Jesaja 40, 31

Aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden. (Jesaja 40, 31)

Der Zustand der Gläubigen im alten Testament war gewiß der besondersten Erbarmung, Treue und Stärkung Gottes benötigt. Es ist nichts Geringes, etliche Tausend Jahre auf die Erfüllung einer einzigen, und zwar der unentbehrlichsten Verheißung, daß ein Erretter und Heiland kommen solle, zu hoffen. Die zunehmende Gottlosigkeit, die häufigen Gefangenschaften und schweren Gerichte, der immer längere Verzug der Ankunft Jesu mußten wohl manche in eine dem Verzagen nahe Verlegenheit versetzen. Eben darum aber häufte auch der Herr in den Propheten seine köstlichen Verheißungen. Er stärkt sie, Er bittet sie gleichsam von einer Zeit zur andern, noch ein wenig zu harren und sich indessen auf Ihn zu verlassen. Das ist der Inhalt der obigen Worte.

Auf die Klage: Mein Weg ist dem Herrn verborgen, mein Recht geht vor Ihm über, spricht der Herr: „Ich werde nicht müde und matt! Ich will die Müden stärken“. – Ach, oft geht es auch mir so in meinem Unglauben, daß ich denke: „Vielleicht bin ich Ihm zu gering, daß Er meiner achten sollte? Habe ich Ihm doch schon Mühe genug mit allen meinen Sachen gemacht“ oder: „Dieses Kreuz, diese Versuchung muß dem Herrn verborgen sein. Könnte Er sie schicken, warum werde ich denn müde und matt? Oder wenn Er es weiß, warum läßt Er mich denn in solchem Zustand?“

Gottlob, daß Er sich selbst den unerforschlichen Verstand nennt, dem nichts verborgen ist, und den unermüdeten Gott, der stark genug ist, die Müden zu stärken, und uns vorhält, daß, da die Schöpfung der ganzen Welt seine Kräfte nicht erschöpft habe, die Stärkung eines armen, dürftigen Menschen sie gewiß nicht erschöpfen werde. Wir können niemals sagen: Dies oder jenes ist Gott zu viel. Er braucht nie Stillstand und Ruhe. Er ist immer tätig und wirksam. Er gibt aus seiner ewigen Fülle uns armen Sündern Kraft so viel wir bedürfen, die eine, daß wir wie die Adler uns im Gebet und Glauben zu Gott emporschwingen dürfen, die andere, daß wir in der Heiligung laufen und wandeln, ohne müde zu werden. Goldnes Sprüchlein! Bin ich denn müde, Gott gibt Kraft den Müden; bin ich unvermögend, Er gibt Stärke genug den Unvermögenden; meine Ohnmacht ist so klein, wie ich selbst bin, aber Seine Kraft ist so groß, wie Er ist. Wohl mir, aus dem Müden soll zuletzt noch ein Laufender, aus dem Klagenden ein Jauchzender werden!

Amen.

(Johann Friedrich Wilhelm Arndt)