Offenbarung 2, 8-11 (Blumhardt)

8 Und dem Engel der Gemeinde zu Smyrna schreibe: das sagt der Erste und der Letzte, der tot  war und ist lebendig geworden: 9 Ich weiß deine Werke und deine Trübsal und deine Armut (du bist aber reich) und die Lästerung von denen, die da sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern sind des Satans Schule. 10 Fürchte dich vor der keinem, das du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen, auf daß ihr versucht werdet, und werdet Trübsal haben zehn Tage. Sei getrost bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. 11 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem andern Tode.

Das, Ihr Lieben, sage ich am heutigen Tag gerne, weil wir hier in einem Diakonissenhaus sind, da wir doch mehr oder weniger auch bis an den Tod müssen treu sein.  Wir dürfen dieses Sendschreiben gewiß in besonderem Sinn für uns jetzt nehmen, für die besonders, welche an Kranken- und Sterbebetten mit dem Heiland wollen durchkommen und ihre Sache recht machen. Da gibt es ja viel Trübsal, auch viel Armut und man spürt oft auch viel Widerstand und Lästerung, daß es Einem entgegenkommt, wie wenn man seine Sache nicht recht machen würde, oder wie wenn die ganze Sache nichts wäre, die wir treiben. Da will es uns oft recht schwer werden, und es ist nicht nur Schein, sondern es kommt zu einem wirklichen Leiden, daß wir in dem, das wir dem Heiland dienen, oft recht recht schwer leidend werden, wie man es an solchen Häusern wie das Eure häufig erfährt, daß auch die liebsten und tüchtigsten Personen einem oft krank werden und sterben. Es geht oft, wie wenn Einem Alles müßte schwer gemacht werden. Aber nicht nur zu einem Diakonissenhaus redet der Heiland hier, sondern zu Allen; es kann auch Manches von uns in eine solche Lage kommen.

Ja, lieber Christ, einmal kommst Du in eine Lage, da muß Dein ganzes Wesen stärker sein als der Tod, da gilt es: entweder ich oder der Tod, wer gewinnt es? Wer hat die Uebermacht? So lange man so jung ist wie Ihr, liebe Kinder, weiß man davon noch nichts; ein wenig ältere Leute erfahren es schon mehr, und je älter man wird, desto mehr wird man’s inne, daß das Finstere des Todes, welches ein Recht nimmt an unsere Person um der Sünde willen, über uns kommt wie ein gewappneter Mann, der Einen erschlagen will, und so kommt es, daß schließlich bei jedem Menschen der Kampf kommt zwischen Tod und Leben, ja zwischen Dir und dem Tode.

Smyrna ist deswegen eine Gemeinde, die sehr ausgebreitet ist; es sollten Alle Smyrna heißen, wer den Namen des Herrn Jesu nennt, aber freilich, es heißt nur das Christenvolk Smyrna, welches mit Bewußtsein in den Kampf eintritt und im Namen Jesu ewiges Leben geltend machen will gegen die Sünde und den Tod. Das ist Smyrna, welches Tag für Tag unter allen Vorkommnissen des Lebens sich in Acht nimmt, in der rechten Erkenntnis, wie es in der Welt steht, kämpfend gegen den Tod zu stehen weiß und mit Recht glaubt, daß nichts, was von Tod in der Welt ist, uns umbringe, sondern es immer wieder heißt: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werk verkündigen“ (Psalm 118, 17). Ihr wisset wohl, wie viele Gesellschaften von Menschen oft durch das Sterben zusammen geschlagen werden; ich habe erst kürzlich Eltern bei mir gehabt, denen starben in zehn Tagen ihre vier Kinder. Jetzt, was machen? Die waren so zusammengeschlagen, daß man keinen Rat wußte; und wie oft kommen Einem Menschen vor, bei denen nichts mehr übrig bleibt, an dem man Leben wecken kann, wenn die Wucht des Todes herein kommt, und es ist gerade, wie wenn da, wo ein Uebel einbricht, der Feind eine Freude hätte, ein zweites nach zu schicken, und dann noch eins, bis der Mensch tot ist.

