23. August

Laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.  (2. Korinther 12, 9)

Überhaupt kann das Christen–Leben schon wegen der beständigen und immer zunehmenden Abhängigkeit von dem Herrn und seiner Gnade der Natur nicht anstehen. Verbot Christus nicht aus dem nämlichen Grunde seinen Jüngern, weder vorrätiges Geld noch sonst etwas mit auf die apostolische Missionsreise zu nehmen, noch auch sich auf das, was sie reden sollten, vorzubereiten? Es soll euch zur Stunde gegeben werden. Wer dies für eine leicht zu befolgende Verhaltungsregel hält, der muß sich selbst noch wenig kennen. Nicht bloß zur Stunde, wo man es bedarf, sondern im Voraus hätte man es gern, und zwar nicht im Glauben, sondern in eigentümlichem Besitz. Es wäre in der Tat der Natur etwas sehr Angenehmes, so viel Vortrefflichkeit in sich selbst zu haben, dass man davon bestehen und damit ausreichen könnte. Aßen unsere Eltern nicht eben deshalb von dem Baume? Es ist uns nicht anständig in Christo; lieber wollten wir in uns selbst vollkommen sein. Aber das gibt nichts. Willst du ein Jünger Jesu sein, so sorge nur für ein leeres Gefäß, und bequeme dich zur geistlichen Armut. Erhebe dich zu einem mächtigen Vertrauen, daß eher junge starke Löwen werden Hunger leiden, als daß die, so den Herrn fürchten, nicht sollten genug haben. Lerne die großen evangelischen Worte verstehen, wo es heißt:

Als die Armen, die doch Viele reich machen, als die nichts haben, und doch Alles haben.

Bist und bleibst du denn auch stets in einer Armut, weißt du dies Mal so wenig durchzukommen, wie das andere Mal, so sei seine Gnade dir genug, denn seine Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Gott, der uns Ihm hat auserwählt, Der weiß am besten, was uns fehlt.

Aus: Tägliches Manna für Pilger durch die Wüste. Schatzkästlein aus Gottfried Daniel Krummachers Predigten. Neu herausgegeben von J. Haarbeck, Pastor in Elberfeld (Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins, Neukirchen, Kreis Mörs, 1899)