Jakobus 1, 5 (Eichhorn/Keller/Rappard/Schlatter)

Wenn jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott, der da gibt einfältig jedermann und rücket’s niemandem auf! (Jakobus 1, 5)

Eine Bitte, die Gott sicher erhört.

Was ist Weisheit? Sie ist Einsicht in Gottes Wesen und Wege. „Gott gebe euch“, schreibt der Apostel, „den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu seiner selbst Erkenntnis!“ (Epheser 1, 17). Diese Weisheit ist also keine menschliche, sondern eine von Gott geschenkte. Sie besteht in einer Erleuchtung des Heiligen Geistes. „Ich bin der Allertörichteste“, hat ein Gottsucher (Agur) der alten Zeit ausgerufen (Sprüche 30, 2). Weil er seine Torheit erkannte, ist ihm Licht geschenkt worden. – Weise ist ferner, wer Gott nicht nur erkennt, sondern auch fürchtet. Nicht das Wissen, sondern das Gewissen entscheidet darüber, ob jemand weise ist. Es kann einer viel wissen auf dem Gebiet der Bibel und ist doch in Gottes Augen ein Tor. Weisheit ist die rechte Lebenskunst, die in der Furcht Gottes ihre Wurzel hat, das Gott wohlgefällige Verhalten. „Wer ist weise und klug unter euch?“ fragt Jakobus. „Der erzeige es in seinem guten Wandel!“  Weise ist, wer im Reden und im Tun das Rechte trifft und den rechten Weg einschlägt.

Wir brauchen viel Weisheit im täglichen Leben, im Umgang mit den Menschen, in der Erziehung der Kinder, im irdischen Beruf. Wem sie noch mangelt – und wer darf sagen, daß er sie voll besitzt? – der bitte Gott! Seine Bitte wird gewiß erhört.

Gott gibt einfältig. Wunderbare Eigenschaft Gottes! Einfalt ist ungeteilte Hingabe. Beim Einfaltsblick schielt man nicht nach der Seite, bei der Einfaltsstellung hat man keine Hintergedanken und Nebenabsichten. In Gott selbst ist das Urbild der Einfalt. Er gibt sich seinen Geschöpfen ganz hin. Er kommt den Bedürfnissen, die ihm vorgetragen werden, ungeteilt entgegen, er befriedigt sie voll und ganz. Bei uns Menschen hat die Sünde die Einfalt zerstört. Der selbstsüchtige Mensch, auch wenn er Gutes tut, hat dabei immer seine Nebengedanken des Eigennutzes oder der Ehrsucht. Gott gibt einfältig. Seine Liebe macht, daß er nichts anderes im Auge hat als das Wohl seiner Geschöpfe. Er sucht für sich nichts dabei, nur Dank. „Auch rückt er’s niemandem auf“, wörtlich: „Er schmäht nicht„. Bettler werden mitunter hart angelassen, wenn sie unbequem oder zu oft kommen. Bei Gott sind Bettler jederzeit willkommen, er weist ihnen niemals die Tür. Er rückt es ihnen nicht vor, daß sie erst gestern da waren oder auch erst vor einer Stunde. Man kommt ihm nicht zu oft, eher zu selten. Geben ist Gottes eigentlichstes Geschäft. Er wirft auch dem Bettler seine Vergangenheit nicht vor. Sobald sich dieser über seinen Undank und Ungehorsam beugt und sich Vergebung erbittet, deckt Gott in großmütigster Weise alle Versäumnisse und Fehltritte zu. Er sieht den Menschen nicht im Licht seiner ehemaligen Verirrungen, sondern im Licht der Unschuld und Gerechtigkeit Jesu Christi. Wie gut ist Gott!

(Pfr. Dr. Carl Eichhorn)

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So jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott…

Ein bißchen stark! Uns zuzumuten, daß uns Weisheit und Verstand mangelte! möchte mancher denken, der sich selbst für weise hält. Aber Weisheit hängt mit weisen zusammen. Hast du den geheimen Takt, der dich stets den rechten Weg weist? Bist du ein von Gott zurechtgewiesener Wanderer, der nun ohne Angst vor neuem Verirren alle Tage gewisse Tritte vorwärts tun kann? Wie bange sind wir, einen falschen Weg zu wählen! Doch der bange Mensch wird eher bitten lernen um Gewiesenwerden von oben. Das ist schon der Anbruch der Weisheit, daß man offen wird für Gottes Winke – einerlei, ob er sie uns durch ruhiges Überlegen der Umstände, andere Menschen oder Bibelsprüche gibt. In wieviel Not meines Lebens durfte ich es nicht schon erfahren, daß die erste Stufe der Erhörung meiner Bitte um Weisheit die Stille der Seele brachte, wo sich schon die trüben Wasser setzten und klar wurden. Betete ich weiter, gab es als zweite Stufe die völlige Willigkeit zum Gehorsam, und dann pflegte die dritte nicht mehr fern zu sein, wo Gott mir einen kleinen Schritt vorwärts zeigte. War der getan, tat sich die Nebelwand auseinander, und sein Weg lag sonnenbeglänzt vor mir.