Deswegen heißt es auch: es kommt kein Uebel allein, und deswegen erfährt man es häufig, daß wenn einmal irgendwo ein Bruch des Lebens anfängt zu werden, so ist’s, als ob es kein Ende mehr hätte.  Ihr wisset es ja wohl, wie groß der Jammer ist, wenn wir uns das so vorstellen, daß hinter unserm Leben ein krasser Feind steckt, der unsern Geist dämpfen will, namentlich den Geist, der in das Leben strebt, der mit Jesus aufwärts will, so merket Ihr, daß es zu einem Zusammenstoß kommt der äußersten Mächte von links und rechts; mehr oder weniger kommt es bei jedem Christen zu einem Augenblick, da Tod und Leben wider einander streiten, da Du Dir sagen mußt: Ich will Leben haben, weil Jesus lebt, ich gebe nicht nach, ich will Sieg haben.

Das ist Smyrna, und zu diesem Smyrna redet der, der sich den Namen gibt: „Ich bin der Erste und der Letzte“. Damit will Jesus sagen: Du Smyrna, Du gehörst mir, denke dran besonders auch im Tod; und wenn Dir der Tod den Kopf herunter schlägt, Du mußt nicht tot bleiben; Ich bin lebendig geworden, Du sollst auch lebendig werden; für Dich bin ich Der, „der tot war und jetzt lebet“ (Offenbarung 1, 18), das sei Dein Trost. Aber merket wohl, der Heiland will nicht sagen: ich will Euch leicht durchbringen, Ihr dürft ganz behaglich hinüber säuseln, so sagt Er nicht, sondern Er will damit sagen. Denket an mich, ich war auch tot, aber da bin ich wieder, so geht es Euch auch.  Das ist ein guter Trost und ein ausreichender Trost; es wäre kein ausreichender Trost, wenn Er sagen würde: Ich mache es euch leicht, jetzt aber heißt es: Sei ein Kämpfer, hinterdrein, nach Kampf und Streit bist Du wieder da, wie ich, darum fürchte Dich nicht (V. 10). Leiden mußt Du, zum Leiden sind wir Alle da; wer es mit dem Heiland hat, der muß durch, man kann es ihm nicht so bequem machen, es gibt Leiden für den, welcher kämpfen will mit Jesu, Leiden, wo es hart zu geht und wo wir mit einem sterblichen Leibe müssen die Lebendigen sein; wir werden an unserm Leben da und dort angegriffen werden, und da muß man in sich die Kraft haben, selbst in den Tod zu gehen. Fürchte Dich nicht, und wenn der Teufel noch dazu kommt, sei getreu bis an den Tod. Denn es muß auch so kommen, daß selbst Satan sich noch an Dir vergreifen darf, wenn es zum Sieg hindurch soll. Könnt Ihr es? Wisset Ihr es? Ich meine, wenn es uns klar wird, wie die Sachen stehen, wie persönlich der Kampf ist und wie reell die Sache ist, um die wir kämpfen, dann können wir es; dann können wir uns selbst in das Gefängnis werfen lassen. Die Apostel sind gar nicht so siegesgewiß, wie es heute viele Leute gibt;  Paulus weiß sich von Satan geschlagen, alle Tage, der sagt gar nicht, daß Satan überwunden sei; ja, Jesus hat ihn überwunden für Seine Person, aber es gilt jetzt, daß er ganz auch von uns überwunden wird, und es kann geschehen, daß er uns noch in das Gefängnis wirft; und es geschieht auch, aber man kann nur nicht alles sagen.  Merket es Euch Alle, und ich will beten, daß der Heiland Euch die Augen aufthut bei Zeiten. Laßt Euch zehn Tage hinein werfen und seid still, der Heiland sagt ausdrücklich zehn Tage, das heißt eine bestimmte Zeit, das geht herum. Es ist besser, wir haben ein getrostes Herz in diesen zehn Tagen, als daß wir sie zu Jammertagen machen, es geht ja vorbei. Laßt es Euch nicht so anfechten, von welcher Seite es auch kommt, daß Eure Seele geknechtet wird, es geht vorbei, und je stiller wir sind, desto leichter geht es vorbei, je stiller und je gottergebener wir sind, desto leichter kann es aufhören, und man kann auch in das Gefängnis den Heiland nehmen. Das ist gut, daß der Heiland überall hinein kann, man kann mich einsperren, wo man will, es ist einerlei, der Heiland ist überall bei uns und dann bildet sich ein Himmel über uns, wie es auch der Joseph im Gefängnis erfahren durfte.

