Johannes 12, 32

Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen. (Johannes 12, 32)

Jesus sah mit der Gewißheit auf sein Kreuz, daß er von dort aus alle Widerstände überwinden werde, die uns von ihm trennen. Auf uns liegt der dunkle Schatten, den das Sterben über uns breitet, in mir erweckt. Lohnt es sich, auf dem Weg zum Grab einen Heiland zu suchen? Gibt es denn Gemeinschaft mit Gott für uns, die Sterbenden? Auf diese Frage gibt uns Jesus dadurch die Antwort, daß er ans Kreuz erhöht wurde. Dort geht der Lebende in den Tod, der Auferstehung gewiß, und macht im Sterben die Herrlichkeit des Lebens offenbar. Uns beschwert das Leiden, verzehrt unsere Kraft und macht uns totwund. Können wir denn glauben, mit der Beschränktheit unseres Bewußtseins, die uns zum Irren zwingt, und der Fesselung unseres Vermögens, die uns kein tüchtiges Handeln zuläßt? Sieh auf den ans Kreuz Erhöhten! Er macht aus dem Leiden die wirksame Tat und aus den Schmerzen die Verkündigung des göttlichen Ruhms. Aus der leeren Nichtigkeit unseres Lebens entsteht die Menge der unechten Dinge, die auswendig glänzen und innen nichts sind als lügender Schein. Sie rauben uns die Fähigkeit zum Glauben. Wer hat denn Jesus zum Kreuz gehängt? Ein Volk, das scheinbar fromm war, Priester, die scheinbar Priester waren, ein Regent, der scheinbar regierte und log, wenn er sich einen Richter nannte.

Sieh aber nicht nur auf die, die neben dem Kreuz stehen, sieh auf Ihn. Dort siehst du echtes, mit der Wahrheit geeintes Leben, Gemeinschaft mit Gott, im heißen Feuer erprobt, Gehorsam, in hartem Kampfe errungen und vollendet, Liebe, die das göttliche Gebot in Wahrheit erfüllt, Gott über alles ehrt und den Bruder ganz zu sich erhebt. Hier siehst du nicht Schein und kannst hier nicht zweifeln. Hier kannst und sollst du glauben. Die stärkste Hemmung, die uns von Jesus trennt, entsteht aber aus dem Fluch der Schuld. Wir tragen heimlich die Angst vor Gott in uns, und unser Blick auf Ihn gleicht dem lauernden Blick dessen, der sich nach seinem Verfolger umsieht. Aber der ans Kreuz Erhöhte zieht uns zu sich, uns alle, die wir uns vor Gott flüchten, weil er gerecht ist, und das Licht nicht ertragen, weil es unsere Verwerflichkeit enthüllt. Dort am Kreuz treibt die Liebe die Furcht aus. Weil ich nicht zu ihm komme, kommt er zu mir, tritt an meine Stelle und leidet, was mir gebührt. Weil er vergibt, zieht er mich zu sich. Nun kann ich glauben.

Es ist mir heilsam, daß ich, Herr Christus, an Deinem Kreuz verweile. Dort weichen die Einbildungen und ich werde still. Dort sprichst Du zu mir. Dort kann ich hören, was mir Deine wahrhaftige Gnade sagt.

Amen.

(Adolf Schlatter)

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Kommt, ihr Arbeiter, fasset Mut! Ihr fürchtet, daß ihr keine Hörer herbeiziehen könnt. Versucht es mit der Predigt von einem gekreuzigten, auferstandenen und gen Himmel gefahrenen Heiland; denn die „zieht“ mehr, als irgend etwas andres, was sich je unter den Menschen kund gegeben hat. Was zog euch zu Christus, als Christus? Was zieht euch jetzt zu Ihm, als seine eigne, teure Persönlichkeit? Wenn ihr durch irgend etwas andres zur Religion gezogen worden seid, so werdet ihr bald wieder davon weggezogen werden; aber Jesus hat euch gehalten und wird euch bis ans Ende halten. Warum wollt ihr denn an seiner Macht zweifeln, andre zu ziehen? Geht mit dem Namen Jesus zu den Halsstarrigen, und seht, ob der sie nicht ziehen wird.

Keine Art von Menschen ist über diese ziehende Macht hinaus. Alte und Junge, Reiche und Arme, Unwissende und Gelehrte, Tiefgesunkene oder Liebenswürdige – alle Menschen sollen die Anziehungskraft fühlen. Jesus ist der eine Magnet. Laßt uns nicht an einen andren denken. Musik wird nicht zu Jesus ziehen und ebensowenig Beredsamkeit, Logik, Zeremoniell oder Lärm. Jesus selber muß die Menschen zu sich selber ziehen; und Jesus ist durchaus imstande zu diesem Werke in allen Fällen. Laßt euch nicht verführen durch die Quacksalbereien der Gegenwart, sondern arbeitet als Arbeiter für den Herrn in seiner eignen Weise und zieht mit des Herrn eignen Seilen. Zieht zu Christus und zieht durch Christus, denn alsdann wird Christus durch euch ziehen.

(Charles Haddon Spurgeon)

Quelle:


Johannes 12 ▲ Übersicht Johannes-Evangelium

Eingestellt am 5. Januar 2024