Matthäus 7, 14

„Die Pforte ist eng und der Weg ist schmal, der zum Leben führet; und wenige sind ihrer, die ihn finden.“
(Matthäus 7, 14)

Darum versuche es gar nicht; es wäre vergebliche Mühe, Heiligung jetzt eben zum Allgemeingut der Menschheit zu machen. Das könnte nur auf Kosten der Wahrheit geschehen, und eine solche Heiligung wäre ihres Namens nicht wert. Es taugen wirklich nicht alle Menschen zum Militär, und noch weniger zum Bergsteigen, und noch viel weniger zur Freundschaft. Zur Heiligung aber kann keiner gelangen, der nicht schmerzlich an sich selbst irre wurde und sein ganzes Vertrauen auf Jesu Gnade setzen lernte. Der Eingang ist eng; und der Fußpfad ist wenig begangen. Außerdem ist der Anfang für jeden einzelnen verschieden, und es kann sich keiner gedankenlos nach dem andern richten. Bei einem fing die Heiligung mit der Abkehr von einer Weltlust an; beim andern mit der Erneuerung seines Gebetslebens; beim dritten in einem besonderen Erlebnis Christi. Unter den vielen, die bei einer Erweckung schwärmen wie ein aufgelöster Bienenstock, sind wenige, die ihren Anfang des Lebensweges wirklich gefunden haben und auch ehrlich weitergehen. Prüf‘ dich mal heute abend, wie es mit den gewissen Schritten auf diesem Lebenswege bei dir steht und ob dein Weg schmal geblieben ist.

Herr Jesus! Oft habe ich über meine Einsamkeit mitten im Gedränge der frommen Menge geweint. Heut will es mir scheinen, als müßte ich dir dafür danken, daß ich dich dadurch besser kennen lernte, weil ich bei dir allein geblieben bin.

Amen.

Quelle:

Samuel Keller, Betrachtungen zum Neuen Testament, bei: Glaubensstimme


Der breite Weg ist der Weg des Unglaubens, des Ungehorsams, des Widerstrebens gegen den Geist der Gnade. Es ist der Weg des Losgelöstseins von dem Herrn der Herrlichkeit und des Gebundenseins an den Satan. Los von Gott ist ein jeder, der Ihn nicht fürchtet, Ihn nicht liebt, Ihm nicht gehorcht. Der breite Weg ist der Weg der Sünde, der Lüste und der Begierden des Fleisches, des Wandels nach dem Laufe, nach der Art dieser „Welt“. Dieser Weg wird immer breiter; eine Sünde ruft der anderen; das höllische Unkraut überwuchert die Seele und erstickt alle besseren Regungen. Fern von Gott, unter der Herrschaft der Sünde verderben Geist, Seele und Leib. –

Der schmale Weg hingegen ist der Weg des Glaubens an den Herrn, der Erkenntnis der seligmachenden Wahrheit, der Buße, der völligen Sinnesänderung, der freiwilligen Übergabe an den hochgelobten Seligmacher und Erlöser. Du findest diesen Weg schmal, wenn du ihn antreten sollst; aber du findest ihn lieblich und schön, wenn du mit Jesus eines Sinnes geworden bist. Der schmale Weg ist der Weg des Ausziehens des Leibes der Sünde, des dieser Welt Sterbens, des Kampfes mit Satan, Sünde und Welt, der Weg des Leidens und der Geduld. Er ist aber unentbehrlich, wir müssen ihn gehen, wie sollten wir sonst zum Himmel tüchtig werden? Nur wer kämpft und überwindet, wird in Jesu Reich ein Priester, ein König.

Heute handelt es sich um den Gehorsam. Jesus ruft dir freundlich, aber sehr entschieden zu: Gehe ein! Jetzt gleich kannst und sollst du es tun.

(Markus Hauser)


Für Jesus war es eine schwere Arbeit, die Jünger aus der Gemeinschaft herauszulösen, die sie in das jüdische Volkstum band. Eine kleine Minorität zu sein, von den Vielen sich zu trennen, nicht durch das Tor zu schreiten, durch das sich die Menge drängt, nicht die Straße zu begehen, die jedermann wählt, das ist ein ernsthaftes Unternehmen, vor dem wir alle erschrecken. War die breite Straße nicht dadurch geheiligt und als gefahrlos erwiesen, daß sie die Straße aller war, die Straße aller Parteien, der Frommen und der Unfrommen, der Priester und der Laien, der Lehrer und der Unwissenden?

Jesus ruft den Jüngern zu: Es geht ums Leben! Die Menge rennt in den Tod. Sie sieht ihn freilich nicht und fürchtet ihn daher auch nicht; aber am Ende ihres Weges steht der göttliche Urteilsspruch, der ihr Leben zerbricht. Um des Lebens willen ist jeder Verzicht richtig und jedes Opfer vernünftig. Ihr könnt keinen anderen Weg gehen als den schmalen und einsamen, den nur wenige finden; denn ihr sollt zum Leben gelangen.

Wir sind von derselben Schwierigkeit bedrängt wie die Jünger, obschon unser Volkstum nicht den geheiligten Charakter hat, den Israels Volkstum damals besaß. Weil wir Christen sind, gehört unsere Liebe und Arbeit auch der natürlichen Gemeinschaft, die uns als Volk vereint. Wir bauen sie auf und verketten sie möglichst fest. Je fester aber das Volkstum wird, umso schwerer wird der Christenstand, umso schmäler wird der Weg. Was hat auch so die Macht, uns aus der Menge herauszureißen, die auf breiter Straße geht, und uns durch das enge Tor zu drängen? Die Gottesfrage; denn sie ist die Lebensfrage. Es geht um mein Leben; das ist meine ganz persönliche Sache. Hier haben die Interessen meiner Familie und meines Standes nichts zu sagen; hier gilt nicht nationale Gewohnheit und Meinung der Majorität. Sterben oder leben, das ist mein eigenstes Anliegen, bei dem kein anderer für mich eintreten kann. Ich muß meine Seele retten, und ich rette sie nur dadurch, daß ich Jesus gehorche. Ist der Weg auch schmal, ganz einsam ist niemand, der den Weg des Lebens geht. Wird er auch nur von wenigen gefunden, sie wandern vereint. In der kleinen Gemeinschaft derer, die nach dem Leben streben, entsteht feste Verbundenheit, Liebe und Treue, die nicht bricht.

Wenn ich nicht weiß, wie ich das enge Pförtchen und den schmalen Weg finde, dann, Vater, sei mir nah und mache mir Dein Wort hell. Es hat mich dazu besucht, damit ich aus der Schar der Sterbenden hinübertrete ins Leben.

Amen.

(Adolf Schlatter)

Quelle:


Eingestellt am 6. März 2021 – Letzte Überarbeitung am 30. April 2024