Die Christengemeinschaft

Die Christengemeinschaft steht der Anthroposophie nahe, versteht sich aber als von ihr unabhängige christliche Erneuerungsbewegung und Kultusgemeinschaft. Bei der Begründung des Kultus war der österreichische Publizist und Esoteriker Rudolf Steiner maßgeblich beteiligt.

Die Gründung dieser religiösen Gemeinschaft erfolgte im Jahre 1922 durch 45 vorwiegend junge Theologen und Studenten unter der Initiative des Berliner Pfarrers Friedrich Rittelmeyer (1872-1938) und des Priesters und Anthroposophen Emil Bock (1895-1959). Im Vorfeld hatte Rudolf Steiner, beginnend mit dem 12. Juni 1921, für die Theologen einen Kursus am Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, dem schweizerischen Ort Dornach, durchgeführt. Zentrale Anliegen dieser Vortragsreihe (Theologenkurs) waren dabei die Verwendung einer neuen religiösen Sprache ohne die überkommene kirchliche Begrifflichkeit und die Intention der Gemeinschaftsbildung durch Kultushandeln. [2]

R. Steiner hat auf diese Weise den Kultus der Organisation wesentlich geprägt, z.B. machte er genaue Angaben über die liturgischen Gewänder und formulierte einen festen, ja unantastbaren Ritus für den Gottesdienst. Er formulierte auch das bis heute gültige Glaubensbekenntnis der Christengemeinschaft. Bis heute wird Rudolf Steiner und seine anthroposophische Lehre in der Christengemeinschaft hoch geschätzt.

Die oberste Leitungsinstanz der Christengemeinschaft ist der „Erzoberlenker“, welchem Oberlenker und Lenker in ihren Lenkerbezirken nachgeordnet sind. Die Einzelgemeinden werden von einem Pfarrer geleitet. Parallel dazu existiert ein „Executive Committee – EC“ auf „weltlicher Ebene“, das mit einem Vereinsvorstand vergleichbar ist [4].

Die Christengemeinschaft versteht sich zwar selbst als „christlich“, läßt sich aber in vielen Aspekten als eine neu-gnostische religiöse Gemeinschaft ansehen, mit Elementen fernöstlicher Religionen (Reinkarnation, „göttlicher Lichtfunke“, kosmischer Prozess). Die Taufe der Christengemeinschaft wird von den Großkirchen nicht anerkannt; auch wurde wegen der erheblichen Lehrunterschiede keine Einbindung in die ökumenische Zusammenarbeit vorgenommen. Im „Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen“, herausgegeben von der VELKD, 6. Auflage, wird die Christengemeinschaft folgerichtig unter „Christliche Sekten“ aufgeführt. Ihre Hintergründe und Lehren werden auch in Karl Huttens Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen („Seher, Grübler, Enthusiasten“) dargestellt [7].

Oswald Eggenberger beschreibt die Theologie der Christengemeinschaft in seinem Buch „Kirchen – Sekten – Religionen“ wie folgt:

„Die Christengemeinschaft versucht die biblische Botschaft anthroposophisch zu verstehen. Der Weg des Menschen verläuft aus dem Rein-Geistigen ins Stoffliche. Christus, der Hohe Sonnengeist, hat die Abwärtsentwicklung angehalten und umgewandt. Er ist nämlich in die stoffliche Welt eingedrungen und hat sie mit neuer Geistigkeit erfüllt. Durch Christus strebt der siebenstufige Entwicklungspfad des Menschen wieder dem Rein-Geistigen zu.

Die Christengemeinschaft glaubt, daß sie mit Hilfe der Anthroposophie hinter den Worten der Evangelien deren eigentliches Leben finde. Sie feiert ihren Gottesdienst als Menschenweihehandlung. Diese stellt in einer eigenen, hie und da an die katholische Messe erinnernden Liturgie die Wirklichkeit der Christuswelt dar. Durch die Menschenweihehandlung und die weiteren sechs Sakramente sollen die Teilnehmer in den großen, überpersönlichen Strom des Kultus einmünden, um ihn zu erleben, zu verstärken und zu erfüllen.“

Aus literarischen Veröffentlichungen ist eine deutliche Neigung von Friedrich Rittelmeyer zur Mystik ersichtlich.

