1. Kor. 3, 16; 2. Kor. 6, 16; Eph. 2, 19 u. a. Stellen).
Gleiches gilt für den Altar. Wo im Neuen Testament nach Jesu Tod und auferstehen der Altar genannt wird, sehen wir im Geist nicht mehr wie im Tempel des Alten Bundes ein Tier liegen, das dort verbrannt und Gott geopfert wird, sondern es tritt das Kreuz von Golgatha vor unsere Seele, an dem der eine hängt, der sich selbst ohne allen Fehl durch den ewigen Geist Gott geopfert hat, unser Gewissen zu reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott (). Im gleichen Sinne sagt der Hebräerbrief weiter: »Wir haben einen Altar, davon kein Recht haben zu essen, die das Stiftshütte dienen« (Hebräer 13, 10). Das heißt: Durch Jesu Opfertod sind alle alttestamentlichen Einrichtungen abgetan, weil ihrem tiefsten Sinn nach erfüllt. Nun gilt auch für Israel, von allem Bisherigen abzulassen und sich dem Kreuz Jesu zuzuwenden. Auch in der Offenbarung wurde der Altar bereits in diesem Sinn erwähnt (Kapitel 8, 3).
Quelle:
Steinwender, Fritz: Die kommende neue Welt – Das letzte Buch der Bibel neu gehört. Lahr-Dinglingen, Verlag der St.-Johannis-Druckerei, Dr. Schweickhardt 1991, Seite 95f.
Schriftstellen
Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? (1. Kor. 3, 16)
Was hat der Tempel Gottes für Gleichheit mit den Götzen? Ihr aber seid der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: »Ich will unter ihnen wohnen und unter ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.« (2. Kor. 6, 16)
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen; (Eph. 2, 19)
Übersicht Offenbarung des Johannes – Offenbarung 11