Daniel 7: Das Gesicht von den vier Tieren

Das Gesicht von den vier Tieren. Kap. 7.

Daniel schaut die Entwicklung der 2, 36 ff. geschilderten Weltmacht und ihr Ende durch den Messias. Es ist der erste Grundriß einer Weltgeschichte. Auch hier hat man Lange im vierten Reich das römische gefunden und darum auch einen späteren Antichrist in dem kleinen Horn, während doch 8, 9 ff. 9, 26 f. ziemlich deutlich auf Antiochus weisen, daher wir ihn auch schon in diesem Gesicht V. 8 finden müssen.

V. 2. Daniel erzählte: ich sah ein Gesicht in der Nacht, und siehe, die vier Winde des Himmels stürmten auf das große Meer.  3. Und vier große Tiere stiegen herauf aus dem Meer, eines verschieden vom andern.  4. Das erste war wie ein Löwe und hatte Adlersflügel. Ich schaute, bis daß ihm die Flügel ausgerissen wurden, und es von der Erde aufgehoben und auf seine Füße gestellt und ihm ein Menschenherz gegeben wurde.  5. Und siehe, ein anderes Tier gleich einem Bären, erhob sich nach einer Seite und hatte in seinem Maul zwischen seinen Zähnen drei Rippen.   Und man sprach zu ihm: Stehe auf und friß viel Fleisch.   6. Nach diesem sah ich ein anderes gleich einem Pardel, das hatte vier Flügel auf seinem Rücken und vier Köpfe und ihm ward Gewalt gegeben.  7. Nach diesem sah ich ein viertes Tier, schrecklich und sehr stark, es hatte große eiserne Zähne, fraß und zermalmte, und das Uebrige zertrat es mit seinen Füßen; es war verschieden von allen Tieren vor ihm und hatte zehn Hörner.  8. Ich gab Acht auf die Hörner, und siehe, zwischen ihnen stieg auf ein anderes kleines Horn, vor welchem der ersten Hörner drei ausgerissen wurden, und siehe, dies Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein Maul, das große Dinge redete.

Die Tiere entsteigen dem Meer, d. i. (V. 17) der von höheren Mächten aufgeregten Völkerwelt. Nebukadrezar ist der Löwe, der ein Menschenherz bekam, d. h. 4, 14 sich unter Gott demütigte. Ihm folgte der Meder, ein Bär, der sich nur einseitig aufrichtet, weil seinem Reiche volle Selbständigkeit fehlte; die drei Rippen bedeuten die drei Vizekönige 6, 2.

Bibelerklärung, I, Band 5. Aufl.

Nun folgt Cyrus mit den vier Flügeln: Persien, Medien, Babylonien, Aegypten. Seine vier Köpfe sind vier Nachfolger, denn nur so viele werden 11, 2 gezählt bis auf Alexander hin.

Dieser ist’s, der (V. 7) das grundverschiedene abendländische Reich gründet, welches seiner Art nach mit dem römischen zusammenfließt. Leugnen läßt sich aber nicht. daß die vier Flügel verglichen mit den vier Hörnern, welche 8, 4 dem Ziegenbocke wachsen, auch recht gut auf’s griechische Reich passen, in welchem Fall der Bär das medopersische Reich vorstellen würde. Die zehn Hörner sind V. 24 (8, 20) zehn Könige, von denen drei durch das elfte kleine Horn gestürzt werden. Man deutet das auf sieben syrische Könige, die von Seleukus I. seit 312 bis auf Seleukus IV. Philopator 175 v. Chr. regierten, worauf ein Heliodor den Thron inne hatte, ein Demetrius rechtmäßiger Thronfolger war, ein Ptolemäus VI. durch seine Mutter Thronbewerber wurde. Diese drei wurden beseitigt oder ferngehalten, damit Antiochus Epiphanes 11, 21 den Thron besteige: so wenigstens erklären viele die rätselhaften drei Hörner.

Andere denken sich die zehn Könige als gleichzeitig, das Horn also auch als Verstörer von drei Reichen, was freilich in der griechischen Zeit kaum nachgewiesen werden kann. Vergleicht man unser Gesicht mit Nebukadnezar’s Traum, so scheinen die zehn Hörner an die dortigen Zehen zu erinnern, und es entsteht dann ein schillerndes Bild von einem mächtigen Religionsfeind in späteren Zeiten, dem ein schwächeres Vorbild griechischen Ursprungs vorausgeht. Irgendwie hat man sich unter dem Horn keinen Dämon vorzustellen, darum hat es Menschenaugen, es redet aber sehr Vermessenes. Augenscheinlich ist es als der verbissenste Feind der Heiligen gedacht, V 21. 25.

