Amos 5, 24 (Blumhardt)

Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Amos 5, 24)

Betrübt sah es damals in Israel aus, als Amos auftrat. Aber mitten unter den Schilderungen der Ungerechtigkeit und Heuchelei des Volks heißt doch Gott Recht und Gerechtigkeit verkündigen, welche Beide wie Wasser und wie ein Strom selber geoffenbart werden, also nicht tropfenweise, sondern stromweise. Wasser, wenn nicht eingedämmt, breitet sich weit aus nach allen Seiten, langsam, aber doch so, daß es Alles durchfeuchtet, – und ein Strom überflutet. So sollen die Völker alle mit Recht und Gerechtigkeit gesegnet, ja, wie mit einem starken Strom überflutet werden, bis die Erde voll sein wird der Erkenntnis des HErrn, gleich wie Wasser den Meeresgrund bedeckt (Jes. 11, 9; Hab. 2, 14).  Solche einfachen Aeußerungen der Schrift geben es uns zu erkennen, zu welchen großen Hoffnungen wir uns anzuschicken haben. Wenn es kommen soll wie Wasser und wie ein starker Strom, so ist es sonnenklar, wie der HErr in’s Weite mächtig zu wirken, mit Seinem Geiste Alles zu erfüllen im Sinn hat. Darauf hin zu hoffen, zu beten und zu wirken müssen wir als unsere Aufgabe ansehen, so weit wir in Wahrheit an Gott und Sein Wort gläubig geworden sind.  Denn mag es auch noch so schlimm bei uns aussehen wie damals, und mögen der Feinde, die entgegenstehen noch so viele sein, so wird doch der Geist des HErrn, wenn er auch lange Zeit nur weithin gleichsam rieselte und feuchtete, zuletzt den Feinden zu mächtig, wenn er wie ein Strom daher flutet, den nichts in seinem Lauf aufhalten kann.

Zusatz:

Die Worte des Propheten können auch so übersetzt werden: „daß Recht sich offenbare, wie Wasser, und Gerechtigkeit, wie ein starker Strom“. Auch so kann obige Erklärung aufrecht erhalten werden, mit dem Sinn, das Volk solle von seiner Heuchelei lassen, welche das stärkste Hindernis gegen die Offenbarung des Rechts und der Gerechtigkeit von Seiten Gottes ist. Andere nehmen es so, daß das Volk sich solle mit Ernst des Rechts und der Gerechtigkeit befleißen, und solche soll wie Wasser, ja wie ein Strom über das ganze Land sich ausbreiten, statt zu meinen, mit ihren nur zeremoniell dargebrachten Opfern, mit ihren Gesängen und sonstigen musikali schen Vorstellungen im Tempel bei Gott angenehm zu sein. Ihre Gesänge hatte Gott eben nur ein Geplärr genannt, das sie von Ihm wegtun sollen. Der schönste Gesang, der doch eine Harmonie darstellen soll, wird vor Gott ein Geplärr, das Ihm widerlich ist, weil das Geschrei und Seufzen der mit Unrecht Unterdrückten gleichsam als Mißton oder Disharmonie dazwischen einfällt. Wer allerdings durch schöne Gottesdienste Gott ehren will, soll zuerst dafür Sorge tragen, daß die störenden Mißtöne aufhören, das gellende Schluchzen derer, die Unrecht leiden. Auch unsre Zeit, die so gerne Alles tut, um die Gottesdienste schön herzustellen und namentlich mit allerlei feinen Gesängen auszuschmücken, dürfte mehr darauf sehen, daß die groben Mißtöne, die aus dem Herzen des Volks unter die harmonischen Töne sich mischen, aufhören.

Halten wir indessen die erste Erklärung, welche der ganze Ausdruck des Spruchs empfiehlt, fest, so würde der HErr durch unsern Spruch auch das andeuten, daß das bloß zeremonielle Wesen, besonders wenn man damit auch noch eine Art Sinnengenuß zu verbinden sucht, mehr ein Hinderniß als eine Förderung der Heilsplane Gottes ist.   „Geht Mir weg“, will der HErr sagen, „mit euren Opfern, tut von Mir das Geplärr eurer Lieder, damit Ich Raum finde zur Offenbarung des Heilsrechts und der Heilsgerechtigkeit, mit der Alles noch erfüllt werden soll“. (Vergl. Jes. 1, 27.)

Mel. Wer nur den lieben Gott.

(Johann Christoph Blumhardt, 18. Oktober 1863)

O daß du möchtest sorgsam merken
Auf die Gebote, die Ich gab!
Das würde deinen Frieden stärken;
Er rauschte, wie ein Strom, herab.
Gerechtigkeit flöß‘ zu dir her,
Wie Wogen brausen auf dem Meer.

(nach Jes. 48, 18)

O daß du auf meine Gebote merktest, so würde dein Friede sein wie ein Wasserstrom, und deine Gerechtigkeit wie Meereswellen; (Jesaja 48, 18)

Quelle:

Sammlung von Morgen=Andachten nach Losungen und Lehrtexten der Brüdergemeine, gehalten (in den Jahren 1862 und 1863) zu Bad Boll von Pfarrer Blumhardt. Für Freunde herausgegeben. Zweite, wenig veränderte Ausgabe. Zu haben in Bad Boll, 1873.
[S. 349-351; DigitalisatEintrag bei Wikisource]

Titelseite: Sammlung von Morgen-Andachten nach Losungen und Lehrtexten der Brüdergemeine


Amos 5, 24 ist der Tagesvers zum 22. Januar 2025

Eingestellt am 22. Januar 2025 – Letzte Überarbeitung am 25. Februar 2025