Matthäus 7, 21

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: HERR, HERR! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.
(Matthäus 7, 21)

O, was ist das für eine ernste Rede des Heilandes! Die Menschen, die der Heiland hier beschreibt, sind nicht bloße Scheinchristen. Nein, es sind Leute, die einige Gnade und Erfahrung haben. Es ist schon etwas, wenn man »Herr« zum Heiland sagen kann; die Natur kann dies nicht; man kann es nur durch den heiligen Geist.

So weit haben es also diese Leute gebracht, daß sie zum Heiland sagen konnten: »Mein Herr! Mein Gott!« Sie sind wohl durch die enge Pforte hineingekommen. In der Kraft dieser ersten Erleuchtung haben sie dann auch Taten getan; sie haben Teufel ausgetrieben, sie haben geweissagt, d.h. mit hoher Begeisterung von göttlichen Dingen geredet, sie haben vom Heiland, von der Gerechtigkeit usw. recht gut und treffend zu sprechen gewußt. Und doch gehören sie nicht zu den Seinigen; er wird sie an jenem Tag nicht anerkennen. Warum das? Sie sind still gestanden; sie haben den schmalen Weg, der im Halten der Gebote Gottes besteht, nicht betreten; sie haben sich begnügt mit ihrer ersten Gnade. Warum haben sie sich aber begnügt? Antwort: es ging ihnen wie dem Bischof von Laodizea. Sie meinten, sie seien reich und haben gar satt, und wußten nicht, daß sie arm, elend, jämmerlich, blind und bloß waren. Das, daß sie Taten tun konnten, hat sie aufgeblasen, und so haben sie sich schon für ausgemachte Leute angesehen. Und dann ist es ja immer angenehmer für’s Fleisch, vom Christentum zu schwatzen, als es zu üben und durch Gottes Kraft in Verleugnung einzugehen. O, das ist eine Klippe, an der schon manches Schiffchen gescheitert ist! Da macht man einen guten Anfang und nimmt ein schreckliches Ende und kommt so weit, daß man seinen großen Schaden gar nicht mehr sieht und sich noch am jüngsten Tag auf seine Taten beruft und dann noch, wann der Richter erscheint, meint, vor seinem flammenden Auge Verdienste aufweisen zu können.

O entsetzliche Blindheit!

Wie teuer, Gott, ist deine Güt,
daß du erleuchtet mein Gemüt,
und selbst zur Buße mich gebracht,
als ich in Nacht mit jenen fortging unbedacht.

Laß mich nun desto treulicher
den Weg des Lebens gehn, o Herr!
Und stehe mir allmächtig bei,
daß täglich neu dein Werk bei mir im Fortgang sei!

Andacht: Ludwig Hofacker
Liedverse: Ulm 1720, vielleicht von Tafinger

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Herr, Herr sagen lautet wie ein Bekenntniß. Man redet viel vom Bekenntniß, aber sehr oft nicht im Sinne dieser Worte Jesu. Wenn man meint, diese und jene Lehrformel unterschreiben sei ein hinreichendes Bekenntniß, so ist das eine große Täuschung. Nicht das Herr Herr sagen, oder Herr Herr schreiben ist schon ein Bekenntniß, das vor Gott gilt; zu einem rechten Bekenntniß gehören drei Stücke: Glauben von Herzen, Bekennen mit
dem Munde, und das Thun des Willens des Vaters im Himmel. Manchmal eifert man gewaltig über dem reinen Bekenntniß; eifern ist gut und unter Umständen sehr nöthig; aber wenn es so oft mit beißender Lieblosigkeit geschieht, so gar nicht im Geiste Jesu Christi, so ist das kein Bekenntniß nach Jesu Sinn. Zu einem richtigen christlichen Bekenntniß gehört unerläßich der Wandel nach Christi Sinn und Geist, denn der richtige Wandel ist eine Hauptsache bei unserem Bekenntniß. Wir bekennen uns zu Christi und der Apostel Lehre und wollen dabei bleiben bis in den Tod; aber wir bekennen uns nicht nur zu der  L e h r e,  sondern vor allem zu dem Lehrer. Das Große bei dem Herrn und seinen Aposteln war, daß sie  l e b t e n  was sie lehrten und so muß ein treuer Bekenner Jesu Christi auch leben, was sein Meister gelehrt hat. Das kann er nur, wenn Jesu Geist in ihm wohnet. Treibt ihn Jesu Geist, so ist er Jesu Unterthan, Jesus ist in Wahrheit sein Herr. Dann ist sein Wandel im Himmel, wie Paulus an die Philipper schreibt, er ist jetzt schon im Himmelreich.

Herr Jesu! Du hast Deinen Vater allezeit bekannt, in Wort und Leben. Gib mir Gnade, daß ich Dich auch in Wort und Wandel bekenne und mich fürchte vor allem bloßen Reden. Heilige Du mich, daß mein Reden und Schweigen, mein Thun und Lassen von Dir zeuge.  Amen.

Elias Schrenk
(1831-1913)

Andacht: Tägliche Betrachtungen für das ganze Jahr mit Anhang, S. 19. Von E. Schrenk. 2. Auflage, 32. bis 36. Tausend. Kassel. Druck und Verlag von Ernst Röttger, 1892.

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Gewiß, wer seinen Heiland liebet
und liebt zugleich sein Eigentum,
der wird erfreuet und betrübet
durch Christi Schande oder Ruhm.
Ich bitte meinen Heilserwerber,
er wende doch die Schmach von mir,
darüber ich kein Leiden herber
und keinen größern Schmerz verspür:

Ich meine, Jesum Christum nennen
und seinem Herzen ferne sein,
sich selber nicht im Grunde kennen
und also nicht um Gnade schrei’n
und weil sich’s Fleisch und Blut commode
und niemals gerne sauer macht,
ein Christenthum auf seine Mode
erwählen, das die Welt erdacht.

Ach zünde, o Jesu, die Herzen und Seelen
mit deinen Liebesflammen an!
Hilf, daß wir, o Liebe, zu lieben erwählen
Dich, der so viel an uns getan
und dann auch mit treuem und tätigem Willen
die Liebe an Freunden und Feinden erfüllen.

(Nikolaus Graf von Zinzendorf)

Verse aus:

Geistliches Blumenkörbchen, oder erbauliche Betrachtungen auf alle Tage im Jahre, gesammelt aus ältern Erbauungs-Schriften, herausgegeben von einigen christlichen Freunden. Zu haben in der Raw’schen Buchhandlung in Nürnberg, als auch in Gnadau bei H.F. Burkhard und in Peterswaldau in Schlesien bei Herrn Daniel Elsner.