Flittner*), Johann, geb. 1. Nov. 1618 zu Suhla im Hennebergischen. wo sein Vater ein Eisenbergwerk besaß und einen Handel mit Eisenwaaren, Gewehren und Wein trieb. Seine Vorbildung erhielt er vom Jahr 1633 an auf dem Gymnasium zu Schleusingen und im Jahr 1637 begann er in Wittenberg die Theologie zu studiren. Nachdem er vom J. 1640 an auch noch die Universitäten Jena, Leipzig und Rostock besucht hatte, erhielt er im J. 1644 die Cantorsstelle zu Grimmen, einem Städtchen in Vorpommern, zwei Meilen von Greifswalde, und wurde im J. 1646 zu Ostern Diaconus daselbst, worauf er die Wittwe seines Amtsvorgängers Caspar Helm, Anna Margarethe, Tochter des Bürgermeisters Aven zu Grimmen, heirathete. Dort hatte er an dem Stadtpfarrer Wicke (Viccius) einen „streitbegierigen Mann“, und im ersten brandenburgischen Krieg, der im August 1659 ausbrach, hatte er viel Drangsal durchzumachen. Das vereinte kaiserlich=brandenburgische Heer fiel nämlich in das damalige schwedische Pommern ein, überschwemmte das Land und verfuhr über aus hart mit den Einwohnern. Flittner mußte sich endlich nach Stralsund flüchten, und hier verfaßte er um diese Zeit als Flüchtling bei der Muße, die er hatte, sein „himmlisches Lustgärtlein“, das aber dann erst zum Druck kam, nachdem er im Mai 1660 nach geschlossenem Frieden wieder zu seiner verlassenen Heerde nach Grimmen hatte zurückkehren dürfen. In jener Drang salszeit sang er in ächtem Christenglauben:
Obgleich schweres Kreuz und Leiden,
So bei Christen oft entsteht,
Mir sehr hart entgegengeht,
Soll mich’s doch von ihm nicht scheiden:
Er ist mir in’s Herz gericht’t:
Meinen Jesum laß ich nicht.
Als hierauf sein Stadtpfarrer Wicke im Jahr 1644 starb, hoffte er nach einem alten hundertjährigen Brauch in dessen Stelle vorrücken zu dürfen. Tief fühlte er sich jedoch gekränkt, als er von dem Senat zu Greifswalde, der die Nomination hatte, dem Sohn des Generalsuperintendenten Battus nachgesetzt wurde. Alle Bitten der Gemeinde, die mit größter Liebe an Flittner hieng, halfen nichts. Flittner versicherte zwar in einem Brief an den Rector zu Greifswalde, er wolle des Sprüchworts eingedenk seyn: „bis vincit, qui se ipsum vincitˮ. Allein es kam dennoch zu allerlei ärgerlichen Auftritten zwischen ihm und seinem neuen Stadtpfarrer. Als dieser endlich am 9. Okt. 1673 starb, wurde ihm zwar die vorläufige Verwaltung der Stadtpfarreigeschäfte übertragen; allein der ihm beigegebene Pastor Solden stritt gleichfalls mit ihm und verklagte ihn beim neuen Generalsuperintendenten; der alte Battus war nach Jahresfrist seinem Sohn im Tode nachgefolgt, und er erhielt die Stelle abermals nicht. In seinem Rechtfertigungsschreiben sagte er:
„Es ist nun die Zeit meiner Anfechtung und Verachtung kommen. Gott vergebe es denjenigen, welche mir so viel Widersacher auf den Hals laden; der Herr wird sie schon finden. Gott vocire mich nur von hinnen.“
Dieser Wunsch sollte ihm auch bald erfüllt werden: er durfte, als der neue Stadtpfarrer Wangerin schon im folgenden Jahr 1676 starb, die neue Besetzung der Stelle nicht mehr erleben und ward mit abermaliger Kränkung verschont. In dem selben Jahre nämlich mußte Flittner nach Ausbruch des zweiten brandenburgischen Kriegs vor den Bedrückungen des brandenburgischen Feindes, der außer Stralsund ganz Pommern diesseits der Perne besetzt hatte, abermals nach Stralsund flüchten. Hier in seiner alten Freistätte starb er, nachdem er bei der Belagerung, die Stralsund erleiden mußte, seine ganze Bibliothek und alle seine Manuscripte eingebüßt hatte, an der damals grassirenden weißen Ruhr, die ihn lange Zeit auf’s Krankenlager gelegt hatte, am 7. Jan. 1678, des Streites müde und nach dem ewigen Frieden sehnlich verlangend. Wenig und böse war die Zeit seines Lebens, 1. Mose 14, 9. Die beständigen Streitigkeiten mit seinen Stadtpfarrern verbitterten ihm das Leben, doch blieb er mit seinen Beichtkindern bis an sein Ende im besten Vernehmen, also daß die Schuld wohl nicht an ihm zu suchen ist, denn sein Nachfolger hatte noch schwerere Kämpfe zu bestehen. Er hatte auch oft und viel mit bittern Nahrungssorgen zu kämpfen, um sich und seine Familie durchzubringen, und so klein auch sein Gehalt war, blieb ihm die Kirche denselben öfters schuldig, so daß er Schulden machen mußte. Sein Trostgedanke war dabei der:
Selig, ja selig, wer willig erträget
Dieser Zeit Leiden, Verachtung und Streit,
Welches nach dieser Vergänglichkeit pfleget
Mit sich zu bringen die ewige Freud.
