Der gläubige Christ betet, wenn Gott mit Teuerung und Hungersnot… (Starck)

Aufmunterung.

Du Menschenkind, siehe, ich will den Vorrat des Brotes zu Jerusalem wegnehmen, daß sie das Brot essen müssen nach dem Gewicht und mit Kummer, und das Wasser nach dem Maß mit Kummer trinken. (Hesekiel 4, 16)

Der gläubige Christ betet, wenn Gott mit Teuerung und Hungersnot das Land heimsucht.

Wie zahme und wilde Tiere mit Hunger gezüchtigt werden, damit sie etwas lernen oder ihre wilde Art ändern müssen, so pflegt Gott eben solchen Zaum und Gebiß den Menschen in den Mund zu legen, wenn sie nicht zu ihm wollen. Gott lockt sie lange mit Wohltaten, um sie damit zu sich zu ziehen; wenn sie aber durch solche Güte sich nicht zur Buße leiten lassen, so schickt er Hunger in’s Land, entweder durch Mißwuchs oder Krieg oder durch Teuerung und Mangel, oder wenn er den Segen vom Brot wegnimmt, daß man isset und nicht satt wird. Die Strafe kommt gemeiniglich,

1) wenn die Menschen das Wort Gottes gering achten und nur auf Wohlleben bedacht sind, Jes. 5, 13;

2) wenn man fromme Leute und die Knechte Gottes verfolgt, Jer. 11, 21+22;

3) wenn man die Stimme der falschen Propheten gerne hört, Jer. 15, 15+16;

4) wenn man halsstarrig ist, Jer. 24, 10;

5) wenn man ungehorsam bleibt, Hes. 5, 16;

6) wenn man Gewalt gegen Geringe verübt, 2. Sam. 21, 1.

Diese Hungersnot bringt Armut, Elend, Verschmachten mit sich, daß Eltern ihre Kinder und andere Dinge vor Hunger essen.

7) Wenn dazu noch der geistliche Hunger kommt, Amos 8, 11f., so ist das Elend unaussprechlich.

Gebet.

Gerechter Gott, der du einem Jeden gibst nach seinen Werken und lässest Zorn, Trübsal und Angst kommen über die, so da Böses tun. Wir kommen hier vor dein allerheiligstes Angesicht und schämen uns, daß wir uns so an dir versündigt haben, daß du uns mit Hunger zum Gebet und Gehorsam zwingen mußt. O wie reichlich hast du uns in den vorigen Jahren gespeist! Wir haben Brotes die Fülle gehabt, die Erde brachte uns die lieblichsten und schönsten Früchte. Diese Gaben nun hätten uns als Liebesseile zu dir, dem reichen Geber, ziehen und zur Buße locken sollen. Aber wie schändlich sind diese Güter zur Völlerei, zum Wohlleben im Überfluß mißbraucht worden, so daß die Kreatur selbst über uns geseufzt hat, daß sie von undankbaren Menschen mit undankbaren Herzen und Händen empfangen worden sind. Was ist denn Wunder, daß ein fruchtbares Land nichts um der Sünden derer willen trägt, die darin wohnen! Du strafst uns mit Teuerung, Mangel, Dürre, indem die Erde ihre Früchte kärglich gibt, daher die Teuerung das Land hart drückt.

HErr! höre das Schreien der Armen, die um’s Brot bitten und nicht satt werden. Nimm doch das Winseln der Kinder, das Klagen der Eltern, den Jammer, der in der Stadt und auf dem Lande alle Häuser erfüllt, zu Herzen. Es scheint, du habest den Segen von unserer Speise genommen. Wir essen und werden nicht satt, wir nehmen viel Speise zu uns und verschmachten fast vor Hunger, und das Vieh, diese unvernünftige Kreatur, ruft um Futter zu ihrem Schöpfer. Ach HErr, HErr, gnädig,  barmherzig, geduldig und von großer Güte, erbarme dich über uns, kehre dich wieder mit deinem Segen zu uns, den du uns entzogen hast!

Deine Brünnlein haben Wassers die Fülle, darum suche das Land heim und wässere es, lasse den Himmel die Erde erhören, und erhöre du uns selbst von deinem Heiligtum. Lasse die Teuerung aufhören, wende dich wieder in Gnaden zu uns, sättige die Hungrigen, erfreue die Armen, segne unser weniges Brot, das wir nach dem Gewicht und mit Kummer täglich zu uns nehmen. Nun erkennen wir, daß wir nicht allein vom Brot, sondern am meisten von dem Segenswort leben können, das aus deinem Munde geht, und wodurch du Kraft in unsere Speise legest. Lasse das Feld bald mit Früchten wieder erfüllt werden, vermehre das wenige Mehl wie der Witwe zu Sarepta, lasse den geringen Vorrat genug zur Erhaltung Vieler sein. Lasse indessen dein Wort unsere Speise sein, um uns damit zu nähren, denn das ist unser Herzenstrost, unser Honig und Honigseim. Wir wollen dich für diese Gnade rühmen und preisen unser Leben lang.

