Römer 3, 21-26 (Wilhelm Busch)

Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart und bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich sage aber von solcher Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesum Christum zu allen und auf alle, die da glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Jesum Christum geschehen ist, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, damit er die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt, darbiete in dem, daß er Sünde vergibt, welche bisher geblieben war unter göttlicher Geduld; auf daß er zu diesen Zeiten darböte die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt; auf daß er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum. (Römer 3, 21-26)

Als junger Pfarrer konnte ich mich nicht damit abfinden, daß von unseren Gottesdiensten so wenig Wirkung ausgeht. Wir haben doch eine Botschaft, die Menschen und Welt verändern kann!

Und da sagte ich mir: Es hat Prediger gegeben, unter deren Verkündigung wirklich etwas geschehen ist. Durch Volkenings Predigt in Jöllenbeck wurde das Ravensberger-Land von Grund auf verändert. Zu den Predigten des jungen Hofacker in Württemberg strömten Menschen herzu, die bisher völlig gleichgültig gewesen waren. Die Wirkungen von Ludwig Harms in der Lüneburger Heide sind heute noch festzustellen. ─ So sammelte ich mir aus Antiquariaten die Predigten dieser Männer. Ich geriet an den badischen Erweckungsprediger Henhöfer; an Gottfried Daniel Krummacher, der das Wuppertal bewegt hat; an den gewaltigen schwedischen Zeugen Rosenius, an den Engländer Spurgeon, an Zinzensdorfs ,Berliner Reden‘. Es waren Lutheraner und Reformierte darunter. Aber in einem waren sie eins: Ihre Predigt kreiste um Römer 3, um die Rechtfertigung des Sünders.

Nun, die Botschaft von Römer 3 ist seit der Reformation viel gepredigt worden. Aber je länger, je mehr wurde solche Predigt unaktuell, trocken, lehrhaft. Sie versenkte die Gemeinde in Schlaf. Und nun machte ich die Entdeckung: Die Erweckungsprediger verkündeten die freie Gnade Gottes für Sünder niemals so, daß die Menschen in eine trübe Sicherheit gerieten. Es geschah vielmehr das Eigentümliche, daß der Mensch durch die Predigt von dem, was Gott für ihn getan hat, im Gewissen getroffen und erweckt wurde, daß er aufstand und umkehrte. So entstand lebendige Gemeinde. Es wurde mir deutlich, daß wir viel mehr als bisher bei diesen von Gott legitimierten Predigern in die Schule gehen müßten. Ich bin gewiß, daß die evan­gelische Kirche steht und fällt mit ihrer Predigt. Und ich bin überzeugt, daß darin die eigentliche Aufgabe unserer Predigt besteht; die Rechtfertigung ,erwecklich‘ zu predigen. Das gilt ebenso für unsere Predigten wie für die besondere Verkündi­gung der Evangelisation, die trotz mancher Veränderung der Zeiten auch heute noch ihre Bedeutung hat. Ein Leben lang ha­be ich mich darum gemüht. Dabei bin ich ein Schüler geblie­ben bis zu diesem Tag. Es gab Gottesdienste, in denen ich mich geradezu entschuldigte, daß ich so unaktuell predigen müsse. Aber ich habe erleben dürfen, daß solche Predigt Bewegung schafft. Es stellte sich heraus, daß die Predigt vom Kreuz in der Tat hochaktuell ist. Wenn vom ,Frieden mit Gott‘ gepredigt wird, entdeckt der Mensch, was ihm fehlt und woher alle seine Nöte kommen. Ich lernte Paulus verstehen: „…daß ich nichts wüßte als Jesum Christum, den Gekreuzigten“ (1. Kor. 2, 2).

(Pastor Wilhelm Busch)

Quelle:  Plaudereien in meinem Studierzimmer. Von Pastor Wihelm Busch. Schriftenmissions-Verlag, Gladbeck. 3. Auflage, Januar 1967.


Eingestellt am 25. September 2025