Der HERR ist gerecht in allen seinen Wegen und heilig in allen seinen Werken. (Psalm 145, 17)
Die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes in Seinen Wegen und Werken wird sehr häufig von den Menschen nicht angesehen. An dem, was ihnen widerfährt, sehen sie nur das Traurige und Schmerzliche; denn sie fühlen nur die Wunde, die es macht, aber nicht die Schuld, die irgendwo stecken kann, oder den verborgenen Plan, den Gott haben könnte.
Daher klagen die Menschen über Unbegreiflichkeit der Wege Gottes in einem Tone, als wollten sie sagen, recht sei es doch eigentlich nicht, daß Gott es so oder so mache; und das Warum? steht ihnen ferner, als es geziemt. Sie fragen wohl: „Warum hast Du, HErr, das getan?“, aber mit dem stillen Vorwurf, der sagt: „Es ist kein Grund da gewesen, um dessentwillen Du’s tun solltest, und hättest es deswegen anders machen sollen“. Das ist die gewöhnliche Stimmung vieler bei dem Traurigen, das ihnen widerfährt.
Am meisten sind die Menschen gewohnt, bei Sterbefällen also zu denken und zu fühlen. Da sich zu ergeben und zufrieden zu stellen, fällt ihnen schwer. Dem Herzen geht’s freilich zu nahe, und es ist ein Riß in’s Gemüt hinein, wenn man Liebendes und Geliebtes so schnell auf immer missen muß, weswegen sich die erwähnte Stimmung ein wenig entschuldigt. Aber erwägen sollten wir’s doch Alle, wenigstens es uns aus dem Worte Gottes sagen lassen, daß es einmal offenbar werden wird, wie unter allem Gerechtigkeit und Heiligkeit in besonderem Sinne mitgespielt habe. Hienieden ist’s unsern Augen meist verborgen, aber nicht immer ohne eigene Schuld, weil wir eben noch so harthörig sind und hartfühlig in dem, worin der liebe Gott uns heimsucht. Unerforschliche Ratschlüsse liegen freilich oft wirklich zu Grund.
Denken wir nur z.B., wie wichtig und wohltätig das Sonntagsgesetz sei, das der liebe Gott gegeben hat. Da gibt es aber Leute, die fragen nach, und machen am Sonntag fort wie am Werktag. Nun sterben oft die gesündesten, kräftigsten, tätigsten Menschen, Familienhäupter, von einer Schar von Kindern schnell hinweg. Da ruft Alles: „Unbegreiflich, rätselhaft!“ ─ Wer weiß aber, ob’s nicht doch begreiflicher wäre, wenn man Alles dächte und Alles wüßte, was an Ursache vor Gott etwa da liegt. Hätte man etwa eben die Wohltat geschätzt, die Gott mit dem Sonntag geben wollte, wer weiß, ob nicht das Leben gefristet worden wäre, wenn man es auch nur natürlich betrachten wollte. So kann’s noch anderes geben, das aber nicht beachtet wird, obgleich es Wort Gottes und Vernunft nahe legt. Nichts hat der HErr umsonst gesagt, befohlen und angedeutet. Wahrlich, Er bleibt gerecht und heilig in allen Seinen Wegen und in allen Seinen Werken; wir aber sind ein wenig dumm und einfältig, auch unartig dazu.
Wie werden wir einmal erstaunen, wie gerecht Gott in allen Seinen Wegen und heilig in allen Seinen Werken gewesen ist! Darum muß man, wo Er befiehlt, folgen, wo er rät, nicht widersprechen, wo wir Weisungen von Ihm bekommen, wie sie auch das tägliche Leben gibt, sich belehren lassen. Wollen wir aber mit unsrem Kopf nur so durchfahren, so haben wir’s eben zu nehmen, wie’s kommt, bis in’s Unbegreifliche hinein. Wenn Gott uns etwas zeigt, und lehrt und unterweist oder befiehlt, warum tut Er’s? Nicht um hinzuzusetzen: „Es ist aber Einerlei, wie ihr’s machet“. Gewiß nicht so; vielmehr will Er uns vor Schaden bewahren, vor Unglück behüten, ein gutes und gar ein langes Leben bereiten, unser Bestes, unser Heil schaffen für Zeit und Ewigkeit.
Mel.: „Alle Menschen müssen sterben“.
Heilig ist in allen Werken
Und gerecht in Seinem Tun
Unser HErr, ─ die können’s merken,
Die in Seinem Willen ruh’n, ─
Allen nah‘, die Ihn anrufen,
Nah’n mit Ernst zu Seinen Stufen.
Was die Gottesfürcht’gen fleh’n
Und begehr’n, läßt Er gescheh’n.
Quelle:
Morgenandacht vom 29. April 1863, in: Sammlung von Morgen=Andachten nach Losungen und Lehrtexten der Brüdergemeine, gehalten (in den Jahren 1862 und 1863) zu Bad Boll von Pfarrer Blumhardt. Für Freunde herausgegeben. Zweite, wenig veränderte Ausgabe. Zu haben in Bad Boll, 1873. [Digitalisat – Eintrag bei Wikisource]
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