Lukas 2, 10 (Roos)

Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; (Lukas 2, 10)

Der Unglaube und die Not sind auf Erden so groß und so gewöhnlich, daß die Menschen zu einer großen Freude über die Werke und Gaben Gottes selten erweckt werden können. Die Hirten auf dem Feld bei Bethlehem fürchteten sich sehr, als des HErrn Engel zu ihnen trat und die Herrlichkeit des HErrn sie umleuchtete. Hierauf sagte dieser Engel zu ihnen:

Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude.

Das ist, ich verkündige euch etwas, worüber ihr euch sehr freuen sollet. Es geschah auch bei ihnen ein Übergang von der Furcht zu Freude; denn sie priesen und lobten hernach Gott um Alles, das sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war (Vers 20). Allein die erfreuliche Sache, welche der Engel den Hirten verkündigte, ging das ganze Volk Israel an, und dieses ganze Volk sollte sich darüber freuen, so bald und so weit sie kund werden würde. Es wird aber hernach (V. 18) nur gesagt, die Leute haben sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten, verwundert. Von einer Freude und von einem fröhlichen Zulauf und Zuruf haben die Evangelisten nichts gemeldet. Nur Maria und Elisabeth, Simeon und Hanna freuten sich mit etlichen Wenigen über Jesu und lobten Gott wegen Seiner Erscheinung.

Weil sich nun die Menschen wegen der Erscheinung des Sohnes Gottes unter ihnen nicht freuen wollten, so verbarg Ihn der himmlische Vater vor ihnen durch die Flucht in Aegypten und durch den stillen Aufenthalt zu Nazareth. Da Er hernach als ein Lehrer und Wundertäter auftrat, als Er das Werk der Erlösung vollendete, und als das Evangelium von Ihm in der ganzen Welt gepredigt wurde, so waren derjenigen, die Ihn im Unglauben verachteten, mehr als derer, die sich Seiner freuten. Und so steht’s noch heut zu Tage in und außer der Christenheit, da doch (Ps. 89, 15-17) von Christo geweissagt worden ist:

Gerechtigkeit und Gericht ist Deines Stuhles Festung; Gnade und Wahrheit sind vor Deinem Angesicht. Wohl dem Volk, das jauchzen kann. HErr, sie werden im Lichte Deines Antlitzes wandeln, sie werden über Deinem Namen täglich fröhlich sein, und in Deiner Gerechtigkeit herrlich sein.

Es wird auch den Menschen die Freude über Christum Ps. 2, 11; 149, 2; Zach. 9, 9; Röm. 15, 10; Phil. 4, 4 und anderswo geboten. Es ist auch einem großen Wohltäter nicht gleichgültig, ob man sich über sein großes Geschenk freue oder nicht.

Die erfreuliche Geburt des Heilandes geht auch mich an. Ich mag arm oder reich, verachtet oder geehrt, krank oder gesund sein, so ist doch gewiß, daß auch mir der Heiland geboren worden sei. Jes. 9, 1-3 wird geweissagt, daß der Messias zu einer trübseligen Zeit erscheinen, und damals wegen großer Bedrängnisse von den Heiden wenig Freude in Israel, und sonderlich in Galiläa sein werde; und doch wird V. 3 hinzugesetzt:

Vor Dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.

Die Freude vor dem HErrn, in dem HErrn, und über Seiner Menschwerdung und Erlösung hängt also nicht von den Vorteilen der bürgerlichen, häuslichen und kirchlichen Verfassung ab. Es stehe da, wie es wolle; so kann und soll man sich vor dem HErrn freuen; ja freuen soll man sich, daß man einen Heiland habe, durch den man geistlich und himmlisch reich werden kann, wie man durch eine Ernte oder Beute einen irdischen Reichtum bekommen kann.

(Magnus Friedrich Roos)

Quelle: Glaubensstimme – Christliche Texte aus 2000 Jahren

Verweise auf Bibelverse: Luther 1912 (bibeltext.com, bibel-online.net)


Eingestellt am 31. Oktober 2022