Kolosser 3, 11: Alles und in Allen Christus

Da nicht ist Grieche, Jude, Beschnittener, Unbeschnittener, Ungrieche, Scythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus. (Kolosser 3, 11)

Tröstlich ist die Versicherung, welche uns der Apostel Paulus Koloss. 3, 11. gibt: „Alles und in Allen Christus.“ – Der Apostel redet von Christo, dem großen Mittler des neuen Bundes, welcher als Prophet den ganzen Rat Gottes von unsrer Erlösung uns in seinem Evangelio bekannt gemacht, als Hoherpriester sich für uns als Opfer zu unserer Versöhnung dahingegeben, und als Herr und König den bußfertigen Sündern Gnade zusichert und schenkt, sie regiert und schützt. ─

Von diesem Christo bezeugt Paulus: Er ist Alles. – Und dieses ist auch Christus. – Er kann alles, was wir zum Heil unsrer Seele bedürfen, in uns wirken, was kein Mensch vermag, und wir selbst nicht vermögen. Fehlt es uns an Licht und Erkenntnis: Er ist unser Licht, und kann uns durch das Wort seines Evangeliums erleuchten. Haben wir bei unserem Forschen nach Wahrheit mit Zweifeln zu kämpfen: Er ist die Wahrheit, kann die Zweifel heben und uns in unserem Glauben befestigen; Er ist das Leben und kann uns zum neuen Leben erwecken. Haben wir ein verwundet Herz und Gewissen: Er ist der Arzt, welcher dieses heilen kann. Sind wir mit Sünden beschwert, die uns drücken: Er ist unsere Gerechtigkeit, durch den wir vollkommene Vergebung unserer Sünden erlangen können. Sind wir von Sünden Gefangene: Er kann uns als solche von den Sünden-Banden frei machen. ─

Alles ist Christus, in allen Lagen und Umständen unsres Lebens. In Armut ist Er unser Reichtum, im Mangel unser Segen, in Verlegenheit unser Rat, in Traurigkeit unsere Freude, im Leiden unser Trost, in Schmach unser Ruhm, in Dunkelheit für uns Sonne der Gerechtigkeit, in geistlicher Dürre unsere Erquickung. ─

Er weiß uns als Träge zu wecken, als Verzagte zu ermuntern, als Müde zu starken, als Verirrte zurecht zu bringen, als Zerstreute wieder zu sammeln, und als Gefallene wieder aufzurichten. – Christus ist Alles, nicht bloß zu gewisser Zeit, sondern immerfort, durch alle Zeiten unsres Lebens hindurch. Er ist der Anfänger und Vollender unsres Glaubens. Er will nie von uns weichen, uns nie verlassen und versäumen. Er will im Tode mit uns, in den Augenblicken, wenn Leib und Seele verschmachtet, unsers Herzens Trost und Teil sein (Ps. 73, 26). Er will uns dereinst, wenn Er uns in die ewigen Wohnungen des Friedens aufgenommen hat, Alles sein. Alsdann will er die Schätze seiner Allgenugsamkeit öffnen, uns mit seinem Lichte völlig bestrahlen, und mit ungestörtem Frieden uns erfreuen. ─

Aber in welchen ist Christus Alles? Paulus sagt: in Allen. Da meint er aber nicht alle und jede Menschen ohne Unterschied. Er meint nicht die Sündenknechte, welche die Finsternis mehr lieben als das Licht, die Gnade Gottes, die ihnen im Evangelio angeboten wird, verachten und diese durch ihr sicheres Sündenleben von sich stoßen. Er meint nicht die Heuchler, welche den Schein der Gottseligkeit haben und die Kraft derselben verleugnen (2. Tim. 3, 5), die Christum wohl auf der Zunge, aber nicht im Herzen haben, die ihn mit dem Munde bekennen und annehmen, aber mit ihrem Leben verwerfen. Er meint nicht fleischlich und weltlich Gesinnte, welchen die Welt mit ihrer Lust Alles, Christus aber Nichts ist. Paulus meint, wenn er sagt: „Alles und in Allen Christus,“ alle gläubige, rechtschaffene Christen, welche Jesum durch Glaube, Liebe und Gehorsam ehren; da sieht er nicht auf Stand und Ansehen, nicht auf Geschlecht und Abkunft; nicht auf Alter. Es mag Einer jung oder alt, reich oder arm, hoch oder niedrig sein; ist ihm nur Jesus Alles, daß er an Ihn glaubt. Ihn liebt. Ihm folgt: so ist Jesus ihm Alles: Hirte, Führer, Fürsprecher, Seligmacher. ─

Fragst du, mein Christ, der du noch so schwach im Glauben bist und dich so sündlich und elend fühlst: Bin ich auch wohl gemeint? Ja, du bist gemeint! Denkst und sprichst du: könnte ich das nur recht von mir sagen: Jesus Christus ist für mich Alles. – Gewiß, wenn du dies für dich von Herzen wünschest, gern durch Ihn gerecht und selig werden willst: so wird dein Jesus für dich Alles sein, du magst noch so arm, so schwach und elend in deinen Augen sein; denn Paulus sagt nicht: Mir und meinen Mitaposteln ist Christus Alles; er sagt auch nicht: dem Starken und Freudigen im Glauben, dem geförderten Christen ist Christus Alles, sondern er sagt: „Alles und in Allen Christus“. 

O, wohl uns, wenn wir dieses erfahren; alsdann werden wir erst recht inne werden, welchen großen Segen wir der Erscheinung Jesu in diese Welt zu verdanken haben. Dann können wir so recht mit Wärme des Herzens den Herrn preisen! „Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn! Meine Seele erhebet den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes“; denn wir wissen, daß der Herr den Elenden, denen, die zerbrochenen Herzens sind, den Gefangenen und Gebundenen zum Segen gesandt ist.

(Anton Hermann Nourney: Würde und Zweck der Sendung Jesu)

Quelle: Glaubensstimme – Die Archive der Väter


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Kolosserbrief — ► Kolosser 3, 12

Eingestellt am 21. Oktober 2022