So müssen wir es halten, und dann heißt es: Fürchte Dich nicht und sei getreu bis an den Tod, so wirst Du die Krone des Lebens ererben,  d. h. dann bekommst Du die Macht für das Leben; es ist das nicht in der Ewigkeit, da hat man auch Kronen, aber die Krone des Lebens brauchen wir heute schon, und ganz im Verborgenen kann der Heiland uns eine Krone aussetzen, wenn wir treu sind; dann kommt im Verborgenen etwas vom Himmel, und vor dem geht der Teufel durch und der Tod, dann wird es leichter, es fällt von unserer Persönlichkeit das Schwerste herunter, weil wir inwendig die herrschenden Leute bleiben, dann ist es gewonnen.  Wer das hat und solchen Glauben erlangt vom Heiland, dem ist die schwerste Lage zum aushalten, der hat eine Freude, wenn etwas kommt, damit er seinen Glauben beweisen kann in der Hoffnung.  Man muß nur gleich dran denken: jetzt gilt es, und Aushalten; wer das tut, der gewinnt es nicht nur in dieser Welt, der hat es auch gut in jener, denn dem darf auch kein Leid geschehen von dem andern Tode.  Das ist ein böser Tod, der andere; wir schauen oft nur diesen Tod an, der vor uns liegt, aber die allerärgsten Todesschmerzen sind eine Bagatelle gegen[über] dem, was kommt drüben, wenn wir nicht gleich überkleidet werden, sondern entkleidet und es dort noch einmal zu einer Berührung kommt vom andern Tode; namentlich wird es uns am allermeisten leid sein, nicht wider diesen Tod gekämpft zu haben.  Wenn wir es aber gewinnen, daß auch der andere Tod vor uns zurückweichen muß, weil der Heiland, der tot war und lebet, in uns drin ist und wir in Kraft seines Namens überwunden haben, dann sind wir selige Leute, dann haben wir es in einer Weise gewonnen daß wir zu den Streitern gehören dürfen, die mit dem Heiland auf den großen Sieg hinwirken dürfen. Nun Ihr Lieben wer weiß was uns noch begegnet ich stehe gegenwärtig immer so daß ich mich auf Alles gefaßt mache Als ich neulich meinen Geburtstag feierte wurde ich daran erinnert daß ich habe müssen im letzten Jahre 9 Gräber aufmachen und zwar mein Liebstes hat mir der Tod weggerissen was machen Und jekt kommt es mir noch so vor als ob die zehn Tage noch nicht herum wären aber auch abge sehen von meinen Befürchtungen habe ich es in weiten Kreisen auch so erfahren ich stehe in Verbindung mit vielen Menschen und ich könnte Euch Dukende von Leuten sagen die voller Freudig keit waren in Gott und auch einmal hörten sie Lästerungen in sich sie mußten fluchen gegen ihren Willen selbst den Heiland ver fluchen den sie doch von ganzem Herzen liebten Da muß ich allemal an das denken Der Teufel wird Etliche von Euch in’s Gefängnis werfen Es häuft sich viel um uns her viel Unklarheit viel äußerliches Christentum und mein Eindruck ist der wir sind noch nicht am Ende unserer Gefangenschaft Darum wollen wir uns fest machen denket nicht es müsse immer gut gehen sondern denket an die zehn Tage der Gefangenschaft dann mag kommen was will treu wollen wir sein bis in den Tod und je ärger es in unser eigenes Fleisch geht desto sester wollen wir sein und wenn man uns selbst in den Tod wirst wir wollen fest sein bis an den Tod.  „Sei getreu bis an den Tod!“ – das rufe ich Euch zu. Und so sei Jesus Christus mit Euch, ja, Immanuel, Gott mit Euch, der Starke, der Alles ausrichten kann bis in die Hölle hinunter. Gott mit uns, in Jesus, dann haben wir Sieg für jetzt und in Ewigkeit. Darin wollen wir verbunden sein, darin wollen wir kämpfen, dulden, leiden, streiten, darin wollen wir auch den sicheren Sieg haben.  A m e n.

