Sondern wie geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“ (1. Korinther 2, 9)
Paulus führt hier Worte an, worin Jesaias von der zukünftigen Gnade, die dem Volk Gottes widerfahren werde, geweissagt hat, s. Jesaja 64, 4. Weil nun Paulus die gnadenreiche Zeit des Neuen Testaments wirklich erlebt hatte, so deutete er die Weissagung Jesaiä auf die in Christo Jesu erschienene heilsame Gnade (Titus 2, 11), deren ein Christ bei Leibesleben durch den Glauben teilhaftig werden kann, deren völliger Genuß aber auf die selige Ewigkeit aufgespart ist.
Er sagt von derselben, Gott habe sie denen bereitet, die Ihn lieben. Es habe sie aber kein Auge gesehen, und kein Ohr gehöret, und sie sei in keines Menschen Herz gekommen, das ist, es habe Niemand einen Gedanken oder eine Vorstellung davon bekommen. „Uns aber“, setzt er hinzu, „hat es Gott geoffenbart durch Seinen Geist“, Vers 10. Ob er also gleich dasjenige, was Gott bereitet hat, als etwas Verborgenes beschreibt: so bezeugt er doch, daß es von Gott geoffenbart worden sei. „Es ist den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber geoffenbart“, Matthäus 11, 25. Es ist zu der Zeit, da Paulus lebte, vielen Juden und Griechen, und auch den Klugen, Schriftgelehrten, Weltweisen und Obersten unter ihnen verborgen geblieben, den Aposteln aber, und durch sie den Berufenen durch den Geist geoffenbart worden, 1. Kor. 1, 20, 2, 8, 1, 24. Es ist endlich allen natürlichen Menschen verborgen, und was man davon redet, dünkt sie eine Torheit zu sein; den geistlichen Menschen aber ist es entdeckt, und wird von ihnen als eine „göttliche Kraft“ und als eine „göttliche Weisheit“ erkannt, 1. Kor. 2, 4.
Paulus deutet bei dieser ganzen Lehre auf den gekreuzigten Heiland, welcher den Berufenen göttliche Kraft und göttliche Weisheit ist, oder welcher ihnen „von Gott zur Weisheit, und zur Gerechtigkeit, und zur Heiligung, und zur Erlösung gemacht ist“ (1. Kor. 1, 30). Kein natürliches Auge hat Ihn als den einigen Weg zum Vater entdeckt, kein Ohr hat von den Weisen dieser Welt gehört, was für eine Gnade den Menschen in Christo Jesu bereitet sei, auch hat sich kein natürlicher Mensch jemals davon eine Vorstellung in seiner Seele machen können. Man bemerke aber, daß Paulus nicht nur von der Erlösung Jesu Christi rede, insofern sie außer uns durch die Aufopferung Seiner selbst am Kreuz geschehen ist, sondern, daß er zugleich auch auf die Kraft und Wirkung derselben deute, die ein Gläubiger auf Erden in seinem Herzen erfährt, und in jener Welt ewiglich erfahren wird.
Das wahre Christentum oder das geistliche Leben ist also, ob es schon durch Werke sich offenbart, nach einer andern und innerlichen Seite etwas Geheimes, Verborgenes (Kolosser 3, 3) und der Welt Unbegreifliches. Die Welt fährt, wenn sie von geistlichen Empfindungen und Erfahrungen reden hört, schnell zu, und nennt Alles Einbildung, fanatisches Wesen und Torheit. Allein so urteilt ein Blinder von der Farbe. Kein Weltmensch, er sei so klug oder gelehrt als er wolle, kann sich vorstellen, was in den Herzen derer vorgehe, die den HErrn Jesum lieben, und Seine Gnade genießen. Die äußerlichen Sinnen des Weltmenschen haben noch nichts davon entdeckt, und in sein Herz ist noch kein richtiger Gedanke und keine Empfindung davon gekommen.
Mel.: Wilhelm Noelsch „Mein Gott, das Herz ich bringe“ etc.
Paul Gerhardt „Nun danket all und bringet Ehr“
Das sind herrliche Sachen, wornach wir streben sollen.
1. Was sonst kein menschlich Aug‘ geseh’n
Und noch kein Ohr gehört,
Das lernt ein Christ schon hier versteh’n,
Weil Gottes Geist ihn lehrt.
2. Was in kein menschlich Herz noch kam,
Kommt in des Christen Sinn.
Was ist’s? Es ist des Heilands Nam‘,
Und der erfreuet ihn.
3. Die Welt faßt dies Geheimniß nicht,
Was man in Jesu hat;
Des Aug‘ sieht dieses Licht
Und sieht sich niemals satt.
4. Die Welt verstopft ihr Ohr HErrn,
Sein Wort dünkt ihr nicht klug,
Der Christ hört aber nichts so gern,
Und hört es nie genug.
5. Ein Weltherz freut sich der Vernunft,
Und spricht dem Glauben Hohn,
Der Christ glaubt Christi Wiederkunft,
Und diese freut ihn schon.
6. Dort sieht das Aug‘, dort hört das Ohr
Nun erst vollkommen klar,
Was man geglaubt und doch zuvor
Noch ein Geheimnis war.
7. Dort wird das Herz vom Strom erfüllt, Wie ein Strom von oben
Wo Du, HErr Jesu, bist;
Da hier es nur wie Tropfen quillt,
So süß es immer ist.
8. Ich flehe Dich, ach richte Du,
Mein Heiland, in der Zeit
Mein Aug‘, mein Ohr, mein Herz recht zu
Zu jener Seligkeit!
Quellenangaben:
Abend=Andacht zum 15. März, in: M. Magnus Friedrich Roos, württ. Prälaten zu Anhausen Christliches Hausbuch, welches Morgen= und Abend=Andachten auf jeden Tag des ganzen Jahres nebst beigefügten (Hiller’schen) Liedern enthält. Nebst einem Anhange von weiteren Gebeten für zwei Wochen und für einige besondere Fälle. Mit dem Lebensabriß des sel. Verfassers, eingeleitet von seinem Urenkel Repetent Fr. Roos. Mit einem Stahlstich. Stuttgart, 1860. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. [Seite 212f. – Digitalisat]
Lied zum 15. März, in: Geistliches Liederkästlein zum Lobe Gottes, bestehend aus 732 kleinen Oden über so viel biblische Sprüche: Kindern Gottes zum Dienst aufgesetzt von M. Philipp Friedrich Hiller. 2 Theile in 1 Bande. Vermehrt mit dem Lebenslauf, sowie Bildniss des Verfassers und einem Register über sämmtliche Liederverse. Verlag von Rupp, Reutlingen 1869. [Seite 456 – Digitalisat]
Querverweise
Wie denn von der Welt her nicht vernommen ist noch mit Ohren gehört, auch kein Auge gesehen hat einen Gott außer dir, der so wohltut denen, die auf ihn harren. (Jesaja 64, 4)
Höret zu, meine lieben Brüder! Hat nicht Gott erwählt die Armen auf dieser Welt, die am Glauben reich sind und Erben des Reichs, welches er verheißen hat denen, die ihn liebhaben? (Jakobus 2, 5)
Weblinks und Verweise
Melodieeintrag „Mein Gott, das Herz ich bringe dir“ bei Hymnary.org
Diese Schriftstelle ist der Tagesvers vom 25. Juli 2025