Selig, wer Alles um Jesum erduldet!
Droben im Himmel wird’s doppelt verschuldet.
Späterhin wurde von seinen 5 Kindern, die er hinterließ, ein Sohn, Johann Friedrich, Bürgermeister in Grimmen.
Er hat elf geistliche Lieder gedichtet, von denen J. Olearius sagt: „Sie sind von sonderbarer Süßigkeit und herzlichem Trost“. Ein gewisser weicher, fast schmelzender Liebeston ist in denselben vorherrschend, der Vorklang des Halleschen Liedertons. Dabei sind sie vor manchen dieser Zeit durch eine gefeilte und reine Sprache ausgezeichnet. Die meisten derselben hat er auch als guter Musikverständiger mit eignen Melodien geschmückt. So finden sie sich in dem von ihm während seines ersten Fluchtaufent halts in Stralsund vom Herbst 1659 bis Mai 1660 ausgearbeiteten Werke, das den Titel hat:
„Himmlisches L u s t = G ä r t l e i n, in welchem zu finden: Allerhand schöne Beicht= und Communion=Gebet, Historien= und Lieder=Blümlein, gepflanzet auß dem großen Paradieß=Garten der h. Schrifft und reinen Kirchen=Lehrern von J. Flittnern, Prediger zu Grimmen in Vor=Pommern. In Verlegung des Autoris. Greifsswald, Druck des Matthäus Dolscher, der Academia Buchdrucker. 1661.“
Mit einer Widmung an die Räthe der Vor=Pommerischen Städte Greiffswald, Anklam, Demmin, Wolgast, Barth, Grimmen, Tribbeses, Loitz, darinnen dieselben dahin vermahnet werden, die Sabbaths=Entheiligung ernstlich abzuschaffen und abzustrafen und über der Heiligung des Sabbathtages und dem lieben Gottesdienst mit Ernst zu halten. Das Werk besteht aus nachfolgenden 5 Theilen:
- Soliloquium confessorium, d. i. Beicht=Gespräch zwischen Christo und einem armen Sünder.
- Soliloquium Eucharisticum, d. i. Abendmahls=Gespräch.
- Thymiama Quotidianum, d. i. tägliches Räuch=Opffer.
- Armamentarium Historicum, d. i. historische Rüst=kammer.
- Suscitabulum Musicum, d. i. Musicalisches Weckerlein,
welches in sich begreifft allerhand schöne neue und geistreiche Buß=, Beicht=, Abendmahls=, Dank=, Morgen=, Tisch=, Abend=, Himmel=, Höllen= und andere andächtige Lieder, welche sich fein zu denen vorher gehenden Tractätlein, schicken gar artig zu denselben gezogen und mit großem Nutzen gebraucht werden können. Solches hat aus den neuesten und lieblichsten Autoribus verfertiget J. Flittnerus, Sula-Hennebergicus, Prediger in Grimmen.
In der Vorrede zu diesen 5 Theilen, in welchen neben 33 der besten geistlichen Lieder andrer Dichter jene 11 eigens von Flittner selbst gedichteten Lieder eingereiht sind, sagt er:
„Ich habe es an allerhand Instrumenten und Compositionen nicht gebrechen lassen, dem lieben Gott mit einer Hausmusik zu dienen und zu loben, wovon ich ohne Ruhm zu melden, auch eine kleine Wissenschaft habe, und habe dabei weder die Alten noch Neuen Componisten verachtet, sondern sie zugleich und neben einander hertraben lassen wollen.“
Die verbreitetsten seiner 11 Lieder, von welchen 9 in das Nürnberger G. von 1677 aufgenommen wurden und 4 jetzt noch in den Pommer’schen Kirchen gebraucht werden (*), sind:
* „Ach! was soll ich Sünder machen“ ─ Beichtgesang mit dem Beisatz: „Omnia si perdam, Jesum servare studebo, d. i. „Sollt ich alles Andre missen, Ey! so will ich Jesum doch zu behalten seyn beflissen“ ─ ein Lied, von dem Gabr. Wimmer sagte: „Darinn findet mein Herz sein gewisses Labsal, Refrigerium.“
* „Jesu, meiner Seelen Weide“ ─ nach dem Genuß des h. Abendmahls mit dem Refrain: „Jesu, bleibe stets bei mir“.
* „Jesu, meines Herzens Freud, süßer Jesu“ **) ─ vor dem Genuß des h Abendmahls. Uebersetzung des Lateinischen „Salve cordis gaudium, salve Jesu, pectoris incendium“. (Freylingh. G. 1704. 358. Gesammt=Ausg. von 1741, Nr. 871.)
* „Menschenhülf ist nichtig, Gunst und Kunst ist flüchtig“.
* „Selig, ja selig, wer willig erträget“ ─ Röm. 8, 18. Irrthümlich Mich. Franck zugeschrieben.
* „Was quälet mein Herz für Trauern und Schmerz“ ─ die Begier nach Jesu.
Quelle:
Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche. Von Eduard Emil Koch, Dekan, ordentlichem Mitglied der historisch=theologischen Gesellschaft zu Leipzig. Erster Haupttheil: Die Dichter und Sänger. Dritter Band. Dritte umgearbeitete, durchaus vermehrte Auflage. Stuttgart. Druck und Verlag der Chr. Belser’schen Verlagshandlung. 1867. [Seite 442f; Digitalisat]
Kompositionen:
„Ach mein Jesu, sieh, ich trete“