Gebet.

Ja, lieber Heiland, sei Du mit uns, als der Mächtige, der Starke!  Dich rufen wir an, Herr Jesu; laß es bei uns durch alles hindurch siegreich werden, daß unsere Sache aus dem Tode herausgehoben wird Durch Deinen Geist, wenn wir auch arm, und trübselig und leidend erscheinen müssen in dieser Welt. O, dennoch hilf uns, dennoch, Herr Jesu, laß es uns empfinden in unsern Herzen, daß Du lebst, und gib uns Stärke, und im rechten Augenblick die rechte Gesinnung.  Dir übergeben wir dieses ganze Haus mit den Dienenden und mit den Leidenden, mit denen die krank sind und die vielleicht bald sterben müssen, und mit denen, die genesen sollen. Auch die lieben Kinder übergeben wir Dir, Herr Jesu, wir wissen wohl, daß der Teufel ihrer Viele wird noch angreifen, und was sollen wir sagen? werden sie Stand halten? werden sie treu sein, auch im Gefängnis?  werden sie Glauben halten, unsere lieben Kinder?  Du, Herr, Du mußt es machen, Du mußt es geben. Wir wollen einander fest halten in der Liebe, in der Fürbitte, in der Kraft des Glaubens, und eine Gemeinde sein, die die Aufgabe hat, auch ihre einzelnen Glieder im Auge zu behalten und bis vor Deinen Thron durchzudringen, daß ein Sieg um den andern kommen möge, daß wir auch den andern Tod unter die Füße treten können. Ja, Herr Jesus, gib uns ewiges Leben, gib Kraft, gib Sieg unter uns und mit uns und durch uns, in Deinem Jesusnamen, der Du lebest und der Du durch den Tod mußtest. Wir müssen auch noch Tod schmecken, aber wir wollen doch leben, wir wollen Deine Werke verkündigen. So nimm Dich unser an und bleibe bei uns, und laß uns Alle in Deiner Gnade stark sein.  A m e n.

Gesang.

Wort an Smyrna.  (Bibellieder 279)

„Ich weiß Dein Tun, wie’s um Dich steht,
Die Trübsal, die Dich drückt,
Die Armut, welche Dich umfäht,
Doch bist Du reich geschmückt.“

„Die Lästerung ist Mir bekannt
Von Juden, die’s nicht sind,
Doch Ich, obwohl sie so genannt,
Aus Satans Schul‘ sie find‘.“

„Du fürchte vor der keinem Dich,
Das jetzt Du leiden wirst,
Wenn auch der Teufel sonderlich
Nach Eurem Blute dürst’t.“

„Sieh, etliche wirft seine Wut
In das Gefängnis hin.
Versuchlich wird der Trübsal Glut
Zehn Tag‘ bei Euch verzieh’n.“

„Doch sei getreu bis an den Tod,
So will Ich geben Dir
Nach überstand’ner Angst und Not
Der Lebenskrone Zier.“

Wer Ohren hat, hör‘, was der Geist
Hier den Gemeinen sagt:
Den, der ein Ueberwinder heißt,
Der and’re Tod nicht plagt.

Quellenangaben:

Andachten von Pfr. Chr. Blumhardt im Diakonissenhause zu Straßburg am 6.-10. Juni 1887. Neue Druckerei, Weißenburg. [S. 36-40Digitalisat]

Lied Nr. 279, in: Bibellieder oder in singbare Reime gebrachte Stellen der Heiligen Schrift nebst einigen Fest- und Missionsliedern, von Joh. Christoph Blumhardt, weiland Pfarrer in Bad Boll. Zum Gebrauch in Bad Boll neu herausgegeben von Christoph Blumhardt. Zweite, vermehrte Auflage. Im Selbstverlag des Herausgebers. Stuttgart. Druck von Chr. Scheufele. 1884. [Digitalisat]


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Eingestellt am Buß- und Bettag, 19. November 2025