1. Der Schönste unter den Menschenkindern. (Psalm 45, 3)

Du bist der Schönste unter den Menschenkindern, holdselig sind deine Lippen. (Psalm 45, 3)

Oder was wäre nicht schön an Ihm? Weißt du Etwas, was nicht schön ist an dem Schönsten? Wie sollte der nicht der Schönste sein, welchem der ewige Geist der Wahrheit dieses Zeugniß gibt? Frag Alle, die Ihn kennen, ob es nicht so ist. Sie kennen Ihn nicht, wenn sie anders denken und sagen. Ja, mein Heiland, Du bist es und außer Dir Keiner.

Alle Schönheit Himmels und der Erde ist gegen Dich nur Schein. Abraham leuchtet durch seinen Glauben, Moses durch seine Treue, Elias durch seinen Eifer, Petrus durch seine Kraft, Paulus durch seine Fülle, Johannes durch seine Liebe, meine Brüder und Schwestern, die Dich kennen, sind mir lieb durch mannigfaltige Gnade und Gabe; doch was sind sie Alle anders als blinkende Tropfen aus Dir, der Quelle, Du Inbegriff und Ur-
sprung aller Schönheit, Schönster unter den Menschenkindern! Wie blind war ich, als ich Deine Schönheit nicht sah? Wie trübe wäre das Licht meiner Augen, wenn ich Dich noch mit andern vergleichen wollte. Du bist ohne allen Vergleich, der Schönste unter den Men-
schenkindern. An Dir bin ich nie enttäuscht worden, wie so oft sonst in dieser Welt und an mir selbst so oft. Du aber bist ewig und wahrhaftig in Deiner Schönheit. O Herr, laß mir Deine holdseligen Lippen nie schweigen und Tag und Nacht von Deiner Schönheit reden!

Antwortet Alle, ob diese Lippen holdselig sind; sprich, du weinendes Weib am Grabe, ob Jesu Lippen holdselig sind. Sag, du Mitschächer, wie Jesu Lippen zu dir sprachen. Süße Lippen Jesu, die für mich gedürstet haben, damit ich ewiglich nicht in der Flamme umkomme; Lippen meines Heilandes, die da sprechen: Es ist vollbracht, die noch zu mir reden von Vergebung meiner Sünden in dem einmaligen Opfer am Kreuze und am Altare mich innig erfreuen. Vater und Mutter liegen im Grabe, nie höre ich in diesem Leben ihre Stimme wieder; aber wie lieb ihre Stimme war, nichts ist den holdseligen Lippen Jesu zu vergleichen. Sie reden von Schuld, von meiner unermeßlichen Schuld; ich finde, daß sie auch darin Wahrheit reden und Wahrheit macht allein frei, gewiß und wahr; aber sie reden auch von getilgter Schuld, von dem unerschöpflichen Erbarmen des Sünderheilandes, und von Seiner Geduld, die meine Seligkeit ist. Holdselige Lippen Jesu, voll Gnade und Wahrheit! Diese Lippen sollen mir die Barmherzigkeit und das Reich des Vaters verkündigen, wenn sie im jüngsten Gericht allen Todten und Lebendigen rufen.

Diese Lippen will ich hören,
daß ich lebe und nicht im Tode entschlafe.
Diesen Lippen will ich trauen,
diese Lippen sollen mir Leib und Seele erquicken,
bis ich Ihn endlich ohne Hüllen sehe und mit
allen Auserwählten mit neuer Zunge ausrufe:
Du bist der Schönste unter den Menschenkindern!

Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm,
Mein König und mein Bräutigam,
Hast mir mein Herz besessen!
Wie bin ich doch so herzlich froh,
Daß mein Schatz ist das A und O.

Quellen:

Stille halbe Stunden. Von Th. Schmalenbach. Gütersloh, Druck und Verlag von C. Bertelsmann. 1877.
Bayerische Staatsbibliothek, urn:nbn:debvb:12-bsb11354794-3
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Liedvers: Philipp Nicolai Wie schön leuchtet der Morgenstern

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