Und zwar hat Gott die Zeit der Unwissenheit übersehen; nun aber gebietet er allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun; (Apostelgeschichte 17, 30) 1)
Paulus redete dieses, als ein Haufe von atheniensischen Männern [Athenern] vor ihm stand, unter denen einige Weltweisen von der Epikureer und Stoiker Sekte waren. Alle diese Leute hielten ihre Nation für die weiseste unter allen Nationen, und die Athenienser standen insonderheit in der Einbildung und im Ruf, daß sie unter den Griechen die Gescheitesten seien. Wie befremdlich muß es ihnen also gewesen sein, daß ihnen Paulus von einer Zeit der Unwissenheit sagte, die Gott übersehen habe, und daß Er nun allen Menschen an allen Enden, folglich auch ihnen, gebiete, Buße zu tun oder den Sinn zu ändern. Es ist nicht zu leugnen, daß zu Athen die Künste und Wissenschaften, welche die menschliche Vernunft erreichen kann, fleißiger als anderswo getrieben worden sind. Es gab da immer viele Weise nach dem Fleisch; und auch die Bürger, welche keine Gelehrten waren, hatten eine gewisse Feinheit des Witzes und der Sitten. Allein Gott sahe dieses Alles nicht an. Sie waren doch unwissende Leute. Sie kannten den wahren Gott nicht, und noch weniger den Erlöser. Sie hielten sich viele Laster zu gut. Und was ihre Weltweisheit anbelangt, so war keine Festigkeit dabei, denn sie waren immer nur darauf gerichtet, daß sie etwas Neues sagen oder hören möchten.
Hieran spiegle sich nun die heutige Christenwelt, welche, um sich zu verfeinern, vieles von der griechischen Weisheit, Sitten und Anstalten (worunter auch die Schauspiele zu rechnen sind) zu Hilfe nimmt. Ach, das Wort Gottes geht über Alles! Zu einem Volk, welches dasselbe hat, darf man sagen, was Moses (5. Mose 4, 6-8) zu dem Volk Israel gesagt hat:
Das wird eure Weisheit und Verstand sein bei allen Völkern, wenn sie hören werden alle die Gebote, daß sie müssen sagen: Ei welche weise und verständige Leute sind das, und ein herrlich Volk! Denn wo ist so ein herrlich Volk, zu dem Götter also nahe sich tun, als der HErr unser Gott, so oft wir Ihn anrufen? Und wo ist so ein herrlich Volk, das so gerechte Sitten und Gebote habe, als alle dies Gesetz, das ich euch heutiges Tags vorlege?
Welches Menschen Sinn nun mit dem Wort Gottes nicht übereinkommt, derselbe muß Buße tun oder seinen Sinn ändern, folglich anders denken, als er vorher gedacht hat, lieben, was er vorher gehaßt hat, hassen, was er vorher geliebt hat, und den dreieinigen Gott und sich selbst und alle Dinge anders ansehen als vorher. Und dieses gebietet Gott allen Menschen an allen Enden, den Gelehrten wie den Ungelehrten, den Feinen wie den Barbaren, und indem Er’s gebietet, will Er durch die Kraft Seines gebietenden Wortes diese Sinnesänderung, wenn sie Ihm nicht widerstreben, in ihnen wirken. Es läßt sich eine feine Tugendlehre mit der Vernunft leicht begreifen, beweisen, bejahen und nachsagen: allein hiermit ist der Sinn noch nicht gebildet. Derjenige, der von der Demut fein geredet oder geschrieben hat, kann stolz sein, und weiß es nicht, derjenige, der den Geiz gescholten hat, kann geizig sein, und es nicht wissen, und wer die Sanftmut aus guten Gründen angepriesen hat, wird vielleicht in der nächsten Stunde von einem beleidigenden Jähzorn hingerissen. So weit ist also die räsonierende Vernunft von dem Sinn unterschieden. Der gute Sinn ist eine innerliche Fertigkeit, richtig zu denken, zu fühlen, zu wollen oder nicht zu wollen, welche dem Geist oder der neuen Natur ganz natürlich ist, und gemeiniglich so schnell wirkt, daß man sich auf Regeln und Beweise nicht zugleich besinnen kann. Darum sagt Christus: ihr müsset von Neuem geboren werden, und was von dem göttlichen Geist geboren ist, ist Geist. Der Sinn dieses aus Gott geborenen Geistes ist allein derjenige, der Gott gefällt.
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Nun aber gebeut Gott allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun.
Wer also nun von dem Wort der Buße und von Christo hört, und doch nicht Buße tut, auf den wartet ein schwereres Gericht als ehemals in den Zeiten der Unwissenheit.
Mel.: „Meinen Jesum laß ich nicht“ 82 (55). Dölker I 83.
1. Allen Menschen insgemein
Wird zur Buße aufgeboten;
Jesus wird ein Richter sein
Der Lebendigen und Toten.
Da fängt Lohn und Strafe an,
Selig, wer hier Buß‘ getan.
2. Was sich da in Büchern find’t
Von unzählbar’n Millionen
Derer, die schon Erde sind
Und die noch auf Erden wohnen;
Alles hört sein Urteil an,
Selig, wer hier Buß‘ getan!
3. Mit Gerechtigkeit spricht Er,
Er entdeckt den Rat der Herzen;
Dort bleibt keine Gnade mehr
Denen, die sie hier verscherzen;
Keine Ausflucht nimmt er an.
Selig, wer hier Buß‘ getan!
4. Jetzt kann man vor Seinem Thron
Noch Barmherzigkeit empfangen;
Dort hingegen, wollt‘ man schon,
Darf man keine mehr verlangen;
Denn da brennt Sein Zorn schon an.
Selig, wer hier Buß‘ getan!
5. Jesu, der Du durch Dein Wort
Mich zur Buße hast gerufen,
Führe Dein Werk an mir fort
Bis vor Deines Thrones Stufen.
Da geht Dank und Wonne an,
Daß ich durch Dich Buß‘ getan!
Liedtext: Philipp Friedrich Hiller (1699-1769)
Melodie: Johann Ulich (1634-1712) „Meinen Jesum laß ich nicht“
Quelle:
Abend-Andacht zum 20. Januar, in:
M. Magnus Friedrich Roos, württ. Prälaten zu Anhausen Christliches Hausbuch, welches Morgen= und Abend=Andachten auf jeden Tag des ganzen Jahres nebst beigefügten (Hiller’schen) Liedern enthält.
Nebst einem Anhange von weiteren Gebeten für zwei Wochen und für einige besondere Fälle. Mit dem Lebensabriß des sel. Verfassers, eingeleitet von seinem Urenkel Repetent Fr. Roos. Mit einem Stahlstich. Stuttgart, 1860.
Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. [Digitalisat]
Siehe auch:
Bibelverse zum Thema: Buße
Buße tun. Von Friedemann Werkshage (externer Link zu bibelstudium.de)
Buße – ein himmlisches Geschenk. Von Georg Steinberger.
Moody, Dwight Lyman: Buße und Wiedererstattung (externer Link zu glaubensstimme.de)
Glaubensstimme: Apostelgeschichte 17 (Bibeltext und verfügbare Auslegungen)
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