1. Mose 6, 5-7

Da aber der HERR sah, daß der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, daß er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, und er sprach: Ich will die Menschen, die ich gemacht habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis auf das Vieh und bis auf das Gewürm und bis auf die Vögel unter dem Himmel; denn es reut mich, daß ich sie gemacht habe.

In diesem Gottesurteil spricht sich der ganze göttliche Schmerz aus, den der Schöpfer Himmels und der Erde, der Vater der Menschheit über die Gesamtentwicklung der damaligen Zeit empfand. Eine vom Geiste Kains inspirierte Geschichtsentwicklung schuf siegesbewußt ihre Zukunft, bis diese ihr zum Fallstrick und zur Katastrophe wurde. Und je mehr es ihr gelang, ihre innere Häßlichkeit mit dem Schein der Gottseligkeit zu verdecken, ihre niedrigen Gelüste mit den Begriffen des Gottgewollten zu umkleiden, desto blinder wurde sie dem nahenden Zusammenbruch gegenüber, der sich in der Gesamtentwicklung mit innerer Notwendigkeit vorbereitete. Ist doch die Welt noch immer an ihren eigenen Ideen zu Grunde gegangen. Inspirationen von unten endeten in ihren Auswirkungen konsequent wiederum unten.

Erst in göttlichem Lichte werden die Illusionen einer falschen Geistesrichtung und einer von unten inspirierten Kulturentwicklung in ihrer vollen Nacktheit und in ihrem ganzen Umfang offenbar. In diesem Lichte der Ewigkeit wurden auch damals die Abgründe des Verderbens sichtbar, in die mit unabwendbarer Notwendigkeit die Gesamtentwicklung fuhren mußte. Gott sah, daß „das Unheil der Menschen groß auf Erden und jedes Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse war immerdar“. Das Unheil bestand eben gerade in den herrschenden Zuständen, die durch die Gedankengebilde des menschlichen Herzens geschaffen worden waren. Das falsch gerichtete Denken der Zeit brachte falschgerichtete Ideen und Ideale hervor; denn diese sind nichts anderes als Schöpfungen der Seele. Sobald nun die von der Menschheit gepflegten widergöttlichen Ideale zu solch einer Macht werden, daß sie eine Gefahr für den Fortbestand des Ganzen bedeuten, richtet sie Gott.

Dieselbe Barmherzigkeit Gottes, die den Menschen mit dem Adel einer ihm geistesverwandten Seele geschaffen hatte, sprach nun: „Ich will den Menschen von der Fläche des Erdbodens weglöschen — denn ich bin genötigt, den Entschluß zu ändern, daß ich sie geschaffen habe.“ Ein weiteres Dulden der kainitischen Geistesrichtung hätte die ganze Welt zur Vernichtung geführt. Die eingetretene Entartung war so groß, daß der Untergang des Zeitalters das einzige Mittel war, die Zukunft der Menschheit zu retten.

Und wie oft hat Gott seit denTagen Noahs in der Geschichte Völker samt ihrer blühenden Kultur rettungslos untergehen lassen, weil ihre weltbeherrschenden Ideen zu einer Gefahr für den Fortbestand der ganzen Menschheit geworden waren!

Große Gerichtszeiten begruben immer nicht nur Völker, sondern auch deren Kulturen und Umwelt. Das beweist, welch enge Beziehungen zwischen dem Menschen und der Schöpfung bestehen, die zu beherrschen er berufen ist. „Wenn der Mensch sinkt, trauert und welkt die Erde.“ Sie wartet in ihrer Sehnsucht, daß der Geist des Menschen in gottgewollter Beherrschung die in ihr gebundenen Kräfte und Schätze zum Preise des Schöpfers auslöse und zu Segensquellen für die Menschheit werden lasse.

Daß Gott leidet, wenn er Menschen seines Ebenbildes in ihrer inneren Gottentfremdung im Gericht zugrunde gehen sieht, ist mit das Höchste, was je ein menschliches Ohr der göttlichen Offenbarung abgelauscht hat. Er liebt den Menschen, auch wenn er ihn untergehen lassen muß. Er kann ihn jedoch nicht retten; denn der Mensch in seiner unerneuerten Herzensgesinnung würde aus seiner Erlösung nur eine zweite Hölle schaffen. Daher kann Erlösung auch nur aus der inneren Wandlung des menschlichen Herzens und der Gesinnung der Völker fließen.

Eine auf sich selbst eingestellt bleibende Welt geht zugrunde trotz der Barmherzigkeit Gottes, die über ihren Untergang weint.

Quelle: Jakob Kroeker/Hans Brandenburg: Das lebendige Wort. Eine Einführung in die göttlichen Gedankengänge und Lebensprinzipien des Alten Testaments. Band 1: Schöpfung – Noah (1. Mose 1-11).

Querverweise:

Desgleichen wie es geschah zu den Zeiten Lots: sie aßen, sie tranken, sie kauften, sie verkauften, sie pflanzten, sie bauten; an dem Tage aber, da Lot aus Sodom ging, da regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und brachte sie alle um. Auf diese Weise wird’s auch gehen an dem Tage, wenn des Menschen Sohn soll offenbart werden.
(Lukas 17, 28.30)

Gewaltiges steht uns bevor

O heiliger, gerechter Gott, ich sehe wohl,  je mehr sich die Menschen auf Erden vermehren, desto mehr vermehren sich auch ihre Sünden und verderben ihren Weg, worauf dann nichts als Sündfluten Deiner Strafen erfolgen können. Ach, mein Gott und Vater, ich habe leider mitgesündigt und mich durch Deinen Geist nicht strafen lassen, wie ich wohl sollte. Aber, o HErr, laß Dich ja nicht gereuen, daß Du mich geschaffen hast. Verderbe mich doch nicht in Deinem Zorn. Du langmütiger HErr, hast der ersten Welt hundert und zwanzig Jahre Frist zur Buße gegeben. Wollest mit mir armem Sünder auch Geduld haben und mich nicht übereilen. Ich will mich halten zu meinem himmlischen Noah, JEsu Christo, an den Bund, den Du mit mir in Ihm gemacht hast, zu der Arche Deiner Kirche, darin Du mich erhalten willst. HErr, laß mich Gnade vor Dir finden, daß ich möge tun, was Du mir geboten hast, Nahrung finden für Leib und Seel’ und ewiglich leben.

Amen, Amen.


Eingestellt am 24. März 2021 – Letzte Überarbeitung am 4. Mai 2024