Ach HErr! Sieh an die große Not,
Entzieh uns nicht das liebe Brot,
Schütt deinen Segen aus;
Du bist ja uns’re Zuversicht,
D’rum bitten wir: Verstoß uns nicht!

Amen.

Gesang.

Mel.: „Zion klagt mit Angst und Schmerzen“ etc.

1) Mit den scharfen Teurungsruten
Machst du, o erzürnter Gott
Unser hartes Herze bluten.
Ach, die bitt’re Hungersnot
Drohet uns den Untergang,
Sie macht uns’ren Seelen bang.
Jammer hat uns ganz umgeben,
Da wir solche Not erleben.

2) Es ist fast nicht auszusprechen,
Wie der Mangel Alles drückt.
Es möcht dem sein Herze brechen,
Der die Tränenflut erblickt,
Welche diese Not auspreßt,
Darein Gott uns sinken läßt.
Schau, Erbarmer, auf die Armen;
Vater, denk an dein Erbarmen!

3) Mangel drücket Groß und Kleine,
Unser Vorrat ist dahin.
Mangel schwächt uns Mark und Beine,
Mangel quält uns immerhin,
Mangel ruft der Arme aus,
Mangel ist in’s Reichen Haus,
Mangel hat uns aufgerieben,
Daß uns Nichts ist übrig blieben.

4) Ach, das machen uns’re Sünden,
Diese steigen himmelan,
Daß man keine Hülf kann finden,
Die dem Mangel steuern kann.
Frechheit und Halsstarrigkeit
Bringt uns dieses Herzeleid,
Ungehorsam und Wohlleben
Müssen diesen Lohn uns geben.

5) Schaue, wie die Kinder jammern,
Ach! wir sind ja noch nicht satt;
Auf dem Feld und in den Kammern
Liegen Viel‘ vor Hunger matt.
Dort sieht man viel Arme stehen,
Die um Brot und Hilfe flehen,
Ja, man hört das Vieh auch brüllen,
Es will seinen Hunger stillen.

6) HErr, du hast hinweggenommen
Deinen Segen von dem Brot,
Und ach! daher ist gekommen
Diese Teurung, diese Not!
Uns’re Speise sättigt nicht,
Welch ein schreckliches Gericht!
Hunger bleibt auch in dem Essen,
Und der Speis‘ ist bald vergessen.

7) HErr, wir fallen vor dir nieder
Rette uns aus dieser Last
Gib uns deinen Segen wieder
Den du uns genommen hast
Laß die Äcker wieder blüh n
Nach dem Säen und Bemüh n
Laß sie reiche Früchte bringen
Laß den Segen zu uns dringen!

8) Speis‘ uns nur mit deinem Worte,
Wenn es uns an Brot gebricht,
Wenn wir klopfen an die Pforte,
Vater, so verstoß‘ uns nicht!
Dieses wahre Lebensbrot
Stärke uns in dieser Not;
Auf der fetten Seelenweiden
Ist leicht leiblich Hunger leiden.

9) Laß uns wieder Gnade finden,
Laß durch deine Segensflut
Diese Teurungsnot verschwinden,
So wird Alles wieder gut.
Dann soll unser Herz und Mund
Alle Tag und alle Stund‘
Sprechen: Gott hat Brot und Leben
Uns aus Gnaden wieder geben!

Quelle:

Johann Friedrich Stark’s, weil. evang. Predigers und Konsistorialraths zu Frankfurt a. M., Tägliches Handbuch in guten und bösen Tagen, enthaltend Aufmunterungen, Gebete und Gesänge für Gesunde, Betrübte, Kranke und Sterbende; ferner Sprüche, Seufzer und Gebete, den Sterbenden vorzusprechen, mehrere Festandachten, Buß=, Beicht=, Communion= und Wetter=Gebete, Trost- und Erquickungs=Gebete und Gesänge, wie auch Kriegs=, Theurungs=, Pest= und Friedens=Gebete, nebst einem Gebetbüchlein für Schwangere, Gebärende, Wöchnerinnen und für Unfruchtbare. Neue wohlfeile Ausgabe in großem Druck. 31. Stereotypdruck. Mit dem Bildniß des sel. Verfassers und vier weiteren Bildern. Stuttgart. Druck und Verlag von J. F. Steinkopf, ca. 1870, Seiten 375-378. [Digitalisat]
Eingestellt am 4. Februar 2023