9 Ich schaute, bis daß Stühle gestellt wurden und ein Betagter sich setzt,  deß Kleid war schneeweiß, und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle, sein Thron Feuerflammen, dessen Räder lodernd Feuer.  10. Ein Feuerstrom ging aus vor ihm, Tausend mal tausende dienten ihm und Zehntausend mal zehntausende standen vor ihm. Das Gericht setzte sich und Bücher wurden aufgeschlagen.  11. Ich schaute wegen der lauten Reden, die das Horn redete, bis das Tier getötet, sein Leib umgebracht und in’s Feuer geworfen ward.  12. Auch der andern Tiere Herrschaft verging, denn ihnen war auf Zeit und Stunde die Lebensdauer gegeben.  13. Und siehe, es kam Einer mit des Himmels Wolken wie ein Menschensohn und gelangte zu dem Betagten, und vor denselben brachte man ihn.  14. Und ihm ward gegeben Herrschaft, Herrlichkeit und Reich, und alle Völker, Stämme und Zungen dienten ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht und sein Königreich eines, das nicht zerstört wird. 

Die Feindschaft auf Erden erreicht den höchsten Grad, oben aber bereitet sich eine Gerichtssitzung vor, die Engelsversammlung, Ps. 89, 8*. Da setzt sich der Alte der Tage auf den feurigen Thron; Engel in ihrer Rangordnung sitzen mit zu Gericht, als Zeugen wie als Vollstrecker.

*) Ps. 89, 8: Gott ist gefürchtet in der Versammlung der Heiligen, groß und furchtbar über alle, die um ihn sind.

Bücher weisen nach, was jeder verschuldet, also zunächst das großsprecherische Horn. Das ganze Tier, die Weltmacht überhaupt, wird getötet und zu weiterer Pein in’s Feuer geworfen. Auch die andern (früheren) Tiere sind durch gleiches Gericht beseitigt worden, ähnlich ergeht’s sonstigen, die irgendwie sich erheben. Ein Wesen wie ein Mensch (kein Tier) kommt dann von Wolken umgeben, also von oben stammend, heischt gleichsam vom Alten der Tage, der auf Erden das Gericht vollzieht, was ihm zugedacht ist und empfängt die Herrschaft über die Menschheit. Es ist der Messias, in welchem sich das ewige Reich ebenso verkörpert, wie das Weltreich in einem Nebukadrezar etc. auftrat. Matth. 24, 30; 26, 64)

V. 15 ff. Daniel, schwer ergriffen vom Geschauten, erbittet sich die Deutung von einem Dastehenden und erfährt zuerst, daß die Heiligen des Höchsten das Reich empfangen und ewig besitzen werden, aber erst nachdem sie vom Horn besiegt sind, worauf der Alte ihnen Recht verschaffen werde. Das Horn werde freilich Reden gegen den Höchsten führen, die Heiligen bedrücken und darauf sinnen, Zeiten und Gesetze (alle Lebensordnungen) zu ändern, sie werden auch eine Zeit, (zwei) Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben sein. Dabei kann man an die Hungersnot unter Elija Luk. 4, 25 denken, oder an die Hälfte einer Sabbatperiode; hinfort bleiben 42 Monate stehender Ausdruck für die letzte Versuchungs- und Leidensperiode der Gemeinde. Zuletzt ist entschieden gesagt, daß das Königtum dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werde, d. h. Israel, wenn es erst wirklich geläutert und geheiligt ist und unter der Herrschaft des Messias steht.

Quelle:

Handbuch der Bibelerklärung, Erster Band. Das Alte Testament, S. 977-979. Mit zwei Karten. Fünfte, umgearbeitete Auflage. Calw und Stuttgart, Verlag der Vereinsbuchhandlung, 1878 [Digitalisat]

Und er trat nahe zu mir. Ich erschrak aber, da er kam, und fiel auf mein Angesicht. Er aber sprach zu mir: Merke auf, du Menschenkind! denn dies Gesicht gehört in die Zeit des Endes. (Daniel 8, 17)

Und du, Daniel, verbirg diese Worte und versiegle diese Schrift bis auf die Letzte Zeit; so werden viele darüberkommen und großen Verstand finden. (Daniel 12, 4)

Und er spricht zu mir: Versiegle nicht die Worte der Weissagung in diesem Buch; denn die Zeit ist nahe! (Offenbarung 22, 10)

Weblinks und Verweise

Felber, Dr. Stefan: Daniel 7 – Die vier Tiere und der Menschensohn. Eine biblische Betrachtung. In: Aufbruch – Informationen des Gemeindehilfsbundes, Ausgabe März 2023, S. 3ff. (pdf-Datei, externer Link zum Gemeindehilfsbund)

Eingestellt am 24. März 2023