Gerade weil ich das so oft erlebt habe, lieber Vater im Himmel, will ich nicht mehr auf mich trauen, sondern allein auf dich. Du sollst es sein, von dem ich meine Weisung erwarte. Gib deinem Kinde deine Winke und die Lust, dir zu gehorchen! Herr, ich bitte um Weisheit.

Amen.

(Samuel Keller)

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So jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott. Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht; denn wer da zweifelt, der ist wie die Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewebt wird. (Jakobus 1, 5f)

Himmlische Weisheit ist eine gar liebliche und zuverlässige Führerin. Wohl dem, der sie sich zur Gefährtin erwählt. Weislich handeln (Jos. 1, 7), weislich wandeln (Kol. 4, 5), das sind biblische Ausdrücke, die wir beherzigen wollen. Von Jesus, unserem Vorbild, wird gesagt, daß er schon als Kind zunahm an Weisheit; somit ist Weisheit auch für die Jugend eine begehrenswerte Sache. Unser Wort zeigt uns, wie einer diese Weisheit gewinnen kann.

1. Er muß seinen  M a n g e l  erkennen. Wer weise ist in seinen eigenen Augen, wer alles schon zu wissen meint, verlangt nicht nach göttlichem Unterricht und erhält ihn auch nicht. Aber wer sich bedürftig fühlt, darf sich freuen, daß es so schlicht und kategorisch heißt:

2.  E r  b i t t e  v o n  G o t t.  Dies Wort ist schon manchem ein Leitstern und eine Segensquelle geworden. Bei schwierigen Pflichten, bei ungewohnten Aufgaben, beim Schreiben eines Briefes, beim Betreten neuer Wege, vielleicht in fremdem Lande, o, wie köstlich ist es zu bitten: Vater, ich brauche Weisheit; gib sie mir!

3.  Er bitte aber im  G l a u b e n. Zuversichtliches Bitten ist sehr wichtig. Glauben ist nehmen, ist aber auch gehorchen. Gott gibt williglich jedermann; daran ist nicht zu zweifeln. An uns ist es, zu bitten und zu empfangen.

Ich danke Dir, Herr, für dieses Wort, das mir schon oft Stab und Stütze gewesen ist. Gib mir auch heute, was ich bedarf!

(Dora Rappard)

Quelle:

CLV Andachten (Archiv)  ─  Andachten Jakobusbrief  ─  Jakobus 1, 5

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Wie ernsthaft es Jakobus daran liegt, daß wir zum Werk, und zwar zum vollendeten, fertig werdenden Werk gelangen, wird an dem besonders sichtbar, was er denen sagt, denen die Weisheit fehlt. Wie können sie handeln, wenn sie keine Weisheit haben? Denn die Weisheit würde ihnen zeigen, was sie zu tun haben, und ließe sie auch die Mittel finden, durch die sie das ihnen gezeigte Ziel erreichen. So scheint es zunächst, mit dem Fehlen der Weisheit sei ihnen das Handeln unmöglich gemacht; sie seien vom Werk entbunden. Jakobus beruhigt sich aber nicht mit dem Gedanken, sie könnten nun einmal nicht mehr und müßten sich in ihr Unvermögen schicken, sondern er zeigt dem, dem die Weisheit fehlt, wie er sie erlangt, wie er sich also von seinem Unvermögen befreien und die Ausrüstung zum richtigen Handeln empfangen kann: Er bitte Gott. So nahe ist uns Gott, daß wir, wenn wir nicht wissen, was wir tun sollen, von ihm uns erbitten dürfen, daß er uns sichtbar mache, was zu geschehen hat, und unsere Entschlüsse so leite, daß wir das Richtige vollbringen.  Diese Verheißung überschreitet das mit dem Glauben uns gegebene Verhältnis zu Gott nicht; denn sie redet nicht von Zeichen, die uns von außen leiten, auch nicht von plötzlich in uns aufleuchtenden Eingebungen. Nichts anderes als das glaubendes Verhalten ist uns hier beschrieben, das wir dann üben, wenn wir nach Gottes erleuchtendem Wirken begehren. Wie es sich in der Bewegung unserer Seele vollzieht, davon weiß der Glaube nichts, und er richtet auch keine Forderungen an Gott, sondern wartet auf Gottes Hilfe, die das Unvermögen unserer Seele heilt, und er wartet nicht umsonst.

Wenn Deine weise Hand, gnädiger Gott, mich leitet, dann zerfällt das, was ich unternehme, nicht. Ich muß mein Werk von Deiner Güte empfangen, damit es mir und anderen heilsam sei, und ich suche es bei Dir, der Du im Licht wohnst und durch Dein Licht unseren Weg hell machst.

Amen.

(Adolf Schlatter)

Quelle:

Glaubensstimme  ─  Die Archive der Väter, Jakobus 1


Übersicht: Der Jakobusbrief  ─  Jakobus 1

Diese Schriftstelle ist der Tagesvers zum 22. Juni 2025

Eingestellt am 22. Juni 2025