Die sieben Sakramente der Christengemeinschaft, welche eine sehr große Rolle spielen, sind:

Menschenweihehandlung, Taufe, Konfirmation, Beichte, Trauung, Priesterweihe, Sterbesakrament

Man kann die Christengemeinschaft somit als Einrichtung zur „Ummantelung“ der Anthroposophie mit Sakramenten und sonstigem liturgischen Beiwerk bezeichnen [5].

Die Christengemeinschaft gibt an, in ihr herrsche Lehrfreiheit und versteht sich offiziell als „freie Kirche ohne Dogmen“. Zentrale neutestamentliche Lehren werden im Geist der Anthroposophie spirituell-esoterisch bzw. allegorisch umgedeutet. Steiners „Geisteswissenschaft“ dient dabei als hermeneutischer (d. h. auslegender bzw. erklärender) Schlüssel für die Interpretation der biblischen Aussagen. Die Bibel wird in diesem Rahmen zwar zitiert, jedoch nur nach Belieben und unter Verbiegung ihres Inhalts, sie ist weder Quelle noch Norm, wie die Reformation es fordert.

Gott als persönliches Gegenüber des Menschen wird auf diese Weise ersetzt durch die Vorstellung von unpersönlichen, kosmischen Mächten, mit denen die Menschen kultisch oder hellseherisch in Kontakt treten können. Wo Jesus Christus erwähnt wird, geschieht es in irrlehrerischer Weise.

Schriftstellen (Lutherübersetzung):

Mich wundert, daß ihr euch so bald abwenden lasset von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem anderen Evangelium, so doch kein anderes ist, außer, daß etliche sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. (Galater 1, 6)

Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehren reden, die Jünger an sich zu ziehen. (Apostelgeschichte 20, 30)

Denn es wird eine Zeit sein, da sie die heilsame Lehre nicht leiden werden; sondern nach ihren eigenen Lüsten werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach dem ihnen die Ohren jucken. (2. Tim. 4, 3)

Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. (1. Kor. 3, 11)

Weblinks und Verweise

Bildnachweis: Altarraum der Johannes-Kirche der Christengemeinschaft in Dresden, aus: Wikimedia Commons, Odysseetheater, Lizenz CC-BY-4.0

[1] Wikipedia (DE): Die Christengemeinschaft

[2] Die Christengemeinschaft – Informationstext der Ev.-luther. Mariengemeinde in der SELK, Berlin

[3] Christengemeinschaft – Lexikon der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschaungsfragen (EZW, Berlin) von Dr. Matthias Pöhlmann. Mit ausf. Literaturliste.

[4] Die Christengemeinschaft – eine religiöse Erneuerungsbewegung? – Eine Betrachtung der Arbeitsgemeinschaft für Weltanschauungsfragen (AG Welt)

[5] Sieben Sekten – eine Warnung für evangelische Christen, 29. Aufl., Neubearb. 1977, S. 18-22; aus der Reihe „Aktuelle Fragen -Band 22“. Verlag und Schriftenmission der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland, Wuppertal-Elberfeld [Download pdf]

[6] Grundlagen einer Theologie in der Christengemeinschaft, in: Andreas Fincke (Hg.), Anthroposophie – Waldorfpädagogik – Christengemeinschaft. Beiträge zu Dialog und Auseinandersetzung, EZW-Texte 190, Berlin 2007, 104-108

[7] Hutten, Kurt: Seher, Grübler, Enthusiasten. Das Buch der traditionellen Sekten und religiösen Sonderbewegungen, S. 687-720: Die Christengemeinschaft (Quell Verlag Stuttgart, 13. Aufl. 1984) – ISBN 3-7918-2130-X

[8] Debus, Michael: Auferstehungskräfte im Schicksal. Die Sakramente der Christengemeinschaft. 3. Aufl., Stuttgart 2011.

Erstellt am 19.08.2019 * Update am 02.10.2022

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